f Januar 2013 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Donnerstag, 31. Januar 2013

Die Flurnamen Offensen/Schwachhausen...

Die Flurnamen Offensen/Schwachhausen...

...was uns alte Flurbezeichnungen über unsere Ortsgeschichte verraten. Exemplarisch am Beispiel Offensen/Schwachhausen aufgearbeitet. 


Sicher hat jeder schon einmal vom Begriff der "Feldflur" gehört. Und bestimmt kennen viele den Begriff "Flurstück" aus dem amtlichen Gebrauch zur Bezeichnung eines Grundstücks.

Früher - bis zur Verkopplung im 18. und 19. Jh. - waren die Feldstücke wesentlich kleiner als heute. 


Bild: altes Flurstück bei Eicklingen. Quelle: Verkopplungsrezeß Eicklingen, Hauptstaatsarchiv Hannover. Sekundärquelle: Chronik Eicklingen. 


Das Beispiel vom "Schumachers Kamp" bei Eicklingen zeigt deutlich: früher waren die Feldstücke sehr lang und schmal. Sie lagen in einem großen "Feld", das einen expliziten Namen hatte. Heute kennen wir solche Felder nur als Ganzes. Warum waren die Feldstücke so schmal? 

Nun, das liegt im Wesentlichen in zwei Ursachen begründet: 

1. Es gab keine Traktoren - gepflügt wurde mit dem Pferdegespann. Es wäre gar nicht möglich gewesen mit solchen Mitteln eine derart große Fläche zu bewirtschaften. 

2. Lehnswirtschaft. Die Bauern hatten früher keinen Besitz am Land als solches. Ihnen war so viel Land zu Lehen, wie sie bewirtschaften konnten. Es spielte für den Gutsherren natürlich keine Rolle, wie klein die Parzellen auf seinem Feld waren - Hauptsache der Ertrag stimmte.


Untersuchungsraum: 


Bild: Untersuchungsraum - Offensen/Schwachhausen. Quelle: Google Earth 2011.


Vorüberlegung Flurnamen...

Man sollte nicht annehmen, dass vor einigen hundert Jahren jemand durch die Feldmark ging, um die Flächen zu benennen. Vielmehr wuchsen die Flurnamen in unterschiedlichen Epochen. Somit gibt es sehr alte Bezeichnungen - aber auch recht junge. Das macht auch Sinn, denn die Landschaft war ja nicht immer so nutzbar wie es der mensch gerne wollte. Die Zeit die es brauchte um die Felder urbar zu machen, brauchte es ebenso die einzelnen Feldflächen zu benennen. 

Aus heutiger Sicht sind die Flurnamen nicht nur für so manche Anekdote zu gebrauchen - nein, sie verraten uns sehr viel über unsere Umgebung. Es ist sehr interessant nachzuvollziehen wie mache Bezeichnung entstand. 

Dieser Beitrag soll keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Vielmehr soll der bisherige Kenntnisstand präsentiert und Anregungen zum Nachdenken gegeben werden.


Woher stammen also Flurnamen...?

 

Bild: Niedersachsen Ende des 18 Jh. Grün: Wald. Pink: Heide. Orange: Moor. Quelle: Niedersächsische Landeskreditanstalt 1934. 

Bild: Niedersachsen Ende des 18 Jh. Grün: Wald. Pink: Heide. Orange: Moor. Quelle: Niedersächsische Landeskreditanstalt 1934. 


Die vorstehenden Bilder verdeutlichen uns einen unbestreitbaren Sachverhalt: unsere Landschaft war nicht immer so, wie wie sie heute kennen. Während Ende des 18 Jh. noch weite Moor und Heideflächen verzeichnet sind, finden sich im 20 Jh. vielfach mehr Feldflächen. 

Daraus kann man den unwiederbringlichen Wandel unserer Landschaft ablesen. Wenn man heute also im Wald spazieren geht, kann es durchaus sein, dass man auf alten Feldflächen unterwegs ist, die zuvor wüste Heidelandschaft waren. 

Aber wir wollen ja nun nicht über wilde Theorien spekulieren - wir wollen Beweise und belegbare Fakten zusammentragen wie unsre Feldflur zu ihren Namen fand. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, ich wäre der erste der dieser Thematik in unserem Raum Beachtung schenkt. Bereits der Dorfschullehrer H. Lange setzte sich mit den Flurnamen Offensen/Schwachhausen auseinander: 

Bild: Vorwort in Langes Flurnamensammlung. Quelle: Stadtarchiv Celle. 


Man mag von dem ehemaligen Dorfschullehrer halten was man möchte - im Punkt der Flurnamen hat er etwas Wesentliches erkannt und festgehalten. Obgleich die Menschen ihre Landschaft von Grund auf veränderten, kann man heute noch in den Namen die alten Zustände ablesen. Oft hilft es dabei den Namen aus dem Plattdeutschen zu übersetzen. Und genau das wollen wir nun auch tun. 


Die Quellen der Flurnamen...

Woher wissen wir nun wie welches Flurstück heißt...? 

Es gibt unterschiedliche Quellen der Flurnamen: 
  • mündliche Überlieferungen
  • Karten
  • Flurnamensammlungen
Dabei ist zu berücksichtigen, dass alle Quellen nebeneinander zu betrachten sind. Wenn man sich nur auf (z.B.) Karten beschränkt gehen zwangsläufig einige Flurnamen verloren. In diesem Beitrag habe ich alle verfügbaren Quellen zusammengetragen und werde nach einer kurzen Vorstellung des verfügbaren Materials zur Auswertung kommen. 


Karten...


Bild: Karte des Langlinger Holzes 1751 (Ausschnitt, bearbeitet). Quelle: Hauptstaatsarchiv Hannover, Kartenabteilung). 

Legende: 

  1. Werdaus Feld
  2. Moor Feld
  3. Das Offensener Feld
  4. Auf dem Weinberge
  5. In den Äckern
  6. Auf der Höhe
  7. Schwachhäuser Feld
  8. Altes/neues Gehäge
  9. Die grauen Wiesen
  10. Auf der Voss Höhle
  11. Neues Buchholz
  12. Altes Buchholz
  13. Kuhlen Wiesen
  14. Grauer Horst
Die Karte des Langlinger Holzes von 1751 ist einer der ältesten Hinweise auf die Flurnamen in Offensen/Schwachhausen. Über die Jahre gingen einige der Flurnamen verloren (z.B. "Auf dem Weinberge)



Kurhannoversche Landesaufnahme 1780. Quelle: LGLN Hannover. 

Obgleich die Kurhannoversche Landesaufnahme eine gute und detailreiche Quelle ist, ist sie bei den Flurnamen sehr ungenau. Folgende Flurnamen finden sich hier (von Links): 
  • Werdohs Feld
  • im Graudern
  • Altes Buchholz
  • Neues Buchholz



Bild: Flurnamen Schwachhausen. Quelle: Stadtarchiv Celle. Bearbeiter: H. Lange. Die Karte ist die preuß. Landesaufnahme von 1901. 

