f Die alten (bäuerlichen) Berufsbezeichnungen vom Dorfe ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Dienstag, 4. September 2012

Die alten (bäuerlichen) Berufsbezeichnungen vom Dorfe

Hallo zusammen, 


heute gibt es so viele Berufe, dass man in der Schule nicht nur lernen muss einen bestimmten Beruf auszuüben, sondern auch, überhaupt erst einmal den richtigen zu finden. Es fällt schwer sich vorzustellen sich ohne Jobbörsen und das Internet auf dem Arbeitsmark zurecht zu finden.

Manchmal stoßen wir auf alte Namen mit denen man im ersten Moment keinen der uns bekannten Berufe verbindet. Wer würde heute annehmen, dass ein "Altenteiler" eine Bezeichnung eines Berufes ist. Auch Kötner, Höfner und Abbauern sind aus unserer Zeit gewichen.

Wenn man sich für die Lokalgeschichte interessiert, muss man diese Begriffe jedoch kennen - und trennen können. Früher wurde mit dem Beruf in ländlichen Regionen - mehr noch als heute - auch der gesellschaftliche Stand verbunden.
Daher werde ich mich in diesem Beitrag den alten Berufs- und Ständebezeichnungen widmen, da ich glaube, dass sie ein unumgänglicher Schritt sind, um unsere Geschichte zu verstehen. Exemplarisch möchte ich anhand der bis 1928 eigenständigen Gemeinde Schwachhausen (heute Samtgemeinde Flotwedel) vorgehen. Schwachhausen bietet sich zu diesem Zweck nicht nur an, weil es sich dabei um mein Heimat- und Lieblingsdorf handelt. Kaum ein anderes Dorf im Landkreis Celle ist seinen Wurzeln bis heute so treu geblieben - und daher kann man anhand der Namen auch interessante Rückschlüsse auf das Hier und Jetzt ziehen.


Zuvor werde ich die Begriffe aber kurz erklären, damit wir alle wissen, wovon wir eigentlich reden!



Abbauer:

Fälschlicherweise könnte man denken dieser Bauer würde etwas ab-bauen. Das ist auf den zweiten Blick gar nicht SO falsch. Der Abbauer war ein Pächter mit einem kleinen Eigenbesitz. Er war auch anzusehen als ein Neusiedler. Er war jemand, der von einem bestehenden Hofe "abbaut" - also ein Stück gepachtetes Land bekam, dort ein Haus baute und kleinere Ländereien bewirtschaftete. 



Anbauer: 

Von den Größenverhältnissen verhielt es sich beim Anbauer ähnlich wie bei Abbauer. Auch er hatte Land von einem Hof erhalten. Der wesentliche Unterschied zum Abbauer bestand darin, dass der Anbauer die Allmende benutzen durfte. Unter der Allmende verstand man eine Wiese, Weide, Tränke oder sonstige öffentlich nutzbare Einrichtung und Fläche. Den meisten Mitgliedern des Dorfes war die Nutzung der Allmende gestattet. (In der VWL beschäftigen sich ganze Semester mit dem Problem der "Tragik der Allmende" d.h. dem Problem, dass ein für alle nutzbares Gut nicht bereitgestellt wird, da es zu ehr ausgenutzt werden würde...)



Altenteiler: 

Man hat hier sofort den alten Greis vor Augen, der zwar auf dem Hof lebt, aber nicht mehr wirtschaftet. Das ist auch schon fast korrekt! Der Altenteiler war ein Bauer im Ausgedinge, nach Übergabe des Anwesens an den Sohn; Nutznießer des Altenteils. Heute würde in diesem Fall ein gesetzliches Wohnrecht eingetragen und bestimmte Vorschriften im Hofübergabevertrag festgelegt. Früher verstand es sich, dass der Erbe den "Alten" auf dem Hof wohnen lässt und versorgte. 


Brinksitzer: 

Diese Herrschaften waren nicht so vermögend, wie ihr Name klang. "Brink-Sitzer" stammt von "Brink" - ein dörflicher Außenbezirk in dem das Vieh weidete und "Sitzer" - von "dort ansässig". Brinksitzer waren meist eher ärmliche Bauern mit wenig oder gar keinem Land. Ihre Flächen waren meist gepachtet und am Rand des Dorfes gelegen. 



Köt(h)ner: 

Die Köthner, Kötner oder Kätner ließen sich in Voll-, Mittel- und Halbköthner oder auch Groß- und Kleinköthner unterscheiden. In Bezug auf Schwachhausen findet sich nur die einfache Bezeichnung "Köthner". Das liegt vermutlich daran, dass das Dorf sehr überschaubar war und keine Unterscheidung der Hofgrößen vorgenommen werden musste um zu wissen von welchem Bauern die Rede war. Die Köthner bewirtschafteten Flächen zwischen 2 - 30 Morgen. Der Wortursprung wird im Begriff "Kate" gesehen - einem kleinen, bewohnbaren Haus. Die Köthner verrichteten meist auf dem zugehörigen Gut Erntedienste und Spanndienste. 
Das Land welches sie bewirtschafteten gehörte häufig durch Zuweisung oder Besitz ihnen selbst. 



