f November 2013 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Donnerstag, 28. November 2013

28. November 1938

Ein Jahr vor Kriegsbeginn...


… zeigte sich auch in Celle die Blütezeit des Nationalsozialismus. November 1938: zu Beginn des Monats kam es zu den Ereignissen, die als "Reichskristallnacht" in die Geschichte eingehen sollten.

Jährlich wird den Opfern der Ausschreitungen am 9. November gedacht. Jährlich - das bedeutet sich regelmäßig dieses Ereignis mahnend ins Gedächtnis zu rufen. Ein jährlicher Gedenktag trägt jedoch auch dazu bei, die damaligen Umstände rund um das Ereignis selber aus dem Fokus zu verdrängen.

Die wirklichen Ausmaße des Novemberpogroms werden erst in den folgenden Wochen und Monaten deutlich. Die vollkommene Entmündigung jüdischer Mitbürger hatte sicherlich am 9.11.1938 einen ungeahnten Höhepunkt erreicht, wuchs aber auch nach diesem Schicksalstag stetig an.

In Celle schrieb die Cellesche Zeitung am 28.11.1938 (Anklicken zum Vergrößern):











Bild: Artikel aus dem Wirtschaftsteil der CZ. 
Quelle: CZ vom 28.11.1938. 


Daran wird besonders deutlich, dass der jüdischen Bevölkerung jede Daseinsberechtigung aberkannt wurde. Zwar geht es in diesem Artikel um wirtschaftliche Aspekte, nämlich jüdische Geschäfte und Betriebe in Celle, aber dahinter steht nichts anderes als die Entmachtung und Ächtung der Celler Juden als solche. Inhaltlich spricht der Artikel für sich. 

Am 28. November trat auch eine Polizeiverordnung über das "Auftreten von Juden in der Öffentlichkeit" in Kraft (siehe dazu: Chronologie des Holocaust). 



Ein weiteres Ereignis des 28. November 1938...

Die CZ berichtete an diesem Montag ebenfalls über den Fahneneid der Wehrmacht, welcher am Samstag zuvor in Celle geleistet wurde. 



Bild: Artikel über den Fahneneid der Wehrmacht. 
Quelle: CZ vom 28.11.1938.  


Der Fahneneid war mehr als nur ein Treueschwur auf das Deutsche Reich. Der Eid beinhaltete die direkte Verpflichtung dem Reisführer, Adolf Hitler, unbedingten Gehorsam unter Aufopferung des eigenen Lebens zu leisten. Eben diese Eidesformel wurde immer wieder kontrovers diskutiert. Militärisch betrachtet band der Eid denjenigen der ihn leistete und somit beriefen sich viele Soldaten darauf. Der Eid war ein zentrales und stilisierendes Element im Gleichschaltungsprozess. Letztlich politisierte er die Wehrmacht und führte dazu, dass es selbst für Soldaten, die nicht der Partei angehörten enorm schwer wurde, sich der Gefolgschaft zu widersetzen. 


Bild: Vereidigung in Celle am 26.11.1938. 
Quelle: CZ vom 28.11.1938. 


Bild: Vereidigung in Celle am 26.11.1938. 
Quelle: CZ vom 28.11.1938. 



Bild: Vereidigung in Celle am 26.11.1938. 
Quelle: CZ vom 28.11.1938. 


Es folgte ein umfassender Artikel zur Rekrutenvereidigung in Celle. Die heroischen Zeilen ließen allerdings nicht durchblicken was die neuen Rekruten schon ein Jahr später erwarten sollte. 


Anklicken zum Vergrößern: 

Bild: Vereidigung in Celle am 26.11.1938. 
Quelle: CZ vom 28.11.1938. 


Hier noch einige Berichte aus dem LK Celle vom 28.11.1938. Mit dabei: Beedenbostel, Wathlingen, Eicklingen, Winsen und Witze. 


Anklicken zum Vergrößern: 

Bild: Vereidigung in Celle am 26.11.1938. 
Quelle: CZ vom 28.11.1938. 


Es wurde ebenfalls über den Berufswettkampf berichtet. Vor einiger Zeit fand ich ein Abzeichen dieses Wettkampfes nahe Celle (siehe auch: Found Places - Berufswettkampf). 


Anklicken zum Vergrößern:

Bild: Vereidigung in Celle am 26.11.1938. 
Quelle: CZ vom 28.11.1938. 



Bild: gefundenes Abzeichen vom Berufswettkampf bei Celle. 
Quelle: eigenes Bild. 




Bild: gefundenes Abzeichen vom Berufswettkampf bei Celle. 
Quelle: eigenes Bild. 



Fazit


Im Jahr 1938/1939 erreichte der nationalsozialistische Wahnsinn seinen vorläufigen Höhepunkt. Zwar waren Hitlers Motive überaus absehbar, jedoch ahnte niemand welche fatalen Folgen sich nach 1939 ergeben würden. 

Der vorgestellte Beitrag, welcher am 28. November 1938 erschien untermauert deutlich die damalige Stimmung im Reich. Zum einen überwog die Überheblichkeit des eigenen Nationalstolzes. Zum anderen gelang es der nationalsozialistischen Propaganda flächendeckend eine Situation herbeizuführen, die seitens der Bevölkerung nicht ausreichend hinterfragt wurde. Die Folgen waren erbarmungslos. 


Viele Grüße, 

Hendrik. 



Donnerstag, 14. November 2013

Der Fasanengarten - Artenvielfalt in Celle


Einigen dürfte noch die ehemalige Gaststätte "Reiherpfahl" in Altenhagen bekannt sein. Ihr Name stammte von der alten Steinsäule hinter Altenhagen: dem Reiherpfahl. Die Säule war als Denkmal der Fischreiherzucht zwischen Altenhagen und Garßen errichtet worden.

Das bereits 1650 angelegte Reiherhaus stand vermutlich dort, wo heute das Gehöft "Tannhorst" liegt. Noch bis Anfang des letztens Jahrhunderts ließen sich dort die Überreste von Fischteichen ausmachen.

Bild: Tannhorst 1780.
Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme 1780.

Was viele nicht wissen: nicht bloß Reiher wurden gezüchtet. Zu Jagdzwecken wurden auf Fasane, Trappen, englische Hühner, türkische Gänse und verschiedene Entenarten gezüchtet. Diese Tiere galten als überaus edel und bestens für die Jagd geeignet. Schon zwischen 1660 und 1700 gibt es Hinweise darauf, dass es in Tannhorst einen "Fasanenmeister" gab, welcher für die Zucht der Tiere zuständig war. Ein solcher wird erstmals 1655 in der Kirchenrechnung von Groß Hehlen erwähnt. 1770 wurde der Fasanengarten bei Vorwerk in der Beschreibung der Burgvogtei Celle bestätigt.

Als Wohnhaus des Fasanenmeisters kommt ein kleineres Wohngebäude in Frage, welches auch auf der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1780 zu erkennen ist (siehe oben). Dieses Gebäude existierte noch sehr lange, wurde aber schließlich wegen eines Neubaus abgerissen. Clemens Cassel schreibt, dass der Fasanengarten einst auch als "Fasanerie" bezeichnet wurde. Demnach zog die Fasanerie aber schon um 1660 aus Tannhorst weg. Der neue Standort befand sich in der späteren Wittinger Straße vor dem Hehlentor.

Bild: neuer Standort der Fasanerie oberhalb der Dammaschwiesen.
Quelle: Charte von der Statt Zelle, 1758.

Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, Georg Wilhelm (1624 - 1705) ließ in den Jahren 1669 und 1670 ließ eigens für den Fasanengarten europäische Sumpfschildkröten aus Dresden liefern. Er kaufte 23 dieser exotisch anmutenden Tiere für vierzehn Thaler und ließ sie in der Fasanerie aussetzen.

Der Fasanengarten entwickelte sich zu einem Lustgarten mit beachtlichen baulichen Besonderheiten. Es entstand eine parkähnliche Anlage mit einem herrschaftlich eingerichteten Wohnhaus. Daneben umfasste die Fasanerie zwei Bruthäuser, ein Verwaltungsgebäude, mehrere Ameisenkeller (Futter) und einige Teichanlagen in denen man Schwarzstörche und Schildkröten ansiedelte.

Alleine an den aufgezählten Bestandteilen erkennt man die Dimensionen des Celler Fasanengartens. Eingerichtet wurde die Einrichtung durch den "Brunnen-, Grotten- und Fasanenmeister" Benedikt de Münster (+ 1699). Sein Sohn Dietrich de Münter führte den Beruf seines Vaters fort. Gemäß der eingangs erwähnten Beschreibung der Burgvogtei Celle war der Fasanengarten im Jahr 1770 ca. 7 hannoversche Morgen groß. Das entspricht heute etwas mehr als 18.300 Quadratmetern - etwa einer modernen Großlagerhalle.

Bild: Plan des Fasanengartens um 1801 (nachgezeichnet). 
Quelle: Achenwall, F.W. und Sprenger, H., "Plan von dem Fasanengarten bei Celle", Stadtarchiv Celle, StadtA CE K 02 Nr. C 0033, Lizensierung unter CC-BY-NC-ND-Lizenz. 

1770 war auf den Ländereien der Fasanerie niemand zu Hude und Weide berechtigt. Lediglich im Herbst war es den Bauern der Dörfer Vorwerk und Altenhagen gestattet, ihre Schweine auf die Ländereien zu treiben. Im Siebenjährigen Krieg wurde das Gebiet stark in Mitleidenschaft gezogen (siege auch: Celle im Siebenjährigen Krieg). Danach wurde das Gelände neu mit Bäumen bepflanzt.

Der Landwirt und spätere Begründer der modernen Agrarwissenschaft, Albrecht Thaer, übernahm das Gelände pachtweise. Später wurde es unter anderen Pächtern aufgeteilt. 1807 wurden die noch erhaltenen Gebäude verkauft und schließlich abgerissen. Die Erwerber hatten kein Interesse am Fortbestand bzw. an die Erinnerung der Fasanerie. Und das hatte seinen Grund. Wie bereits erwähnt waren mit dem Gelände bestimmte Verbote verbunden: so war die Haltung von Katzen verboten, es durften keine Schusswaffen vorhanden sein, Hunde durften nicht frei laufen und bei der Bewirtschaftung musste genug Futter für die nistenden Vögel übrig bleiben.

Später entstand in unmittelbarer Nähe an der Wittinger Straße die Krugwirtschaft und Gaststätte "Zum Fasanengarten".

Bild: zum Fasanengarten an der Wittinger Straße 93.
Quelle: Postkarte 1915, Archiv Altmann. 

Bild: Zeitungsanzeige aus dem Jahr 1912. Quelle: CZ vom 5.01.1912.

Auch die Gastwirtschaft "Zum Fasanengarten" hielt sich nicht lange. 1918 wurde sie zum Bau der Altona-Celler Metallwarenfabrik abgerissen. Dort wurden, nach Entwürfen Otto Haeslers die "Celler Volksmöbel" hergestellt.

Bild: Gelände des ehemaligen Fasanengartens an der Wittinger Straße. 1. Standort der Gaststätte "Zum Fasanenhof". 2. Straße "Fasanenweg". 3. Straße "Wachtelweg". Später Altona-Celler Metallwarenfabrik. Quelle: Google Earth und Messtischblatt von 1901.

Noch heute deuten die Straßennamen "Wachelweg" und "Fasanenweg" auf die alte Fasanerie hin. Heute befinden sich dort Wohnhäuser. Nichts deutet mehr sichtbar auf die ehemalige Nutzung des Geländes hin. Mehrfach überbaut, ist jeder Hinweis auf den Celler Fasanengarten verschwunden.

Bild: Gelände des ehemaligen Fasanengartens an der Wittinger Straße. Quelle: Google Earth.

Heute erscheint die Existenz eines Lustgartens in dem Schwarzstörche neben Sumpfschildkröten lebten irgendwie paradox. Einst war die "Celler Fasanerie" der Privatzoo des Herzogs. Ähnlich wie bei heutigen Naturschutzgebieten, waren mit der Bewirtschaftung sehr strenge Auflagen verbunden. Nicht zuletzt deswegen könnte den späteren Eigentümern daran gelegen gewesen sein, dass die Fasanerie zugrunde ging. Damit war das Gelände wieder für wirtschaftliche Zwecke nutzbar. Von den einstigen imposanten Gebäuden blieb nichts erhalten. Heute erinnern nur die Straßennamen "Wachtelweg" und "Fasanenweg" an die ehemalige Nutzung des Geländes.

H. Altmann


Dienstag, 12. November 2013

Die alten Wege um Celle (I)

Der Dietweg



Es wird höchste Zeit sich in diesem Blog den alten Wegen und Straßen zu widmen, die früher einmal den Landkreis durchzogen. An den Straßen sammelte sich seit jeher das öffentliche Leben.

Der Begriff "Verkehrsadern", den man manchmal noch in den Staumeldungen im Radio vernimmt, rührt genau daher: Straßen stellen ein wichtiges Instrument der Infrastruktur dar, um Menschen und Städte miteinander zu verbinden.

Straßen und Wege sind also ein spannendes Thema, denn daran lassen sich viele andere Entwicklungen ablesen, deuten und besser verstehen.


Heereswege


Natürlich liegt der Wortursprung scheinbar auf der Hand. Der Heerweg scheint ein Weg gewesen zu sein, den die Armee/das Heer nutze. Früher wurde das aber nicht so genau abgegrenzt. Zwar nutzte das Heer diese Wege - sie waren aber nicht speziell für militärische Operationen angelegt. Vielmehr handelte es sich um Wege die aufgrund ihrer Größe und Lage die einzigen Wege waren, die dazu geeignet waren größere Distanzen darauf zu beschreiten.

Man kann diese Wege nicht mit heutigen Straßen vergleichen. Es handelte sich häufig nicht einmal um befestigte Fahrstraßen, sondern um Karrenwege oder weitläufig angelegte Fahrspuren. Witterungseinflüsse hatten einen erheblichen Einfluss auf die Wege - im Notfall folgte der Weg einer alternativen Fahrspur.

Um chronologisch vorzugehen, ist besonders ein bedeutender Heerweg zu nennen: der sogenannte Dietweg.


"Folkweg"


Eine der bekanntesten Quellen ist der Roman "der Werwolf" von Hermann Löns. Darin wird der Dietweg als "Volksweg" nach Celle beschrieben. Es ist bekannt, dass sich Löns in seinen Werken nicht selten reale Zusammenhänge und Gegebenheiten verwendete. Allerdings kann man nur schätzen wo genau der beschriebene Weg laut dem Roman wohl verlaufen sein mag.

Der Dietweg war eine wichtige - wenn nicht sogar die wichtigste Straße, die Celle einst hatte. In einer Urkunde aus dem Jahr 1060 wird der Dietweg als Herrschaftsweg, bzw. Altstraße erwähnt (via regia). Es heißt "via publica quae dicitur Folkweg" und "strata publica quae vulgo dicitur Dietwehe".

Der Folkweg bzw. Dietweg verlief in Nord-Süd-Richtung und querte bei Celle die Aller. Er verband quasi die Nordsee mit dem Mittelmeer. Der Name Dietweg/Folkweg bedeutet übersetzt Volksweg. es handelt sich um eine wichtige Fernstraße. Die Entstehung Celles ist unmittelbar mit dem Straßenverlauf verknüpft - später dazu mehr.


Bild: Ausschnitt des "Romweges".
Quelle: Das ist der Rom Weg von meylen zu meylen mit puncten verzeychnet von eyner stat zu der endern durch Deutzche lantt, 1490. 


Die Karte des Romweges ist der älteste und erstmals in diesem Zusammenhang angeführte kartografische Beweis für eine überregionale Straße, die in frühster Zeit durch Celle führte. Wie bei alten Karten üblich, wurde die Karte nicht nach Norden, sondern nach der "Wichtigkeit" ausgerichtet.

Da Rom für Pilger und Gläubige einst das Höchste war, wurde diese Karte auch danach ausgerichtet. Der Ausschnitt zeigt Norddeutschland, wobei oben nicht Norden, sondern Süden ist. Die Karte steht also auf dem Kopf. 

Das macht aber nichts. Folgende Punkte seien hervorgehoben: 

  1. Lubeck (Lübeck)
  2. Hamborg (Hamburg)
  3. Stade
  4. Luneborg (Lüneburg
  5. Zell (Celle)
  6. Brunswig (Braunschweig). 

Die Karte zeigt also nicht weniger, als den ungefähren Verlauf der Altstraße durch Celle. Wo exakt der Weg entlangführte, kann heute nicht mehr überall nachgewiesen werden. Es soll im Folgenden der Wegverlauf des Dietweges nachvollzogen werden. 


Verlauf des Dietweges


Heute verlaufen Straßen abseits der Orte, z.B. als Autobahnen. Damals verbanden die Wege Städte und Orte - dementsprechend verliefen sie nicht gradlinig, sondern machten manchmal Umwege, um abseits liegende Orte "mitzunehmen". 

Das lässt sich ebenfalls beim Dietweg beobachten. Von Norden kommend verband er zunächst die Orte Bardowick, Lüneburg, Uelzen, Breitenhees, Weyhausen, Eschede und Celle. In einigen Darstellungen wird angenommen, dass auch die Orte Lutterloh und Rebberlah am Dietweg lagen. Zwar liegen diese eigentlich zu weit westlich von der graden Route Uelzen - Celle, aber es ist auch gut möglich, dass der Weg einen Schlenker machte. 


Bild: Straßenverlauf des Dietweges nördlich von Celle. 
Quelle: Google Earth. 


Kartenlegende: 

  1. Lüneburg
  2. Uelzen
  3. Breitenhees
  4. Weyhausen
  5. Eschede
  6. Lutterloh
  7. Celle (und darüber hinaus!) 

Der Umweg über Lutterloh wird durch eine Legende gestützt. Aufgrund von Angaben in alten Chroniken wird vermutet, dass Lothar III., bekannt als Lothar von Süpplingenburg, 1075 oder früher in Lutterloh geboren wurde. Er war König (1125–1137) und Kaiser (1133–1137) im Heiligen Römischen Reich.


Die alte „Büntingsche Chronik“ berichtet darüber:
Sein Vater, Graf Gebhardt der Andere, ist 1075 in der Schlacht bei Negelstedt (bekannt als die Schlacht bei Homburg an der Unstrut) gegen Kaiser Heinrich dem vierden gedienet, in der Schlacht umbkommen. Wenig Tage (vor) derselben Schlacht ist Hertzog Lutther zu Lutterloh im Lüneburgischen Lande nicht weit von der Stadt Zelle in diese Welt geboren. Daher der Ort hernach von ihm befreit und aller Beschwerden entnommen worden. Diese Freiheit hat bei Regierung Herzog Ernsten (des Bekenners) zu Lüneburg ein Amtmann aufheben und den Bauern dienstbar machen wollen ...

Es existierte in Lutterloh tatsächlich der abgabefreie Behrensche Hof. Die Geschichtsforscher nehmen aber an, dass ein unehelicher Sohn des Kaisers Lothar III. Besitzer des Hofes gewesen ist.
Das Welfenmuseum ist im Besitz von Lothars Taufstein. Dieser ist aber nachweislich erst einige Jahrhunderte später entstanden. (Quelle: Wikipedia). 

Es ist unklar, ob diese Legende wahr ist, oder nicht. Letztlich ist es auch unerheblich wo exakt der Weg verlief, da er sich ohnehin nicht mehr genau verorten lässt. Geschichtlich wird der Wegverlauf beispielsweise durch Ereignisse im Siebenjährigen Krieg untermauert (siehe dazu: Der Siebenjährige Krieg in Celle - 1757: die Lage aus alliierter Sicht). 

Auch wenn sich der Wegverlauf in früherer Zeit wohl schon bei unterschiedlichem Wetter ändern konnte, festigte er sich mit der Zeit und nahm eine Form an, wie man sie über die Jahrhunderte anhand von Karten gut nachvollziehen kann. Das soll in diesem Beitrag ebenfalls getan werden. Zunächst stellt sich aber noch die Frage, warum der Weg überhaupt durch Celle führte. Warum überquerte er nicht bei Altencelle die Aller - sondern bei der westlich gelegenen Neusiedlung?



Bild: älteste Wege bei Celle.
Quelle: Google Earth.


Nachweislich gab es bei Altencelle schon seit frühester Zeit eine Furt. Es wird angenommen, dass Altencelle möglicherweise schon um 990 im Zuge alter Grenzverläufe (Schnede) eine wichtige Rolle gespielt hat (Siehe (2)). Ein Weg, der von Altencelle nach Norden verlief ist jedoch eher unwahrscheinlich, denn im Norden liegt seit ewiger Zeit ein nasses, morastiges Gelände - das Schweinebruch (3).

Bei der Besiedlung der heutigen Stadt hat sicherlich auch die günstige Lage für einen Aller-Überweg eine entscheidende Rolle gespielt (1).


Bild: Alter Überweg des Dietweges.
Quelle: Google Earth.


Noch heute erkennt man deutlich, dass sich die Wege direkt hinter dem Celler Übergang über die Aller gabelten. In östliche, bzw. nordöstliche Richtung zweigten die Wege nach Wittingen und Lüneburg ab ((4) und (3)). Heute sind diese Straßen nach eben diesen Orten benannt.

In Richtung Westen und Norden führten die Wege nach Hamburg bzw. Bremen ((2) und (1)). Auch hier deuten die heutigen Straßennamen noch auf diese Wegziele hin. Da das Gelände nördlich der Aller, am sogenannten Liebfrauenberg, verhältnismäßig stark ansteigt, versuchten die Bremer Kaufleute diese Steigung zu umgehen, indem sie direkt hinter der Allerüberquerung nach Links abbogen. Der Wegverlauf folgte dabei dem "Allertal" und ist heute als "Alter Bremer Weg" bekannt.

Der Weg in Richtung Lüneburg (3) ist vermutlich der älteste der Abzweige an dieser Stelle. Er führte, wie auch die heutige Bundesstraße, in Richtung Altenhagen.



Bild: Wegverlauf nach Altenhagen.
Quelle: Papen-Atlas, 1839.


Es deutet vieles darauf hin, dass die Furt bei der heutigen Stadt Celle und später auch die Brücke dafür sorgten, dass sich Celle eine wachsende Bedeutung in Bezug auf den Handel erreichen konnte. Die erste Andeutung einer Zollstelle an eben dieser Stelle stammt aus dem Jahr 1225. Darüber hinaus lag auch das ehemalige Franziskanerkloster nicht weit von dem wichtigen Weg.

Entlang der alten Schnede (Grenze) und der späteren Gaugrenze zwischen dem Bardengau im Nordwesten von Celle und dem Mutwidde im Nordosten der Stadt, verlief der Dietweg von Altenhagen weiter zwischen Vorwerk und Bostel bis nach Garßen.



Bild: Wegverlauf bei Garßen.
Quelle: Papen-Atlas, 1839.



Bild: Wegverlauf hinter Garßen - Blick in Richtung Burghorn.
Quelle: eigenes Bild.


Garßen wurde von dem Weg tangiert, welcher dann in nordöstliche Richtung abschwenkte und südlich von Hornshof verlief. Die Karte der "Environs de Zelle" aus dem Jahr 1753 macht dies deutlich:



Bild: Dietweg nordöstlich von Garßen.
Quelle: Environs de Zelle, 1753.

1. Garßen
2. Hornshof
3. Ohe
4. Altstraße in Richtung Rebberlah
5. Altstraße in Richtung Habighorst

Legt man die Aufnahme aus dem Papen-Atlas von 1839 auf ein aktuelles Satellitenbild, erkennt man, dass der alte Dietweg dem heutigen "Hamburger Weg" entspricht, welcher von Garßen in Richtung Burghorn / Habighorst verläuft.


Bild: Dietweg / Hamburger Weg bei Garßen.
Quelle: Google Earth, Papen-Atlas (1839).


Von Garßen aus verlief der Weg weiter bis Burghorn. In Burghorn befand sich der Gerichtsplatz der Amtsvogtei Beedenbostel (siehe auch: Justiz, Gericht und Vollstreckung zu alter Zeit). Dieser Platz lag auf einer Anhöhe direkt neben dem alten Dietweg. Man kann davon ausgehen, dass dieser Standort mit Bedacht und Absicht gewählt wurde, damit Vorbeiziehende die Gerichteten sehen konnten. Einst dienten gerichtliche Prozesse und Vollstreckungen in größtem Maße zur allgemeinen Abschreckung. Man kann sich die Wirkung verdeutlichen, wenn man sich vorstellt, wie in dieser verlassenen Gegend einst ein verlassener Galgen gewirkt haben muss.

Der Dietweg führte dann weiter durch Habighorst in Richtung Eschede - Weyhausen - Breitenhees - Uelzen - Lüneburg - Bardowick.


Bild: Wegverlauf vor Habighorst.
Quelle: Papen-Atlas, 1839.


Es ist anzunehmen, dass der Dietweg streckenweise die Grenze der alten Diözese zu Hildesheim und auch eine Grenze zwischen zwei alten Gauen bildete. Der Weg war also weit mehr, als nur eine wichtige Fernstraße. Letztlich stellte der Weg eine der wichtigsten Verbindungen von Nord nach Süd dar und sorgte nicht zuletzt dafür, dass Celle im Mittelalter einen regen Aufstieg erlebte.


Viele Grüße






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Empfehlungen:


Garnison-Museum Celle: 
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Die Schatzregister (zu erwerben): 
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Offensen-Schwachhausen: 
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Schatzsuche:  die Teufelsinsel in Wietze: 
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Antiquarische Bücher: Celler Versandantiquariat Ehbrecht: 




Donnerstag, 7. November 2013

9. Nomember 1938

"Reichskristallnacht"


Am kommenden Samstag jähren sich die Ereignisse des 9. November 1938 zum 75. Mal. Es ist eines der Daten, die sich fest in das Gedächtnis eines Jeden eingeprägt haben.

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 kam es zu heftigen und aggressiven Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung im gesamten damaligen Deutschen Reich. Nach Gedenkfeiern anlässlich des Jahrestages des Putschversuches der NSDAP im Jahr 1923, verbreitete sich schnell die Nachricht, dass der in Frankreich durch einen jüdischen Schützen verwundete, deutsche Diplomat von Rath verstorben war.

Die Partei machte kurzfristig mobil, nachdem der Reichspropagandaminister Josef Goebbels verkündet hatte man solle sich dem "Volkszorn" nicht entgegenstellen. Daraufhin kam es in der besagten Nacht im gesamten Reichsgebiet zu massiven Übergriffen - vor allem durch Angehörige der SA.

Auch in Celle wurde die Synagoge verwüstet und die meisten jüdischen Geschäfte zerstört. Viele der Celler Juden wurden im Zuge dieser Ereignisse verhaftet. Nur wenige der Täter wurden nach dem Krieg für ihre Verbrechen belangt und zur Rechenschaft gezogen.

Da die Ereignisse in Celle des 9. November bereits Gegenstand umfangreicher Nachforschungen waren, möchte ich gerne auf entsprechende Quellen aufmerksam machen.



Quellen zum Weiterlesen: 

Der zeitgeschichtliche Stadtführer von Reinhard Rohde und Tim Wegener "Celle im Nationalsozialismus" greift die Ereignisse des 9. November umfassend auf.
Es werden viele Einzelschicksale anschaulich dargestellt und so dem Leser die Möglichkeit gegeben die Geschehnisse selbst zu erfassen und zu werten.

Durch die Verwendung von umfassendem Bildmaterial wird das Werk meiner Meinung nach seinem Namen mehr als gerecht.

Viele Beiträge aus dem Buch finden sich auch unter der fast gleichnamigen Seite "Celle im Nationalsozialismus - ein historischer Stadtrundgang". Die Seite ist kostenfrei zugänglich und sehr zu empfehlen.


Das ZDF sendete gestern um 20:15 Uhr einen Beitrag mit dem Titel "Nacht über Deutschland". In dem Beitrag schildern Zeitzeugen die Ereignisse des 9. November 1938.

Am 9. November 2013 findet ab 19:00 eine Gedenkveranstaltung in der Celler Synagoge statt. Zu diesem Anlass liest Dr. H.c. Biermann aus dem Buch "Mein Bericht an die Welt. Geschichte eines Staates im Untergrund." von Jan Karski. Mehr Informationen dazu: Gedenken in der Celler Synagoge am 9.11.2013.


Viele Grüße,

Hendrik