Legende: 

Bild: Legende zur Flurnamenkarte Schwachhausen (oben). 



 Bild: Flurnamenkarte Offensen. Quelle: Stadtarchiv Celle. Bearbeiter: H. Lange. Karte durch anklicken vergrößern...

Bild: Legende zur Flurnamenkarte Offensen (oben). Quelle: Stadtarchiv Celle. Bearbeiter: H. Lange. Bild durch anklicken vergrößern...


Flurnamensammlungen...






Vorstehende Abbildungen: Flurnamensammlungen Offensen/Schwachhausen nach H. Lange 1938. Quelle: Stadtarchiv Celle. 



Flurkarten heute... 


Bilder können durch Anklicken vergrößert werden! 











Quelle: Region Celle-Navigator. 




Zwischenfazit...

Die vorgenannten Quellen bieten viele Hinweise auf Flurnamen in Offensen/Schwachhausen. Man kann dabei die einzelnen Quellen nicht isoliert - also alleine/für sich betrachten, sondern sollte sie nebeneinander betrachten. Bis jetzt ist eine recht umfassende Sammlung an Flurnamen erfolgt - jedoch keine Deutung bzw. Einordnung. Diese soll nun folgen. 


Deutung und Erklärung der Flurnamen...

Wie bereits eingangs erwähnt sind die Flurnamen häufig eine gute Quelle, um die alten Zustände der Flächen bzw. ihren Zweck/Entstehung zu deuten. Es macht in vielen Fällen Sinn sich auf die alte (plattdeutsche) Herkunft der Namen zu konzentrieren. Nun soll eine Deutung/Erklärung der Flurnamen folgen.



Bild: Flurnamenkarte nach bisherigem Stand. Quelle: Google Earth. Karte durch Anklicken vergrößern...

Namenserklärung...



1. Das Große Gehäge: 
"Große Häg"
- Häg, bzw. Hag oder Hagen meint eine Einfriedung. Hier: ein Gehege. Später auch "Fiskalisches Gehege" (Siehe unten).

2. An der Aller: 
Landstück an der Aller gelegen. Kommt mehrfach vor. 

3. Die Masch: 
"Marsch", "Mersch" oder "Masch" - Wiesen in Wassernähe (nahrhaftes Gras). Weit verbreitet: z.B. die Winsener Marsch, Die Allermarsch, Westerceller Marsch. Stammt von "mari" (Wasserland). 

4. Die Bruchwiese: 
"brok, "bruk" - wechselnd mit "brak". Bruch und Sumpfland, d.h. feuchtes Gelände. Bruch und Wiese liegen daher begrifflich eng zusammen, da hier regelmäßig kein Fruchtbau möglich war. 

5. Im Schwachhäuser Felde:
"In'n Schwachüser Felle", von "Feld" = dat. sg. das "Felde". Hier im Schwachhäuser Feld - ein Landstück zu Schwachhausen gehörend.

6. Die Fischerwiese:
Zwischen Aller und altem Schwarzwasser gelegen - d.h. wahrscheinlich eine von Fischern genutzte Wiese.

7. Der Allerkanal:
Feldstück am heutigen Mühlengraben - ein Hinweis darauf, dass der Mühlengraben ein alter Allerarm ist?

8. Auf den Ackern:
Acker - zum Fruchtbau genutztes Feld. Das Feld liegt auf einer natürlichen Düne vor Offensen - hochliegendes Ackerland - daher "auf" ?

9. Im Fuchswinkel:
Gelände wo der Fuchs früher Höhlen hatte und lebte. Früher auch "In'n Vosswinkel".

10. Im Hestersee:
"Hees" = Buschwald. Z.B. Breitenhees, oder der Ortsname Heese. Der Zusatz "See" stammt von der Nähe zum Mühlenkanal. Dieser schlängelte sich (meanderte) früher sehr stark und bildete bei Hochwasser regelrechte Seen. Die Büsche/niedrigen Bäume werden herausgeschaut haben - sozusagen Büsche im See. Daraus folgt "Buschsee". Eine andere Herleitung ist im Langlinger Holz zu finden: noch heute sagt man zum Wald "In'n Busche" - es könnte mit dem "Buschsee" auch die geografische Nähe zum Langlinger Holz gemeint sein.

11. Am Hornwege:
"horn" wird oft für "Ecke", "Spitze" oder auch "Winkel" verwendet. Die Bezeichnung "Horn" kommt oft in Orts-, Wald- und Bergnamen vor. Es stammt in diesem Zusammenhang von "Cornu" (Lat.).
Eine andere Deutung leitet es von "horu" = Moor, Sumpf her. Nach H. Lange stammt die Bezeichnung vom "Horn-"Vieh - dieser recht einfachen und plausiblen Folgerung kann ich aber nicht viel abgewinnen...

12. Auf dem grauen Horst:
"Hurst", "Horst" = virgultum, silva humiles tantum frutices proferens. Eine Fläche auf der vormals Bäume wuchsen, später aber nur noch Baumstümpfe und Gestrüpp waren.
"Grau" meint sicher keine Farbe. Nach H. Lange: "Grawen-Horst" - stammend von "Gräwing" = der Dachs. Demnach war das Gelände von einem Dachs bewohnt. Ich denke dem Stamm nach ist aber folgendes wahrscheinlicher: "Grawen" bzw. "Gräwen" = "Graf-" d.h. der ehemalige Grafenwald. Eine Bezeichnung für das Gelände aus Adelsbesitz.

13. Die neuen Kampe (2 x):
"Kamp" = eingefriedetes Landstück. Die Kampe waren die Vorgänger unserer heutigen Felder. Die neuen Kampe waren urbar gemachte Landstücke, die eingefriedet wurden (z.B. durch Hecken).

14. Die lange Lage:
"Lagu" = Wasser
"Laake" = Flaches Wasser
- Die lange Lage deutet auf ein Gelände entweder weit weg vom Dorf hin oder auf die Nähe zu einem Wasserlauf (="Laake") - beides trifft zu.

15. Vor dem neuen Lande:
Unmittelbar vor neu kultiviertem Land gelegenes Feldstück.

16. Der Legtkamp: 


H. Lange schreibt: Ackerland, das von Zeit zu Zeit brach liegen blieb. Diese Flächen hießen "Legden" - sie wurden mit Schafen abgehütet.

17. In der Linkscheide: 
"In'ne Haije" - die Links bzw. Längs- Heide. Ein schmaler Heidestreifen. Nahe dem Heidkamp...

18. Das Moor: 
"Paludes" - Mor: das Moor, der Sumpf. Das Offensener Moor war bis vor hundert Jahren eine tiefgelegene Stelle an der alten Straße Offensen - Wienhausen. Noch heute wachsen dort Sumpfgräser und Farne.

19. Moore: 
Siehe 18 - unmittelbar südlich gelegen.

20. Das Moorfeld: 
Siehe 18. Unmittelbar in der Nähe des Offensener Moores gelegen.

21) Mühlenkanal:
Feld am Mühlenkanal gelegen.

22) An der Poststraße:
An der alten Poststraße etwa in Höhe des ehem. Bahnhofs Offensen gelegen.

23) Der Reitkamp:
Entweder vom Stamm "Reiten" - also ein Feld, das zum Reiten genutzt wurde - oder von "reth", "reed" - Schilf (z.B. Reeddach-Haus). Ein Gelände auf dem solches wuchs...

24) Die Sandberge:
"In'n Bargen" - Hinweis auf die Flächen die nordwestlich von Offensen in den alten Allerdünen lagen. Sandiges Gelände.

25) Die Sandkämpe
Siehe 24. Unmittelbar bei den Sandbergen gelegen.

26) Vor dem See:
Siehe 10 (Heestersee). Ebenfalls am Mühlenkanal gelegen. Hier "vor" dem See gelegen.

27) Der Seewinkel: 

Siehe 10 (Heestersee). Ebenfalls am Mühlenkanal gelegen. Hier noch der Hinweis auf den "Winkel" - eine schlecht zugängliche Flur. 

28) Die Strodewiese:
"Straudewisch" - "strod" = Strauch, Sumpfbusch. Ebenfalls eine Bruchwiese - wohl durchsetzt mit brakigen Sträuchern.

29) Die Südwiesen:
"Suderwischen" - Wiesen im Süden des Dorfes gelegen.

30) Wasserdamm:
Flächen am Wasserdamm(-sweg) gelegen.

31) Im Werdau:
"Wede", "Wedde/n", "Wedel", "Widu", "Witu" = Holz, Wald. Kann auch als Hinweis auf Weiden (Bäume) gedeutet werden. Z.B. auch in Marwede (Pferde-Holz/Weiden) oder "Flotwedel" bzw. "Flutwiddi" = Durchflossener Wald enthalten. Das "Werdau/Weddau" ist folgendermaßen zu interpretieren: "Wedd-au/Werd-au" d.h. als "Holz/Weidenbäume" und "Au" = Die Aue. Also als Auen-Wald. In manchen Karten ist es auch als "Weddau" verzeichnet. Das Werdau/Weddau liegt westlich von Offensen. Die Lage stimmt in Teilen noch heute mit alten Weidenbäumen in der Gegend überein.

32) Die große Wiese (2x):
Was soll man sagen - halt eine große Wiese.

33) Auf der Gartenaue:
Siehe 31 (Weddau). Hier die "Garten - Aue". Also ein Platz der für einen Garten gut geeignet scheint: feucht genug, aber nicht überschwemmt.

34) Hinter der langen Lage:
Siehe auch 14 (Die lange Lage).

35) Allerhop:
"Hof" dat. sg. "hova" = Hof. Plattdeutsch "Hop/Hope" - Hinweis auf einen Hof der an der Aller gelegen war? Heute Dreeinigkeit.

Andere Deutung:
"Hop", "Hope", "hab", "hap". = Geschützter Ort, Schlupfwinkel bzw. auch "Grenzwall". Das kommt auch gut hin: das Gelände bietet viele Schlupfwinkel in den alten Allerdünen und stellt gleichzeitig die Granze der drei Orte Offensen, Wienhausen und Oppershausen dar.

35 +) Uppe Boort: NV
Nicht in der Karte verzeichnet.
"Boort" könnte von "Woort" bzw. "Voort" stammen - Hinweis auf eine Furt.

36) Lutjen Brauke:
"Lutjen" = "Lütschen" (Platt). "Brauk" siehe auch 4. Sinngemäß "Kleiner Bruch".

37) Dränke:
"Die Tränke" (Platt). Hinweis auf eine natürlich Viehtränke (Senke in der sich Wasser sammelte). Früher oft Teil der Allmende.

38) Ballenwisch:
Wiese auf der Heu gemacht wurde.

38 +) Vorm Dörpe:
Unmittelbar vor dem Dorf Offensen gelegen.

39) Drift:
"Drift" = Platt = "Treiben". Häufig auch "Trift" (Straßenname in Celle). Die Drift liegt hinter Offensen Richtung Langlingen - dort wurde früher das Vieh auf die Weidegründe getrieben.

40) Eikhoff:
"Eich.", "Eichhoff". "Eike" = Eiche (Platt).
Interessant: der "Eichenhof liegt genau auf dem alten Gutshof in Offensen. Hinweis auf den alten Baumbestand.

41) In'n Felle:
"Felle" = Feld (Platt). Also: Im Feld(e).

42) Flaßrode
"Rode" = Hinweis auf eine Rodung?

43) Heidkamp
Eingefriedetes Gelände (="Kamp") an einer/auf einer alten Heidefläche.

44) Herrenhäg: 
"Hag", "Hagen", "Häg" = Einfriedung. Herren = (Die) Adelsherren?

45) Uppe Höge: 
"Auf der Höhe" - Lage auf einer Anhöhe. Das kommt hin: dort befindet sich eine alte Düne.

46) In'n Langelschen Holte: 
"Im Langlinger Holz" - Flächen im Wald/am Wald Richtung Langlingen.

47) Kälberhäg: 
"Hag", "Hagen", "Häg" - hier: "Gehege" für Kälber.

48) Paulmanns Kamp: 
"Kamp" = eingefriedetes Land. Das Land das Paulmann gehört.

49) Vor'e hinnere Loh: 
"Loh", m. lat. "Lucus" = Der Hain.
Auch: "Lohe". = Der wald. "Vor dem hinteren Wald" (Platt).

50) Lohbarg: 
Siehe 49 (Loh). "Barg" = "Berg" (Platt). D.H. Der "Wald-Berg". Eine Anhöhe im oder beim Wald gelegen.

51) Lorkbarg: 
"Lork" = Frosch, Kröte und auch: Lurch.
"Barg" = Berg (Platt).

Der Lurch-Berg bzw. der Kröten-Berg. Eine Anhöhe bei der die besagten Tiere lebten.

Andere Deutung:

"Lork" = kleines Lebewesen. Auch oft in Zusammenhang zu Zwergen genannt.
"Lorkbarg" = Zwergenberg.

Siehe auch: Legende vom Lorkberg

52) Lohhard: 
"hard"= Wald, Bergwald. Im Genitiv schwer zu trennen von "hert", hart" = Hirsch. Könnte also auch ein Hinweis auf einen "Hirschwald" sein.

53) Masch: 
Siehe 3 (Die Masch).

54) Ossenwinkel: 
"Osse" = Ochse (Platt). D.H.: Ochsenwinkel. Weideplatz für Ochsen.

55) Ostklint: 
"Klint" = Ecke, Felsecke. Z.B. "Bi dem smalen Klinte" (bei Langlingen). Ursprung um 1338. Eine Feldecke, die im Osten des Dorfes belegen war.

56) Peerhäge: 
"Peer" = Mehrzahl von "Perd" = Pferd (Platt). D.H. Pferdegehege.

57) Questloh: 
"Questen", "Questzern" = Vogelbeeren. D.H. Ein waldnahes Gelände mit Vogelbeerensträuchern.

58) Regebarg (?)
Nicht in der Karte eingezeichnet.

59) Im Im Rolkelcher: 
Keine Hinweise.

60) Ruterwisch: 
"Ruter" vielleicht von "Reuter" ? Dann: Reiterwiese.

61) Schaperplack:
"Schaper" = "Schaeper/Schäper" = Der Schäfer/Schafhirte (Platt).
"Plack" = Der Fleck (Platt).
D.h.: Ein Platz an dem der Schäfer die Schafe weidete.

62) Schwanenbruch: 
Siehe 4 (Bruch). Schwanenbruch = nasse Wiese auf der die Schwäne waren.

63) Seewisch: 
Siehe 10 (Heestersee). Die Seewisch (= Seewiese) lag ebenfalls in der Nähe des Mühlenkanals.

64) Stötthagen: 
"stod" = Gestüt, Pferdezaun.
"Strod" = Sumpfbruch

D.H. Entweder Sumpfiges Gelände oder eine alte Pferdeweide.

65) Vorhäg:? 
Nicht in Karte eingezeichnet.
"häg" = Gehege. D.h.: ein Vorgehege (lag vor einem anderen)

66) Nienwisch: ?
Nicht in Karte eingezeichnet.
"Nie'e" = Neue (Platt). Neue Wiese.

67) Wohnebüh:
"bur", "bür" = Wohnstätte, Heim. Auch "Ansiedlung und Gemeinde"
z.B. "Ham-bür-en"
D.H. "Wohne-büh" = Hinweis auf Siedlung - unmittelbare Nähe zu einer solchen.

68) In den Ackern:
Siehe 8.

69) Isenbüh:
Siehe 67. "Isen-" = Eisen (Platt). Inwiefern "Eisen" und Siedlungsplatz zusammen passen ist unklar. Vielleicht ein Hinweis auf einen besonders hohen Eisenanteil im Erdboden, der durch Oxidation das Feld rötlich färbte.

70) Altes Buchholz:
"In'n olen Baukholte" = Im alten Buchholz.
D.H.: Alte Äcker die in der Nähe von Buchen lagen.

71) Im See:
Siehe 10.

72) Neues Buchholz:
Siehe 70. Hier: neu urbar gemachte Flächen.

73) Müsing:
"-ing" = sehr altes Suffix, welches häufig zur Ortsnamenbildung in der Heideregion verwendet wird. Es geht bereits bis in die Zeit um 1.000 zurück.
Hier: Müsing scheint ein Name zu sein. Die als solche bezeichnete Wiese ist sehr alten Ursprungs. Noch in den ältesten Karten der Gegend ist sie verzeichnet. Ob dies ein Hinweis auf einen ehemaligen Hof oder nur auf die Zugehörigkeit zu einem Hof ist, kann ich bislang nicht sagen. Da werden weitere Recherchen nötig sein!

74) Sottbüh:
Siehe 64. Hier: Pferdezaun, der auf einen Siedlungsplatz verweist?

75) Große Wiese:
Siehe 32. Aufgrund der Größe damals so benannt. Alter Weidegrund.


Siehe Karten aus dem Region-Celle-Navigator (oben): 


76) Spannkämpe:
"Spann-" von "Ein-spannen" ? (Pferde mussten vor Geräte/Fuhrwerke etc. gespannt werden).
Demnach Platz auf dem eingespannt wurde.

Lage: Unmittelbar in der nähe der alten Poststraße. Das würde erheblich für diese Vermutung sprechen.

77) Witten Klint:
Siehe 55 (Ostklint).
"Witten" = Hinweis auf den Familiennamen "Witte" (gen. sg. =Witten) aus Offensen.
"Klint" = Spitzes Feld, Verwinkeltes Feld.

D.H.: Wittens Winkel-Feld.

78) Zumpe:
"In'n Zumpe" = Im Sumpfe (Platt). Hinweis zu einem feuchten Gelände. Passt zur oft überschwemmten Lage am Mühlenkanal.

79) Klosterwiese:
Wiese die zum Kloster gehört(e).

80) Fiskalisches Gehege:
Vormals: "Das große Gehege" (siehe 1).
"Fiskalisch" = Staatlich. Staatliches Viehgehege.

81) Tränkgarten:
Dorfnahe Viehtränke. Quasi "im Garten".

82) Ochsenwinkel:
Siehe 54. Weide für Ochsen.

83) Hoppenkamp:
Feld welches der Familie "Hoppe" gehört haben mag.

84) Swartwäterschen:
"Swart" = Schwarz (Platt)
"Woater" = Wasser (Platt)

D.H.: Schwarzwässerchen. Am Schwarzwasser gelegen. Mag auch darauf hindeuten, dass das Land dem Schwarzwasser "zugehörig" ist. Wenn Hochwasser war, gehörte das Land quasi dem Wasser.

85) Harbüh:
Siehe 74. und 69.

86) Eschenkamp:
Feld in dessen Nähe Eschenbäume wuchsen.

87) Gartenkoppel:
Feldgarten. Zum Anbau von Gemüse für den Hausbedarf. Hausgärten auf Feldern waren bis ins 20 Jh. weit verbreitet.


Bilder...

Es ist immer wichtig neben allen Büchern und Karten auch mal einen Blick vor die Tür zu wagen. Daher hier einige Impressionen aus der freien Landschaft von ausgewählten Feldflächen. Es war gar nicht so schlecht, dass bei manchen Aufnahmen Schnee lag - so wird der Blick auf das Wesentliche gerichtet...


Bild: Der Lorkberg. Siehe 51. 


Bild: der Lorkberg. Die rote Linie markiert den Höhenverlauf.  Siehe 51. 


Bild: der Eschenkamp bei Schwachhausen. Siehe 86. 


Bild: Hoppenkamp und "In den Äckern" bei Schwachhausen. Siehe 86 und 68. 


Bild: Buchholzweg hinter dem Hoppenkamp. Er verläuft gerade hinweg über den Birkendamm an altem und neuen Buchholz vorbei. 


Bild: Buchholzweg Richtung Langlingen. Rechts davon: zuerst altes und dann neues Buchholz. 


Bild: Buchholzweg in Höhe des alten Buchholzes - mit Kira. 


Bild: Neues Buchholz. Geradeaus: Langlinger Schleusenweg. Siehe 72. 