Höfner: 

Auch bei den Höfnern lässt sich in Voll-, Dreiviertel-, Halb- und Viertelhöfner unterscheiden. Diese Bauern besaßen meist ganze Höfe (Vollhöfner) und hatten nach dem Gutsherren die größte lokale Macht. Ihre Ansiedlung geht bis zur ersten Siedlungsstufe (nach Pröve) zurück. Die Höfner waren häufig auch Gutsverwalter oder Großknechte - unterstanden also direkt dem Gut. 



Fazit: 

Es ist nicht ganz leicht die Berufsbezeichnungen zu trennen - obgleich man sie früher wie selbstverständlich verwendete. Etwas anschaulicher wird die Sache, wenn man sich einem konkreten Sachverhalt widmet...



Zu Schwachhausen: 

Mehr zu Schwachhausen findet man auch hier: Mehr zu Schwachhausen (Click). 




Der Nachweis, dass es Höfner, Köthner und Abbauern gab, findet sich in einer Aufstellung der Gemeinde Schwachhausen vom 22 Oktober 1876 (Siehe Überschrift im Bild rechts oben. In dem Dokument findet sich eine Aufstellung der Steuerzahlungen - aber auch die Einteilung der Höfe in den jeweiligen Stand. 


Wie üblich wurde auf der ersten Seite eine Erklärung dazu abgegeben worum es ging. Die betreffenden Bauern unterschrieben daneben: 




Genannt werden: 

- Ortsvorsteher Krohne
- Vollhöfner Pries
- Köthner Tietje
- Abbauer H. H. (Hans Heinrich?) Tietje, sowie die Abbauern: 
- Bütepage
- Gerloff
- Hr. Surburg
- Fr. Charbonier
- Spittau
- Wilf. Tietje
- Jos. Hr. Tietje
- Hr. Kaune. 


Die Namen sind uns noch heute sehr vertraut. Viele davon finden sich noch immer unter den Bewohnern der Dörfer Offensen/Schwachhausen. Beim Ortsvorsteher "Krohne" müsste es sich um meinen Ur-Urgroßvater handeln. 
Der Name Pries findet vor allem nach dem Aussterben der adeligen Familie Zu Winterstedt (wohnhaft auf dem Gut zu Schwachhausen) Erwähnung. Es wird der Familie Pries eine Verbindung zum Gut unterstellt, die sich bis heute nicht einwandfrei nachweisen ließ. Zumindest kann man es vermuten, da der recht große Hof durch den letzten Schenk zu Winterstedt an die Familie Pries übertragen wurde. In anderen Dokumenten dieser Zeit wird auch der Name Pries zeitweilig im Amt des Ortsvorstehers (später Gemeindvorstehers) genannt. Der Name Krohne wird in der Aufstellung ebenfalls unter "Köthner" geführt. 
Die tabellarische Liste umfasst vier Seiten mit den Bezeichnungen der einzelnen Bauern und ihrem Stand/Beruf. Dass es derart viele "Abbauern" gibt ist nicht weiter verwunderlich. Das alte Höferecht sieht seit jeher vor, dass der älteste Sohn den Hof erbt - in einer Zeit ohne Sozialversicherungen, die erst unter Bismarck eingeführt wurden, waren die Familien aber meist eher kinderreich. Die jüngeren Söhne wurden daher häufig zu Abbauern, die zwar relativ frei das Land bestellen konnten, faktisch aber zum ursprünglichen Hofe gehörten. 



Hier noch einmal eine Übersicht aus der Kurhannoverschen Landesaufnahme (1781):

1. Das Gut
2. Bislang noch unbekannt - vielleicht auch mehrere Höfe?
3. Pries
4. Tietje
5. Krohne.













In dem Messstichblatt (Bröckel) um 1900 stellt der Sachverhalt folgend dar:

Man erkennt die großen Höfe noch - aber auch, dass z.B. am Lindenweg ein neuer Hof entstanden ist. Heute wird dieser Hof als "Feldpries" bezeichnet - es handelt sich um den Hof eines Abbauern vom Hofe Pries.













Noch eine kleine Geschichte...

Was den Schwachhäuser Teil meiner Familie angeht, so stamme ich von den Familien Krohne und Kaune ab. Die Familie Krohne gehörte zu den großen Köthnerfamilien des Ortes. Die Familie Kaune soll zu jener Zeit (zwischen 1750 und 1900) den ehemaligen Gutskrug bewirtschaftet haben. Das Gebäude existiert heute leider nicht mehr. Im Beitrag Mehr zu Schwachhausen (Click) finden sich noch einige Bilder dazu...


Ich hoffe es ist mir gelungen ein wenig Klarheit über die alten (bäuerlichen) Berufe in unserer Heimat zu geben. 


Beste Grüße und bis bald, 
S.t.a.l.k.e.r.





_________________________________________________________________


Wichtiger Hinweis: 

Ich suche jederzeit Material zur Heimatgeschichte. Wenn Sie alte Fotos, Postkarten, Zeichnungen, Karten oder andere geschichtliche Dokumente besitzen und gerne etwas dazu erfahren möchten, dann bitte ich Sie mich zu kontaktieren. Alle Informationen werden mit größter Sorgfalt behandelt! 

Für Hinweise in Form von Dokumenten bin ich bereit zu zahlen! 

Bei Fragen/Anregungen/Kritik bitte ich Sie mir eine kurze Mail zu schreiben. 

Mail: found-places@live.de

___________________________________________________________





1 Kommentar: