f Februar 2013 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Dienstag, 26. Februar 2013

Environs de Zelle - 1732. Und was hat das mit den Franzosen zu tun?


Environs de Zelle - 1732. Und was hat das mit den Franzosen zu tun? (Environ = fran. für "Umgebung" --> Umgebungskarte Celle 1732)


Vorgeschichte 

Am 01. Februar 2013 erschien in der Celleschen Zeitung (CZ) ein seitenfüllender Bericht über eine großzügige Spende des Celler Rotary Clubs an das Stadtarchiv. Gegenstand dieser Spende ist eine Karte aus dem Jahr 1769 die die Stadt Celle. Die Karte zeigt Celle als Festung mit dem Schloss und das angrenzende Stadtgebiet als wohl geordnete Siedlung. Besonders schön ist die genaue Bezeichnung der einzelnen Häuser und Flurstücke - insgesamt kann man von einer sehr aufwändigen Karte sprechen. Dass es sich bei dieser Karte wohl eher um eine "original Kopie" als ein grundständiges Original handelt wurde bereits im entsprechenden Beitrag behandelt (Die Kopie von der Kopie - ein Orignal?)


Allerdings wird auf der Karte von 1769 das Celler Umland völlig ausgeblendet. Ohnehin hat man das Gefühl, dass die Dörfer um Celle erst im Siebenjährigen Krieg und der damit verbundenen Besatzungs- bzw. Franzosenzeit kartografische Bedeutung erfahren. Nun habe ich einen Kartenfund gemacht, der das Gegenteil belegt: eine Karte des Celler Umlandes aus dem Jahr 1732. Ich habe diese Karte in digitalem Format an Herrn Voss, Leiter des Celler Kreisarchivs, weitergeleitet.

Ohne weiteres kann man sich über so einen Fund freuen. Dennoch möchte ich einige Fragestellungen in Zusammenhang mit dieser Karte aufgreifen und abarbeiten bevor ich sie in mein digitales Archiv verwinden lasse und erst bei der nächsten Gelegenheit wieder hervorhole. Dabei werde ich methodisch einige Punkte abklopfen und am Ende meine Ergebnisse zu einem resultierenden Fazit verdichten...



Bild: Kartenausschnitt "Environs de Celle 1732". Quelle: Französische Nationalbibliothek.

1. Beschreibung der Karte

Erst einmal ist es natürlich wichtig die Karte genauer kennenzulernen. Nur auf diese Weise lassen sich später sinnvolle Rückschlüsse auf den Inhalt ziehen. Daher werde ich jetzt kurz ein paar Fakten und Daten zur Karte erläutern.

Quelle: Bibliothèque nationale de France, département Arsenal, MS-6465(714) Französische Nationalbibliothek.
Titel: Environs von der Stadt Zelle. 1732
Erscheinungsdatum: 1732
Themenschwerpunkt : militärische Topografie
Format: 1 carte : ms. aquarellé ; 46 x 58,5 cm
Collection: géographique du marquis de Paulmy
Region: Allemagne – Basse-Saxe Provenienz
Vorbesitzer: Argenson, Antoine-René de Voyer (1722-1787 ; marquis de Paulmy d')



Bild: Kartenausschnitt "Environs de Celle 1732". Quelle: Französische Nationalbibliothek



Aus diesen Angeben lassen sich bereits wichtige Rückschlüsse herleiten. Aus diesem Grund möchte ich folgende Fragen aufwerfen, die als Leitfaden dienen sollen. Später werde ich diie folgenden Fragen wieder aufgreifen:


  • warum existiert gerade vom (relativ unspektakulären) Umland Celles eine Karte - nicht aber von den angrenzenden Gebieten bzw. Städten im gleichen Bestand?


  • welche Ähnlichkeiten hat die Karte (1732) zu der französischen Militärkarte (1757) bzw. Zur späteren Kurhannoverschen Landesaufnahme (um 1780)?


  • diente die Karte (1732) möglicherweise als Grundlage der anderen Karten?


  • warum wird die Karte (1732) generell in der Französischen Nationalbibliothek als militärische Karte einsortiert, wo sie doch nur das zivile Celle und die umliegenden Ortschaften zeigt.


  • welcher Zusammenhang zum Siebenjährigen Krieg (ca. 25 Jahre später) bestehen?


  • wer war der ursprüngliche Besitzer - der Marquis de Paulmy?


Die Karte zeigt das Gebiet zwischen den Eckkoordinaten der Orte Wolthausen, Eschede, Nienhagen und Schwachhausen. Damit erfasst sie weite Teile des heutigen Landkreises Celle. Wie in einer topografischen Karte üblich werden Besiedlung, Flora und Fauna dargestellt. Auch Wege und Straßen sind abgebildet. Die Legende, d.h. Verwendung der Zeichen in der Karte (1732) ist sehr ähnlich zu späteren topografischen Karten, wie z.B. dem Plan der Französischen und Preußischen Truppen im Dezember 1757 (Karte 1757) und der bekannten Kurhannoverschen Landesaufnahme (um 1780).

Es würde zu weit führen alle Karten im Detail zu analysieren. Daher weise ich nur auf einige interessante Punkte hin. Sicherlich ist die Betrachtung später zu ergänzen...


Warum existiert gerade vom Umland Celles eine Karte? 

Es ist merkwürdig, dass ausgerechnet vom Celler Umland eine solche Karte existiert. Obwohl die Gegend ganz hübsch ist und auch zum ein oder anderen Spaziergang einläd, rechtfertigt dies nicht die Existenz einer Karte aus solch alter Zeit.

Sie ist, wie alle damaligen Kartenwerke, ist die Karte handgezeichnet. Das setzt nicht nur geografische Kenntnisse, sondern auch hohes zeichnerisches Geschick voraus. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich jemand durch sehr unwirtliches Terrain (dichte Wälder & Sümpfe) quälte, nur um eine Karte aus Spaß anzufertigen. Da die Karte als "militärisch" eingestuft ist, ist es sehr gut möglich, dass die Karte auch genau solch einen Hintergrund haben könnte.


Welche Ähnlichkeiten bestehen zu anderen Karten?

Wie eingangs erwähnt bestehen deutliche Ähnlichkeiten zu späteren Kartenwerken. Genannt seien an dieser Stelle zwei weitere kartografische Nachweise des 18. Jh. Zum einen der Plan der französischen und preußischen Truppen bei Celle im Dezember 1757 (Digitales Archiv Marburg). Zum anderen sei die Kurhannoversche Landesaufnahme aus den Jahren um 1780. Die letztgenannte Karte gilt als die zuverlässigste Karte dieser Zeit. 

Neben den formellen Ähnlichkeiten (Maßstab, Flächenabdeckung, Farbgebung, Legende) stechen auch materielle bzw. inhaltliche Übereinstimmungen ins Auge. 

Als anschauliches Beispiel sei die Ansicht der Ortschaften Offensen und Schwachhausen angeführt: 

Bild: Offensen/Schwachhausen in der Karte der "Environs de Celle, 1732". Quelle: Französische Nationalbibliothek.



Bild: Offensen/Schwachhausen in dem "Plan der Französichen und Preußischen Truppen bei Celle im Dezember 1757". Quelle: Digitales Archiv Marburg.


Die untere Karte (1757) ist nicht nach Norden ausgerichtet. Ansonsten ergeben sich nur marginale Unterschiede. In Schwachhausen fällt die Straßenführung ist Auge: die ist praktisch in beiden Kartenwerken identisch. Ebenfalls gleich ist der nach Norden führende Allerübergang in Schwachhausen. Dieser ist nach heutigem Stand als kartografischer Fehler zu deuten. Bisher spricht nichts dafür, dass es in dieser Zeit wirklich einen solchen Allerübergang gegeben hat. Dieser Fehler besitzt eine hohe Aussagekraft: möglicherweise wurde der Fehler in der Karte von 1757 aus der Karte von 1732 übernommen. Das wäre keine Seltenheit. Denn wegen des hohen Aufwands bei der Anfertigung neuer Karten wurde häufig auf frühere Werke zurückgegriffen. Dabei schlichen sich nicht selten Fehler ein...


Bild: Kurhannoversche Landesaufnahme (um 1780) der Orte Offensen/Schwachhausen. Quelle: Landesamt für Geoinformation und Landesvermessung Niedersachen (LGLN).


So in etwa kennen wir die Ansicht der Orte heute. Der Allerübergang in Schwachhausen geht in Richtung Osten - nicht Norden, wie auf den beiden vorherigen Karten dargestellt. Der Grund für diese Abweichung ist in der Entstehung der Kurhannoverschen Landesaufnahme begründet. Sie ist nämlich eine völlig neue kartografische Erfassung gewesen und griff daher nur kaum auf vorherige Kartenwerke zurück. Ihre Entstehung verdanken wir dem englischen König Georg III. Er beauftragte seinerzeit das Hannoversche Ingenieurskorps mit der Anfertigung der Landesaufnahme.

Vertiefend zu diesem Thema empfehle ich das Beiheft der Kurhannoverschen Landesaufnahme für das Blatt 103 (Celle): Kostenloses Beiheft (LGLN).




Bild: Die Stadt in der Karte der "Environs de Celle, 1732". Quelle: Französische Nationalbibliothek.


Wie in den anderen Karten des 18. Jh. von Celle wird die Stadt auch in der Karte der "Environs de Celle, 1732" als Festung dargestellt. Im Grunde gleicht diese Darstellung sehr stark den anderen Kartenwerken.

Es ist anzunehmen, dass die Karte von 1732 den späteren Kartografen vorlag. Anders kann man sich die Ähnlichkeiten nicht erklären.


Warum wird die Karte als "militärisch" eingestuft?

Diese Einordnung ist etwas seltsam. Während in der Karte von 1757 (Plan der Französichen und Preußischen Truppen bei Celle im Dezember 1757) sichtlich Truppenteile eingezeichnet sind, fehlt in der Karte von 1732 jeglicher offensichtliche militärische Bezug. Natürlich kann man sagen, dass die Zeit nicht gerade friedfertig war. Der große 30 Jährige Krieg lag zwar schon gut ein Jahrhundert zurück, aber damit konnte keineswegs von sicheren politischen Verhältnissen die Rede sein.

Eine andere Begründung für die Deklaration als militärische Karte kann in ihrer Herkunft gefunden werden. Sie stammt aus dem Nachlass des Marquis de Paulmy (1722-1787).


Wer war der ursprüngliche Besitzer - der Marquis de Paulmy?


Antoine-René de Voyer d'Argenson, Marquis de Paulmy (1722-1787) war der Neffe des Comte d'Argenson - eines französischen Kriegsministers. Paulmy interessierte sich sehr für Bibliotheken und besaß selber eine umfassende Sammlung historischer Werke. Bevor er starb verfügte er, dass seine Sammlung nicht zerschlagen werden sollte. Daher fielen letztendlich viele kulturhistorisch wichtige Dokumente und Werke an das Französische Nationalarchiv.

Es ist keine besonders abwegige Vermutung, dass die Bestände des Marquis de Paulmy generell in militärhistorischem Zusammenhang angesiedelt werden. Es ist also durchaus möglich, dass in der angeblichen Militärkarte etwas gesehen wird, was sie gar nicht ist. Diese recht plausible Theorie lässt sich natürlich weiter verfolgen. Logisch folgend ergibt sich folgende Fragestellung:


Welcher Zusammenhang besteht zum Siebenjährigen Krieg? 

25 Jahre nach der Datierung der Karte, nämlich 1757, standen sich die französischen Truppen unter dem Marshall de Richelieu und die Preußen unter Herzog Ferdinand v. Braunschweig gegenüber. Die spannende Frage: verfügten die Franzosen dabei über die Karte der "Environs de Celle" aus dem Jahr 1732? 

Würde man diese Frage bejahen, würde das bedeuten, die Franzosen hätten bestens bescheid gewusst, wie der Celler Raum militärisch zu behandeln war. 

Darüber hinaus würde diese Theorie ebenfalls darauf schließen lassen, dass die Karte von 1732 durch eben diese Ereignisse im Jahr 1757 zu einer "militärischen" Karte wurde: eine zivile Karte, die vom Militär genutzt werden kann, wird zwangsläufig zu einer militärischen Karte... 

Nun kann man natürlich noch viele weitere Fragen aufwerfen. Es wird in der Literatur immer wieder darauf verwiesen die französischen Truppen seien bei Winsen und Wienhausen/Schwachhausen durch die Aller gegangen, um in einer Zangenbewegung die Preußen bei Altenhagen einzukreisen. Ich habe in der Vergangenheit Bemühungen angestellt diese These zumindest für Schwachhausen zu klären. Abgesehen von vielen Musketenkugeln auf verschiedenen Ackerflächen und allgemeine Hinweise aus der Besatzungszeit der Franzosen kann ich die Behauptung, dass die Franzosen in Schwachhausen über die Aller gegangen sind nicht bestätigen. Sicherlich habe ich auch Funde gemacht, die auf die Anwesenheit von französischen Truppen schließen lassen, aber bei solch einer Armee-Stärke hätten sich bisher andere Ausmaße von Funden einstellen müssen, um die Theorie zu untermauern. 


Bild: Bodenfund den ich im Flotwedel gemacht habe - ein französicher Zeltknopf. 


Die entscheidende Frage ist doch: wie kommt es zu der Annahme, dass die Franzosen Schwachhausen für den Allerübergang genutzt haben? Im Norden der Ortschaft, jenseits der Aller erstrecken sich die Allerdreckwiesen bis kurz vor Lachendorf. Damals war dieser Landstrich noch viel unzugänglicher als heute - es ergibt schlichtweg keinen Sinn eine Armee durch solch ein sumpfiges Gelände zu führen. So ein Vorgehen würde jeder Taktik der französischen Armee in dieser Zeit widersprechen. 

Viel wahrscheinlicher ist es, dass die Franzosen den Allerübergang in Wienhausen (nach Oppershausen) nutzten. Die Voraussetzungen für eine Allerüberwindung sind dort viel besser gegeben! 

Zurück zur Frage, wie es zu der Theorie des Übergangs in Schwachhausen kommen konnte.

Möglicherweise griff man für diese Theorie auf die Karte von 1732 zurück und mutmaßte, dass Schwachhausen für den Übergang der französischen Truppen geeignet sei. Laut der Karte war Schwachhausen sogar überaus geeignet, denn man erkennt ja deutlich den Weg Richtung Norden. Dieser Weg existiert zwar in der Realität so nicht - sieht aber auf dem Papier natürlich erst einmal aus wie die perfekte Marschroute.


Zum Abschluss - noch eine interessante Betrachtung...



Bild: Das Waldgebiet "die Spache" bei Celle laut der Karte der "Environs de Celle, 1732". Quelle: Französische Nationalbibliothek.


Bis heute kann man nicht wirklich nachvollziehen in welcher Zeit die Bundesstraße durch die Sprache ihren Ursprung hat. Auf sehr alten Karten gibt es dort keinen Weg bzw. befestigte Straße. Auf späteren Messstichblättern (19./20. Jh.) taucht die Straße dann wie selbstverständlich auf. Hier in der Karte aus dem Jahr 1732 kann man einen Weg erkennen der das Waldgebiet schon halb durchquert. Könnte es sich dabei um einen Vorgänger der heutigen Straße Richtung Osten handeln? Wer weiß...


Fazit

Wir haben es bei der Karte aus dem Jahr 1732 mit einer neuen, vielen sicherlich unbekannten kartografischen Darstellung des Celler Landkreises zu tun. Ich habe die Karte im Französischen Nationalarchiv entdeckt und an das Celler Kreisarchiv weitergeleitet. 

Die Karte ist meines Wissens eine der ersten topografische Karten des Celler Landkreises. Allerdings entstehen aus der Auswertung heraus einige Fragen in Bezug auf die Karte. Meiner Einschätzung nach steht sie in direktem Zusammenhang zum Plan der Aufstellung der Französischen und Preußischen Truppen um Celle im Dezember 1757. Neben formellen Kriterien sind auch materielle Begründungen dieser These gegeben. Vor allem anhand der Fehler erkennt man die inhaltliche Verknüpfung der beiden Kartenwerke. 

Mit der bekannten Kurhannoverschen Landesaufnahme, die in den Jahren um 1780 entstand, hat die Karte (1732) höchstens formelle Gemeinsamkeiten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Kurhannoversche Landesaufnahme durch das Hannoversche Ingenieurskorps auf Veranlassung des englischen Königs Georg III. angefertigt wurde und nur unwesentlich auf bestehende Kartenwerke zurückgriff.

Eine interessante Frage ist, ob die französischen Truppen im Jahr 1757 auf die Karte zurückgriffen. Alle Anzeichen sprechen für diese These. Das bedeutet letztendlich, dass möglicherweise einige Theorien zu dieser Zeit überdacht werden müssen...

Resultierend lässt sich festhalten, dass diese Karte ein wertvolles historisches Dokument ist, welches sicherlich noch in einigen folgenden Betrachtungen zur Geltung kommen wird.


Viele Grüße,

Hendrik

Mittwoch, 13. Februar 2013

Das Osterfeuer 1935 - und heute


Das Osterfeuer 1935 - und heute


Warum zünden wir an Ostern einen Haufen Reisig und Zweige an? Um Grünabfälle zu entsorgen? Oder ist es gar ein Fest der Feuerwehr? 

Der Brauch zu Ostern ein großes Feuer zu entfachen hat sehr alte Wurzeln. Im eigentlichen Sinne waren die Osterfeuer auch Frühlingsfeuer. Ihre Entstehung geht bis in die Bronzezeit zurück - es ist somit ein heidnischer Brauch. Der Winter sollte damit endgültig vertrieben werden und es sollte eine gute Ernte "beschworen" werden. Das Feuer stellte dazu seit je her die Grundlage für das Beisammensein her: Wärme und Gesellschaft. Mit der Entwicklung des Christentums wurde dieses Brauchtum übernommen. Nur wurde als Datum nun Ostern festgesetzt um damit an die Auferstehung Jesu Christi zu gedenken.

Bild: Osterfeuer Offensen/Schwachhausen 2009. Quelle: Hendrik Altmann.

Aus meiner Jugendzeit weiß ich: Osterfeuer gibt es nicht nur an einem Tag! So finden die Feuer regelmäßig sowohl am Ostersamstag (z.B. Offensen-Schwachhausen) und auch am Sonntag (z.B. Langlingen) statt. Vermutlich liegt das daran, dass die Feuer jeweils natürlich gut besucht sein sollen. 

Bei uns in Offensen und Schwachhausen herrschen beim Osterfeuer "strenge" Sitten. So gibt es klare Regeln, die zu befolgen sind. Warum das Osterfeuer heute nun so stattfindet hat sicherlich gute Gründe - wie im Folgenden gezeigt werden soll...

Bild: Ort des alten Osterfeuers (rot). Quelle: Messstichblatt Bröckel 1901.


Früher wurde das Osterfeuer zwischen den Ortschaften Offensen und Schwachhausen entfacht - damals waren die beiden Ortschaften noch eigenständige Gemeinden (siehe Zur Eingemeindung Schwachhausens). Es fand an einem Feldweg zwischen der heutigen Hauptstraße und der Aller statt - in etwa dort wo sich die Kurve befindet.

Im Jahr 1935 ereignete sich jedoch etwas, das noch heute Ängste schürt: das Osterfeuer wurde am Abend zuvor durch Unbekannte entfacht und brannte vollständig ab. Meine Großmutter erinnert sich noch gut daran. So kam es, dass es im Jahr 1935 beinahe kein Osterfeuer gegeben hätte. Doch an dieser Stelle zeigt sich wieder einmal die Willenskraft unserer Dorfbewohner. Gleich am nächsten Tag (also am Oster-Samstag) an dem das richtige Osterfeuer stattfinden sollte, nahmen sich die jungen Männer zusammen und schafften mit Fuhrwerken Material für ein neues Feuer heran.

Bild: Offensener und Schwachhäuser beim Aufschichten eines neuen Osterfeuers. Quelle: Heinrich Kaune, Schwachhausen. Auf dem Bild sind zu sehen (von links Unten): Wilhelm/Alfred Tietje, Erich Linnewedel, Heinrich Kaune (mein Großvater) und ein Knecht von Luttermanns aus Offensen. Die anderen Personen konnten noch nicht zugeordnet werden...


Hilda Kaune erinnert sich: als es darum ging woher das Holz kommen sollte wurden Braken (Bruchholz) aus dem Klosterforst angefahren. Währen einige, wie mein Großvater halfen den Berg aufzuschichten, waren die anderen mit Fahren und Holzaufladen im Wald beschäftigt. 

Bild: Aufschrift des Bildes (Rückseite). "Ostern 1935. Das Osterfeuer wurde angezündet, es musste ein neues angefahren werden" (Hilda Kaune). 


Voller Stolz präsentierten die Offensener und Schwachhäuser auf dem Bild ihr neu aufgeschichtetes Osterfeuer! Ein eindeutiges Zeichen, dass man sich von den Strolchen, die den ersten Holzberg entfacht hatten, die Stimmung nicht vermiesen lassen wollte! 

Schnell erkannte man, dass es sehr mühsam war das Material für ein neues Feuer herbeizuschaffen. Um dergleichen in den Folgejahren zu vermeiden wurde beschlossen eine Wache für das Feuer einzuberufen. Viele wissen es nicht, aber es ist eben dieses Jahr 1935 das die traditionelle "Osterfeuerwache" der Jugendfeuerwehr und der Jugendlichen aus den Dörfern hervorbrachte! Und so treffen sich jedes Jahr schon zwei Tage vor Ostern die jungen Leute der Ortschaften Offensen und Schwachhausen, um ihr Osterfeuer zu "bewachen". 

Natürlich sei hinzugefügt, dass bei der Bewachung des Feuers allerlei Spirituosen gebraucht werden, um die allgemeine Moral zu heben! ;) 

Schon sehr bald erkannten auch andere Dörfer die Gefahr. Somit wurde die Bewachung des Osterfeuers eine fortlaufende Tradition, die schnell Fuß fasste. 

Wie viele andere Feste (z.B. Weihnachten) passte auch Ostern und das Osterfeuer nicht in die Gleichschaltungsintention des III. Reiches. Es fanden somit auch keine Osterfeuer mehr statt, als sich die nationalsozialistische Herrschaft gefestigt hatte. In den Kriegsjahren waren diese Bräuche sowieso nicht durchführbar. Erst nach dem Krieg besann man sich auf alte Traditionen und die Osterfeuer brannten wieder. Allerdings wurde der Ort verlegt: statt das Feuer zwischen Offensen und Schwachhausen abzubrennen, wurde es auf ein Landstück hinter Schwachhausen in Richtung Nordburg verlegt. Noch heute finden hier die traditionellen Osterfeuer statt. 

Bild: Osterfeuerplatz heute. Quelle Google Earth 2009. 


Bild: Osterfeuerplatz heute. Quelle Google Earth 2011. 


Mit Stolz kann man sagen, dass die Ortschaften Offensen/Schwachhausen heute über Jahre hinweg das größte Osterfeuer aufhäufen, dass in der gesamten Umgebung abgebrannt wird. Eine vorgeschriebene Zeit vor dem Fest darf Material zum Feuerplatz gefahren werden. Dabei handelt es sich meist um Braken, Astwerk und sonstige Gartenabfälle. Müll und nicht brennbare Gartenabfälle (z.B. nasser Rasenschnitt) werden nicht angenommen. Damit keine Vögel in dem hohen, locker aufgeschichteten Berg aus Feuermaterial nisten, ist Annahmezeit für Material auf einige Wochen unmittelbar vor dem Fest beschränkt.

Am Gründonnerstag findet die erste Osterfeuerwache statt. Sie wird von der freiwilligen Feuerwehr Offensen/Schwachhausen organisiert und durch die Dorfjugend ausgeführt. Ebenso am Karfreitag wird so das Osterfeuer "beschützt". Diese Tradition leitet sich aus den oben beschriebenen schlechten Erfahrungen her...

Natürlich muss sich die Jugendfeuerwehr wärmen - daher gibt es schon an diesen Tagen ein "kleines" Feuer. Um dieses unter Kontrolle zu halten bedarf es aber auch regelmäßig ausreichender flüssiger Ressourcen. Kurzum: die beiden Tage vor dem eigentlichen Osterfeuer sind traditionell Treffen der Dorfjugend Offensen/Schwachhausen um gemeinsam das Osterfest zu begehen ;)

Am Ostersamstag wird bei Einbruch der Dunkelheit das große Feuer entfacht. Da Ostern nach dem kirchlichen Kalender auf den dritten Vollmond fällt, kann es (wie in diesem Jahr) dabei schon recht früh dunkel werden. Traditionell stiftet ein Bauer Stroh, um das Feuer anzustecken. Auch das deutet darauf hin, dass das Osterfeuer mehr ist, als nur ein einfaches Volksfest: es soll eine gute Ernte "beschworen" werden...

Derweil sorgt die Jugendfeuerwehr für den Proviant: im Pommes- und Bratwurstzelt bekommt man für faires Geld besagte Köstlichkeiten. Die freiwillige Feuerwehr schenkt Getränke und Spirituosen aus.

Anders als in anderen Ortschaften, die den Zusammenhalt einer intakten Dorfgemeinschaft verloren haben, ist das Osterfeuer in Offensen/Schwachhausen immer ein sprichwörtliches "Highlight" für Groß und Klein. Während die Eltern dorfgemeinschaftliche Pflichten wahrnehmen und den kommunikativen Austausch suchen, beschäftigen sich die Kinder damit möglichst perfekte "Kokel-Stöcker" aufzutreiben. Natürlich überwacht die Jugendfeuerwehr das Geschehen rund ums Feuer!

Meistens brennt das Feuer bis 23:00 Uhr. Allerdings ist die letzte Glut nicht erloschen, bis die ersten "Kokler" am nächsten Morgen wieder am Feuerplatz erscheinen...

Bild: jedes Jahr ein Anziehungspunkt - das Osterfeuer Offensen/Schwachhausen. Quelle: René Stark.


Bild: immer dabei - Wurst und Getränke. Quelle: René Stark.

Bild: das Osterfeuer in voller Pracht. Quelle: René Stark.


Wie das Schützenfest, so schweißt auch das Osterfeuer jedes Jahr auf's Neue die Dorfbewohner zusammen. Es ist ein traditionelles Brauchtum und dörfliches Ereignis, das niemand verpassen möchte. 1935 wurde das Feuer durch Strolche einer anderen Ortschaft verfrüht entfacht. Seitdem wird der Feuerberg jedes Jahr bewacht.

Wir sollten diese schöne Tradition für immer bewahren und achten - denn sie war es, die unsere Vorfahren antrieb und begeisterte im Jahr 1935 das Unmögliche möglich zu machen. Neben den anderen Dorffesten, wie beispielsweise dem Schützenfest oder dem Erntebier, ist das Osterfeuer eines der wichtigsten Ereignisse der dörflichen Gemeinschaft.


Hendrik



P.s.: am 31.03.2018 ist es wieder soweit ;)



Freitag, 1. Februar 2013

Die Kopie von der Kopie - ein Original...?


Die Kopie von der Kopie - ein Original...?


Am 01. Februar 2013 erschien in der Celleschen Zeitung (CZ) ein seitenfüllender Bericht über eine großzügige Spende des Celler Rotary Clubs an das Stadtarchiv.


Gegenstand dieser Spende ist eine Karte aus dem Jahr 1769 die die Stadt Celle und ihr nächstes Umland zeigt. Wie der Artikel weiter berichtet handelt es sich bei der handgezeichneten Darstellung um das „älteste Original“ das die Stadt Celle in dieser Detailliertheit abbildet. – Es ist notwendig diese Aussage zu prüfen! 


Bild: CZ-Artikel vom 01. Februar 2013. Quelle CZ. 


Tatsächlich spricht vieles dafür, dass vermeintliche „älteste Original“ eher eine der wohl ältesten Kopien ist. Lässt man die kartografischen Aufzeichnungen über die Stadt Celle außer Acht, die bereits aus dem 16. und 17. Jh. bekannt sind, bleiben trotzdem mindestens zwei Karten, die Gleichheiten aufweisen und älteren Ursprungs sind. Im Jahr 1747 bereits existierte eine recht detaillierte Karte über die Stadt „(…) Zelle nebst ihren Vorstädten und zunechst umliegenden Gegenden.“

Bild: "Plan von Zelle nebst ihren Vorstädten und zunechst umliegenden Gegenden" von J. H. Steffens aus dem Jahre 1747. Quelle: Katasteramt Celle (Ausschnitt). Quelle: Katasteramt Celle, Kartenmappe "Celle in historischen Karten".  


Diese Karte könnte ihrerseits wiederum als Vorlage für die im Jahr 1766 entstandene „Charte der Stadt Zelle im Herzogtum Lüneburg“ gedient haben. 



"Charte der Stadt Zelle im Herzogtum Lüneburg" von Friedrich Borchmann aus dem Jahr 1766 (Ausschnitt).  Quelle: Katasteramt Celle (Ausschnitt). Quelle: Katasteramt Celle, Kartenmappe "Celle in historischen Karten".  




Auch dem ungeschulten Betrachter wird schnell die verblüffende Ähnlichkeit der Karte aus dem Jahr 1766 und der jetzt in der CZ beschriebenen Karte von 1769 deutlich. Die Legende, die Positionierung des Maßstabes und die gesamt e Ansicht sind nahezu identisch. Es ist mitnichten ein Zufall, dass die nun dem Celler Stadtarchiv überreichte Karte derart gleich gezeichnet ist. Wie man weiß gab es im 18. Jh. keine modernen Kopiergeräte. Daher war es üblich Schriften zu vervielfältigen, indem man sie abschrieb bzw. abzeichnete. Aus diesem Grund handelt es sich bei der Celler Karte aus dem Jahr 1769 wohl eher um eine sehr alte und aufwendige Kopie. Die Karte von 1766 ist als ihre Vorlage zu betrachten. 

Vergleich der Karten...

An einigen Punkten lässt sich die Ähnlichkeit der Karten besonders gut ablesen: 

Bild: Festung Celle 1769. Quelle CZ-Artikel vom 01. Februar 2013

Bild: Festung Celle 1747. Quelle: Katasteramt Celle. 

Bild: Festung Celle 1766. Quelle: Katasteramt Celle. 


Eine weitere Ähnlichkeit: 

Bild: Legende der Karte von 1769. Quelle: CZ-Artikel vom 01. Februar 2013. 

Bild: Legende der Karte von 1769. Quelle: Katasteramt. 


Fazit...


Damit sollte die Herkunft der Karte von 1769 zweifelsfrei belegt sein. Wohl wird im Artikel vom 01. Februar 2013 die Karte von Friedrich Borchmann aus dem Jahr 1766 genannt.  Es wird jedoch nicht auf die Ähnlichkeit zur Karte von J. H. Steffens aus dem Jahre 1747  eingegangen. 

Natürlich schmälert all das nicht den historischen Wert der Karte. Vor dem Hintergrund, dass inzwischen 244 Jahre vergangen sind, kann man wohl auch die Kopie als ein historisches Original betrachten.  


Viele Grüße,

Hendrik




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Empfehlungen:


Die Schatzregister (zu erwerben): 



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Schatzsuche:  die Teufelsinsel in Wietze: 



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