Bild: Weg hinunter in die Wiese "Müsing". Siehe: 73. Der alte Wegverlauf und gerade die Absenkung lassen darauf schließen, dass es sich um eine sehr alte Feldfläche handelt.


Bild: Staugraben an der Wiese "Müsing". Im Schilf verbirgt sich ein altes Stauwehr. Ca. 100 Jahre alt.


Bild: an der Wiese "Müsing". Eine alte gemauerte Brücke. 


Bild: Die Wiese "Müsing. Umgeben von einem Erdwall. Geschützt von Bäumen. 


Bild: Die Wiese Müsing. Die halbrunde Form deutet auf eine alte Flächenstruktur hin. Wer war Müsing? Siehe 73. 



Bild: Bei Schwachhausen. Roter Kreis: das alte Gut. Rote Fläche: Beginn der Fischerwiesen (Siehe 6.). Dafür (grün): Teile vom Questloh (Siehe 57.). Im Hintergrund rechts (Wald): der Lorkberg (Siehe 51). 


Fazit... 

Wir blicken heute auf eine veränderte Umgebung. Nichts deutet scheinbar mehr auf jene alten Tage hin aus denen uns seltsam anmutende Namen geblieben sind. Und doch scheint es, dass diese Namen nicht unbedacht gewählt wurden. Denn noch heute gebrauchen wir sie teilweise und wie selbstverständlich wachsen wir mit diesen Bezeichnungen auf. 

Noch vor nicht allzu langer Zeit passten Realität und Namen zueinander. Nun liegt es an uns das Erbe an diese mündlich überlieferten Denkmäler unserer Vorgeschichte zu erhalten. 

In diesem Beitrag wurden viele - aber sicher nicht alle Flurbezeichnungen umrissen. Je weiter wir zurückblicken umso unschärfer sind die Namen erhalten. Zuletzt muss man eingestehen, dass sicher auch schon so mancher Name verloren ging. Dass die Offensener und Schwachhäuser Flurnamen in diesem Umfang erhalten blieben verdanken wir dem ehemaligen Dorfschullehrer H. Lange. Lange war seinerzeit jedoch nicht nur beliebt: der Ideologie des 3. Reiches verfallen und höchst parteitreu machte sorgte H. Lange dafür, dass auch Junge Menschen in die Klauen der Nazis fielen. Desweiteren steht er im Verdacht zu Kriegsende die Schulchronik verbrannt zu haben - angeblich um die eigene Schuld zu vertuschen. 

Was obliegt es einer Generation, die sich selbst von der Verantwortung freispricht, über die Vergehen anderer Generationen zu urteilen? Daher möchte ich nicht weiter auf dieses Thema eingehen. Fest steht, dass wir ohne H- Lange heute keine solche Sammlung an Flurnamen hätten. Das hat mit allen anderen Dingen herzlich wenig zu tun. 


Beste Grüße, 

Hendrik 


Fragen & Anregungen erwünscht. 



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Mail: found-places@live.de


Wichtiger Hinweis: 

Ich suche jederzeit Material zur Heimatgeschichte. Wenn Sie alte Fotos, Postkarten, Zeichnungen, Karten oder andere geschichtliche Dokumente besitzen und gerne etwas dazu erfahren möchten, dann bitte ich Sie mich zu kontaktieren. Alle Informationen werden mit größter Sorgfalt behandelt! 

Für Hinweise in Form von Dokumenten bin ich bereit zu zahlen! 

Bei Fragen/Anregungen/Kritik bitte ich Sie mir eine kurze Mail zu schreiben. 

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Empfehlungen:


Die Schatzregister (zu erwerben): 



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Offensen-Schwachhausen: 



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Schatzsuche:  die Teufelsinsel in Wietze: 



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Antiquarische Bücher: Celler Versandantiquariat Ehbrecht: 




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Freitag, 11. Januar 2013

Flüchtlinge, Vertriebene und Zivilisten...

Flüchtlinge, Vertriebene und unser Haus...

Ein Bericht aus Erzählungen Meiner Großmutter über die Menschen die während des Zweiten Weltkrieges bei uns lebten. 


Vorwort...

Bereits in Beiträgen über das Kriegsende in Schwachhausen und über das Ende der Kampfgruppe Wiking habe ich über die Zeit des letzten Krieges in unserer Heimat berichtet. Was also gibt es für einen Grund noch weiter zu diesem Thema zu schreiben? Nun, ganz einfach: während die bisherigen Beiträge die Gesamtzusammenhänge beschrieben, soll nun auch die zivile Seite näher beleuchtet werden. 

Häufig wird vergessen, dass der Krieg ganze Familien zerriss. Menschen die sich weit entfernt von unserer Heimat eine Existenz aufgebaut hatten kamen in die Situation alles zurücklassen zu müssen und aufzugeben. Es soll in diesem Beitrag nicht darum gehen die Ereignisse jener Zeit bis ins Detail aufzuarbeiten. Dies wäre ohnehin nicht möglich, da wohl nicht alle Menschen von damals befragt werden können. Stattdessen handelt dieser Beitrag von den Ereignissen so wie sie meine Großmutter berichtete und an mich weitergegeben hat.



Bild: der Hof in Schwachhausen, um 1938.

Als der Krieg losbrach... 

... veränderte sich bald alles.
Die Familie meiner Großmutter bewirtschaftete schon seit eh und je den Hof Nr. 3 in Schwachhausen. Es gab weite Felder, Rinder, Kühe und Pferde. Natürlich durfte auch der Hofhund "Moppi", und einige Hühner nicht fehlen. Schon bald sollte in der beschaulichen Idylle eine ganz andere Realität herrschen...


Bild: Heuernte - im Wesentlichen eine mühsame Handarbeit (um 1936). 


Nach der Machtergreifung Hitlers wurde schnell deutlich: er war auf die Bauern in gleicher Maßen angewiesen, wie auf Großindustrielle, Banker und einfache Angestellte. Es etablierten sich rasch Hitlerjugend (HJ), der Bund deutscher Mädchen (BDM) und die Ausläufer der Partei (NSDAP). Es mag an dieser Stelle falsch sein zu behaupten man habe die Menschen mit aktiver Gewalt in diese Organisationen gedrängt. Dennoch erzählte meine Großmutter, wie es dazu kam, dass man in die Partei eintrat...

So kam es regelmäßig vor, dass die Kinder der Familien deren Eltern nicht NSDAP-Mitglieder waren in der Schule nachsitzen mussten bzw. lernen mussten. Die anderen Kinder durften an den Aktivitäten der HJ/des BDM teilnehmen.

Im gesellschaftlichen Leben kam es immer häufiger zu solchen Benachteiligungen für Nicht-Parteiler. Gerade in kleinen Dörfern mit einer geschlossenen Dorfgemeinschaft kann solch eine Gruppendynamik gefährliche Ausmaße annehmen. Mit anderen Worten: selbst diejenigen, die eigentlich nichts mit dem parteilichem Hintergrund der NSDAP am Hut hatten, gerieten in die Versuchung der NSDAP beizutreten.

Meine Großeltern und ihre Familien standen dem Regime wie viele andere auch anfangs äußerst kritisch gegenüber. Nichts desto trotz kam der Punkt an dem sie ihre Unabhängigkeit aufgaben. Es wäre äußerst vermessen aus heutiger Sicht über die damaligen Verhältnisse zu urteilen, da wir es heute besser wissen - und vor allem wissen, wohin die Geschichte geführt hat.


Schon kurze Zeit nach dem Überfall auf Polen im Sommer 1939 kamen die ersten Kriegsgefangenen. Meine Großmutter war zu dieser Zeit gerade 18 Jahre alt und lebte mit ihren Eltern und Ihrem Bruder (meinem Großonkel) dem Hof in Schwachhausen. 

Da viele der arbeitsfähigen Männer in den Wehrdienst eingezogen wurden, sollten die Kriegsgefangenen einen Teil des Arbeitsaufkommens ausgleichen. Die allgemeinen Berichte im Umgang mit diesen „Hilfskräften“ reichen von gut bis schlecht. Mancherorts wurden sie sehr schlecht behandelt, wurden geschlagen und litten ständige Angst von dem Bauern wegen etwaiger Verstöße an die SS übergeben zu werden. Bei uns war es nicht so. 

Bild: beschwerliche Landarbeit um 1936. Es wurden viele helfende Hände gebraucht...



1939/1940 kam ein Pole auf unseren Hof. Bei Luttermanns in Offensen (im Speicher) war das Lager der Kriegsgefangenen. Sie mussten in der ersten Zeit noch dort schlafen. Dann bekamen sie zivile Kleidung und wurden auf die umliegenden Höfe verteilt. Der Pole der auf unseren Hof kam war schon in seiner Heimat Bauer gewesen. Er soll ein sehr anständiger, ordentlicher und hilfsbereiter Mann gewesen sein, der seine Arbeit zuverlässig verrichtete. Seine Unterkunft war auf einer oberen Dachkammer. Sonntags ließ er die Arbeit stets ruhen. Als sich die Gelegenheit bot, verließ der Pole jedoch unseren Hof. Er wollte wieder in seine Heimat. Als Austausch für Ihn kam daraufhin sein Schwager. Die beiden mochten sich aber gegeneitig wohl nicht sonderlich...

Als Quartier hatte dieser die sog. Hechselkammer am Pferdestall bezogen. 


Alle die im Haus lebten, halfen auch auf dem Hof. So waren die Männer in der Feldarbeit und die Frauen meist in hauswirtschaftlichen Tätigkeiten eingesetzt.

Der Bruder meiner Großmutter wurde ebenfalls in den Armeedienst eingezogen...



Bild: Hilda und Heini Krohne (rechts im Bild) vor dem Hof in Schwachhausen.  



Bild: letztes Bild von Heini Krohne (Kreuz) in der Heidekaserne um den 14.08.1942. 


Bild: Die Heidekaserne in Celle. Heutiges Rathaus. 


Vom 14.08. bis zum 20.08.1942 wurde die Einheit in Northeim stationiert und dann nach Russland verlegt. Am 29.09.1942 fiel Heini Krohne bei einem russischen Tieffliegerangriff in Georijewsk im Kaukasus (heutiges Georgien).



Bild: Postkarte zum Tod Heinis...

Bild: Vorderseite der Postkarte - Gedicht "von einem Feldwebel" ... 

Ich muss nicht sagen, dass der Tod des einzigen Sohnes die Eltern meiner Großmutter schwer getroffen hat. Heini Krohne hätte als männlicher Erbe den Hof in Schwachhausen erben sollen. 




Zur selben Zeit war mein Großvater in Russland. Er diente in der 329. Infanterie-Division (553. Infanterie-Regiment - später 553. Grenadier-Regiment). 1942 fanden bei Demjansk und Staraja Russa verheerende Abwehrkämpfe statt (329. Infanterie-Division).










Bild: Heinrich Kaune (mein Großvater) zu Pferde...






Bild: Mein Großvater war bei einer Familie im heutigen Weißrussland einquartiert (1942)...


Bild: Mein Großvater war bei einer Familie im heutigen Weißrussland einquartiert (1942). Den Bildern nach stellte er sich gut mit den Leuten...



Bild: Verlobungsbild meiner Großeltern 1942. Verständlicherweise sehen beide trotz des freudigen Anlasses alles andere als heiter aus. Der Grund liegt auf der Hand: erst kurz zuvor war der Bruder meiner Großmutter (Heini Krohne) und ein Bruder meines Großvaters aus Lachendorf im Krieg gefallen...


1943 kam eine Frau Mostard mit ihrer Tochter (Franziska) aus Rotterdam. Franziska war drei Jahre alt. Der Vater und Ehemann war Soldat und daher nicht Zuhause. Die Tochter war noch sehr klein und plapperte ständig von:

„Tein feintlicher Tampfverband über dem Reichsgebiet…“. 

Die beiden wohnten in einer Kammer unterm Dach. Frau Mostard verließ den Hof mit Ihrer Tochter im Jahr 1944. 


Ebenfalls im Jahr 1943 kam die junge Maria S. aus Russland. 


Bild: Verwaltungs-Beitrags-Karte der M. S.



Bild: Maria S. vor der Eingangstür. 1944

Meine Großmutter erzählte sie sei ein sehr liebes Mädchen gewesen. Der Karte (s.o.) ist zu entnehmen, dass sie zwischen dem 01.05.1943 und dem 01.03.1944 auf dem Hof arbeitete. 












Zwischen dem 25.07. und dem 03.08.1943 fiel Hamburg der Operation "Gomorra" zum Opfer. Die geflogenen Angriffe der Royal Airforce sollten Rüstungsbetriebe treffen, richteten sich aber auch gegen die Bevölkerung und sollten den Kampfgeist des deutschen Volkes schwächen. Da Stalin auf dem Aufbau einer zweiten Front bestanden hatte, die Alliierten jedoch zunächst keine Bodentruppen einsetzen wollten, war die Bombardierung deutscher Großstädte vereinbart worden. Dabei kamen Luftminen, Sprengbomben und Phosphor Stabbrandbomben zum Einsatz. 

Meine Großmutter berichtete, dass der Feuerschein aus Hamburg bis nach Schwachhausen sichtbar gewesen ist: "der Himmel war hell erleuchtet!"

Schon sehr bald kamen die ersten Menschen aus Hamburg an. Auf den Hof in Schwachhausen kam eine Familie aus Hamburg Harburg/Wilhelmsburg. Sie stellten ihre Sachen zunächst im Haus unter. Dann meldeten sich die Leute nicht wieder. Nun kamen jedoch immer mehr Flüchtlinge. Als von der Familie aus Hamburg nach wie vor keine Rückmeldung kam, beschwerte sich die Gemeinde. Die Hamburger hatten ihr Hab und Gut (Koffer, ein Fahrrad, Wäschekörbe usw. ) auf der Kammer untergebracht - der Platz sollte nicht länger versperrt werden. So veranlasste die Gemeinde, dass die Gegenstände auf den Hausflur gebracht wurden. 

Ende 1943 kamen Tureks und eine ihnen zugehörige Bekannte (Frau Arlert). Herr und Frau Turek (90 und 87) kamen aus der "Tschechei" und waren von dort geflohen. Frau Arlerts Mann lebte schon nicht mehr. Daher war sie mit dem Ehepaar Turek fortgegangen. Tureks konnten weder lesen noch schreiben. Frau Arlert konnte lesen, schreiben und rechnen und half Tureks so häufig bei ihren Angelegenheiten. Zunächst waren Tureks wohl in die Gegend von Stettin/Swinemünde geflohen. Nun kamen sie in die Celler Gegend. Das Ehepaar lebte einige Zeit in Schwachhausen und half bei den häuslichen Tätigkeiten so gut es ging. 



Bild: Rinder bei Schwachhausen um 1942. Tureks halfen häufig die Kälber zu tränken...


Nach einiger Zeit zogen sie zu ihrer Tochter nach Dahlenburg. Frau Arlert war nun alleine. Prieß (Schwachhausen) hätten sie gerne bei sich auf dem Hof gehabt. Frau Arlert wollte das aber wohl nicht und zog daraufhin in ein Altersheim in Bergen. Meine Großeltern haben sie dort noch viele Male nach dem Krieg besucht. 

Ende 1943 kam ein Ehepaar mit zwei schulpflichtigen Töchtern: Die Familie Keuchels. Sie belegten in unserem Haus eine ehemalige Räucherkammer und eine Knechtekammer seitlich des Treppenhauses. Die Räucherkammer war auf Geheiß meiner Urgroßmutter von der Südseite des Hauses auf die Nordseite verlegt worden - also war dieser Raum verfügbar. 

1944 kam die Familie Rino nach Schwachhausen. Die Familie stammte aus Ostpreußen. Sie brachten mehrere Gespanne mit Pferden und Wagen mit. Die Familie bezog Quartier in der ehemaligen Gastwirtschaft (Zum Forsthof).
Den Offensenern und Schwachhäusern blieben Rinos in guter Erinnerung: sie brachten hervorragende Pferde mit, die sie an die Dorfbewohner für ihre Arbeiten ausliehen. 


Bild: 329. Inf. Div. auf dem Rückzug...

Die 329. Infanterie-Division, in der mein Großvater diente, befand sich zwischen Ende 1943 und Anfang 1944 auf dem Rückzug in Lettland. Sie erlitt dabei schwere Verluste und musste Mitte/Ende 1944 neu aufgestellt werden. Während der Neuaufstellung bekam mein Großvater Urlaub. Es war jedoch absehbar, dass er bald wieder in die Ungewissheit ziehen müsste...

Im Dezember 1944 heirateten meine Großeltern. 


Mein Großvater kam nach seinem Heimaturlaub wieder zu seiner Division. Diese wurde Ende 1944 mitsamt der gesamten Heeresgruppe Nord von der Roten Armee in Lettland eingekesselt (Kurlandkessel). Kurland ist heute noch eine ländliche Region Lettlands. Im Norden und Osten durch das Meer (Ostsee, Baltische See) begrenzt, blieb der Heeresgruppe Nord nur eine Evakuierung über den Seeweg oder ein Durchbruch aus dem Kessel Richtung Süden. Allerdings stand die Rote Armee zu diesem Zeitpunkt schon in Polen. 



Bild: Kurland 1945. Quelle: http://mundosgm.com/frente-oriental-(1941-1945)/la-bolsa-de-curlandia-(kurland-kessel-1944-45). 


Hitler untersagte die Evakuierung Kurlands persönlich. Die Heeresgruppe Nord war damit praktisch verloren. Insgesamt wurden 6 Kurlandschlachten zwischen Oktober 1944 und April 1945 geschlagen. Einigen Soldaten gelang die Flucht mit Schiffen. 

Mehr zu diesem Thema: 


Video: Das Schicksal der Kurlandkämpfer Teil I


Video: Das Schicksal der Kurlandkämpfer Teil II


Video: Das Schicksal der Kurlandkämpfer Teil III


Video: Das Schicksal der Kurlandkämpfer Teil IV


Mein Großvater war nicht unter denjenigen die Kurland per Schiff verlassen konnten. Er geriet im März 1945 in sowjetische Gefangenschaft. 

Für meine Großmutter und ihre Familie begannen die Jahre der Ungewissheit ob und wann mein Großvater nach hause zurückkehren würde...

Der Krieg war in der Heimat noch nicht vorbei. Gegen 1945 kam die Deputatarbeiter-Familie (Deputatarbeiter) Lachutzki zu uns auf den Hof. Zunächst wohnten sie in der heutigen "kleinen Stube" und auf der Kellerkammer. Die Familie hatte 5 Kinder. 

Am 12. April 1945 war es dann soweit: das 333. und 335. Regiment der 101. U.S. Infanterie Division besetzten die Dörfer Offensen und Schwachhausen (siehe auch: Das Kriegsende in Schwachhausen

Meine Großmutter berichtet über folgende Ereignisse (Zitat): 

"Die deutschen Soldaten waren bei Eggelmanns (Schwachhausen) unter dem Schauer (Vordach). Dort gab es Suppe. Auf einmal waren von Offensen her die Amerikaner zu hören und alles geriet in Aufruhr."

Die Amerikaner marschierten im Dorf ein - ohne Gegenwehr. Das hielt sie aber nicht davon ab eine Maschinengewehrsalve durch den Ort zu jagen, der Teile unserer Hausfront durchlöcherte. Eine Kugel schlug durchs Fenster in das Holz-Buffet meiner Urgroßeltern ein. Die Kugel steckt noch heute darin... 

Ziel der U.S. Truppen war es, die Allerbrücke in Richtung Nordburg unzerstört einzunehmen. 

Meine Großmutter und ihre Familie waren in den Keller geflüchtet. Als amerikanische Soldaten das Haus inspizierten und meiner Familie befahl den Keller zu räumen, saß der oben erwähnte Pole quietschfidel auf dem besten Sofa. Er war mit einem der älteren Mädchen der Familie Lachutzki zusammen. Als die Amerikaner kamen erkannte er scheinbar seine Überlegenheit und obgleich er nie etwas auszustehen gehabt hatte meinte er nun Rache üben zu wollen. Er begrüßte die Familie daher mit den Worten 

"Jetzt ich Chef - Du nix mehr Chef...!" 

Die Familie meiner Großmutter musste wie die anderen Schwachhäuser auch nach Offensen. In Nordburg wurde noch gekämpft. Es blieb ihnen nur wenig Zeit um einen Wagen mit dem Nötigsten zu beladen und abzufahren. Sie kamen in Offensen bei Mohwinkels unter.

Als sie Tags darauf wieder nach Hause (Schwachhausen) auf den Hof kamen - die Kühe mussten gemolken werden - trauten sie ihren Augen nicht. Die Amerikaner saßen in den besten Sonntags-Möbeln auf der Veranda vorm haus und rauchten Zigarren...

Nichts desto trotz musste die Feldarbeit weiter gehen. Es spielte keine Rolle ob nun NSDAP oder amerikanische Militärregierung das Sagen hatte: die Ernte im Sommer 1945 musste eingefahren werden! 



Bild: Feldarbeit am Birkendamm...


Eine weitere Begebenheit aus der Zeit unmittelbar nach dem Krieg blieb meiner Großmutter bis heute in Erinnerung: 

Eines Tages sagte mein Urgroßvater (Vater meiner Oma) zu ihr:

"...dass heute wohl noch was angeht..." 

Er hatte gesehen wie "die Polen" in der Schweineküche Äxte scharf machten. Die Schweineküche ist bis heute der Raum, indem das Futter für die Schweine "zubereitet" wird (Wasser & Schrot). Dazu muss man wissen, dass die Polen sich nach Kriegsende regelrecht zusammenrotteten. Sie zogen teilweise durch die Dörfer und nahmen was nicht niet- und nagelfest war. Fahrräder und allerlei Kram fiel ihnen zu Opfer - wurde mitgenommen und kam nicht wieder. Aus Bockelskamp wird berichtet die Polen hätten richtige Banden gehabt, die die Landschaft unsicher machten... 

Als nachts der Mond schien, hörten meine Oma und ihre Eltern was "da anging": 
die Polen hatten auf einer Wiese jenseits der Aller ein Rind getötet. Noch vor Ort müssen sie das Tier zerlegt haben. 

Meine Familie tat zunächst nichts - aus Angst vor der Rache der Polen. Diese schreckten nicht davor zurück gegenüber ihren ehemaligen Bauern rabiat zu werden. Auf unserem Hof haben sie es sich zumindest recht gut gehen lassen: sie brannten illegal Schnaps aus Zuckerrüben. 

Eines Tages kamen sie mit Betten von Langlingen her und verbrannten diese hinter dem Schweinestall. Gut verständlich, dass das den Schwachhäusern nicht geheuer war! 

Nun kam die Geschichte mit dem Rind aber doch irgendwie heraus. Eines Tages erschien die amerikanische Militärpolizei mit dem Gendarm: Haussuchung! 
Alles war in heller Aufruhr. Im Bett des Polen (siehe Anfang) auf der Hechselkammer wurden etliche Handgranaten gefunden. Er muss sie in den letzten Kriegstagen aufgesammelt haben. Man will lieber nicht wissen was hätte passieren können...
Ein Gendarm sah, wie die Polen das geschlachtete Fleisch aus einem der Fenster warfen - sie wollten wohl schnell die Spuren verwischen. Die Militärpolizei machte kurzen Prozess: die Polen wurden allesamt abgeholt und nicht wieder gesehen. Es ist anzunehmen, dass sie nach kurzer Haft wieder in ihre Heimat gelangten. 

Nun kam eine Familie Schulz - sie bezog die Kornkammer. Später wurde dies die Melkekammer (beim Brand in der 80ern zerstört). Schultes waren Bruder und Schwester - beide Mitte 80. Sie kamen von der Familie Wrede aus Schwachhausen. 

Als die Briten nach dem Krieg begannen bei Unterlüß alte Munition zu sprengen (im Marinesperrzeugamt Starkshorn) mussten die dort lebenden Flüchtlinge ausziehen. Daher kam die Familie Lange zu uns. Eine Mutter, die Oma (geb. Karle) und drei Jungs. Sie stammten ursprünglich aus der Gegend von Görlitz. Herr Karle war bereits verstorben. Der Vater der Kinder und Mann von Frau Lange war noch in Russland. Er war zum Ende des Krieges schon in Kriegsgefangenschaft bei Hamburg (Neuengamme) das wusste seine Familie allerdings nicht. Als ihr ein Mitgefangener Grüße ihres Mannes bestellte, wusste Frau Lange überhaupt erst, dass ihr Mann noch lebte...

Nach Langes wurde die Stube frei. 

Die Familie zog später nach Bassum. Meine Großeltern hielten den Kontakt lange Zeit aufrecht. Erst vor einigen Monaten besuchten uns die jüngeren Brüder der Familie Lange. 

Später wohnten noch zeitweise Gotthart Karle und Frau Kammler bei uns. 

Am 29.12.1942 - nur zwei Tage vor 1950 kam mein Großvater aus russischer Gefangenschaft frei. 


 Bild: Zeitungsanzeige als mein Großvater heimkehrte. Quelle CZ.


Bild: Das Hochzeitsbild, das mein Großvater mit in Gefangenschaft hatte. Es ist in der Mitte durchtrennt.

Mein Großvater gelangte in das Auffanglager Friedland. Von dort kam er nach Frankfurt an der Oder. In den Kontrollen musste er seinen Dienstgrad verbergen - deswegen zerriss er das Hochzeitsbild von ihm und meiner Großmutter. Hatte er dies nicht getan, wäre er vermutlich noch länger in Gefangenschaft geblieben.

Meine Großmutter wusste überhaupt nichts von der Ankunft meines Großvaters. Seine Schwester fragte sie nach Weihnachten ob sie sich nicht über "die gute Nachricht" freuen würde - aber da wir damals kein Telefon hatten, wusste sie nicht, dass mein Großvater zu dieser Zeit schon auf dem Heimweg war.


In den folgenden Jahren setzten meine Großeltern alles daran den Hof in Schwachhausen zu bewirtschaften. Bald kamen mein Onkel und meine Mutter auf die Welt.


Fazit... 

Aus heutiger Sicht scheint es unvorstellbar welchen Strapazen und Opfer die Zeit den Menschen abverlangt hat. Die Behauptung die Leute hätten den Nationalsozialisten leichtfertig zugejubelt und damit ein vorbestimmtes Schicksal gewählt, erscheint vor dem Hintergrund dieser Geschichte fraglich. Vor dem Hintergrund der persönlichen Verluste erscheint es mir als sehr unwahrscheinlich, dass sich jemand freiwillig ein solches Schicksal ausgesucht hat. Letztendlich muss man annehmen, dass viele versuchten über die Runden zu kommen.

Wir, die wir in einer Welt ohne Krieg aufwachsen durften, sollten nicht so vermessen sein und im Nachhinein über andere Generationen urteilen. Es ist viel wichtiger aus der Geschichte zu lernen.




Viele Grüße,

Hendrik




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