f Februar 2014 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Freitag, 21. Februar 2014

Barbaren, Raubgräber und das, worüber Medien nicht berichten

Wie ein Komet schlug die Nachricht vom Schatzfund in der Südpfalz ein. Der Finder, ein Sondengänger, hatte in einem Waldgebiet bei Rülzheim einen einzigartigen Fund gemacht. Unter den gefundenen Objekten waren u.a. silberne Trinkschalen, goldene Schmuckstücke und Figuren. Zumal die Objekte in die Zeit der Völkerwanderung datieren, war schnell der Name „Barbarenschatz“ geboren. 


Insgesamt geht sein Wert vermutlich in die Hunderttausende. Jedoch beging der Finder einen folgenschweren Fehler. Da er den Schatz eigenmächtig dem Boden entriss, können Experten nun kaum Schlussfolgerungen zu den Fundumständen und den Hintergründen der gefunden Objekte machen. Hinzu kommt, dass der Sondengänger über keine Suchgenehmigung verfügte und die Stücke wohl erst nach einer Hausdurchsuchung an die Landesarchäologen übergab.

In den vergangenen Tagen konnte kaum ein Presseportal von der Geschichte des „Barbarenschatzes“ die Finger lassen – auch weil fachkundige Archäologen seine herausragende Bedeutung immer wieder betonten. Gebetsmühlenartig wird in den Medienberichten immer wieder betont, dass es sich beim Finder um einen „Raubgräber“ handelt. Der Begriff ist so selbsterklärend, dass er keiner Definition bedarf und dennoch könnte man den vorliegenden Fall als eine solche ansehen. Wer ungenehmigt (illegal) nach Bodendenkmälern sucht, Gegenstände birgt, mitnimmt und den Behörden vorenthält – das ist ein Raubgräber. Verständlich, dass für Archäologen der Raubgräber vergleichbar mit einem modernen Räuber Hotzenplotz daherkommt, nur, dass er statt zwei rauchenden Pistolen nun einen hochsensiblen Metalldetektor bei sich trägt.

In den gängigen Foren des Internets ist man bereits jetzt alarmiert. Nachdem die breite Medienlandschaft das Thema aufgegriffen hat, fürchten viele demnächst strengere Regeln und Kontrollen. Nicht unbegründet, denn in einem Interview des Deutschlandfunks wurden bereits Spaziergänger implizit dazu angehalten Sondengänger auf deren Suchgenehmigung anzusprechen.

Aber ist jeder Sondengänger ein Hotzenplotz? Der Finder des Barbarenschatzes meldete sich in einem Onlineforum bereits persönlich zu Wort. In der Sondengänger-Szene ist er nicht unbekannt, da er in der Vergangenheit mehrfach Videos ins Netz stellte, die seine Schatzsuchen auf Feldern, Wiesen und in Wäldern dokumentieren. Aus seinen Äußerungen geht unter anderem aber auch hervor, er werde niemals mit Archäologen und / oder Denkmalbehörden zusammenarbeiten. Letztlich schwanken in der Szene  daher die Meinungen zwischen Bewunderung, des tollen Fundes wegen und offener Kritik am Verhalten des Suchers. Viele sind der Ansicht der Finder habe mit seinem Verhalten nicht nur dazu beigetragen kulturelles Erbe zu zerstören, sondern er habe die Archäologen und Denkmalbehörden auch bewusst provoziert und somit den Ruf vieler Sondengänger nachhaltig geschädigt.

Bild: Metalldetektor im Einsatz. 
Quelle: H. Altmann
Dabei können es sich Archäologen und Denkmalbehörden heutzutage eigentlich gar nicht mehr erlauben auf die Unterstützung ehrenamtlicher Sondengänger zu verzichten. Deutschlandweit gibt es zahllose Sucher, die die Regionalarchäologie unterstützen und ihre Funde melden. Sie leisten freiwillig einen wichtigen Beitrag, zumal es den Denkmalbehörden an Mitteln und Kapazitäten fehlt. 

Voraussetzung für die Zusammenarbeit ist jedoch eine Suchgenehmigung, welche nach den meisten Landesdenkmalschutzgesetzen beantragt werden kann. In Bundesländern wie Niedersachsen und Schleswig Holstein ist es möglich Kurse beim Landesamt für Denkmalpflege zu besuchen und dann die nötige Genehmigung zu beantragen.

Problematisch sind die, bundesweit nicht einheitlichen Denkmalschutzgesetze und ihre Umsetzung auf der unteren Verwaltungsebene. So gibt es Bundesländer, wie Bayern, die gar keine Genehmigungen vorsehen und andere Bundesländer in denen es zwar vom Gesetz her die Möglichkeit gäbe einen Antrag zu stellen, dieser jedoch faktisch keine Chance auf Erfolg hat. Diese Unstimmigkeiten führen dazu, dass viele Sondengänger gänzlich auf die Beantragung einer Genehmigung verzichten und automatisch unter die Definition eines Raubgräbers fallen, wenn sie ihrer Beschäftigung nachgehen.

Die Situation ist daher differenziert zu betrachten und viele Medien machen es sich sehr einfach, wenn sie von Raubgräbern sprechen und diese in einem Absatz mit Grabräubern in Ägypten, Libyen und Syrien nennen. Ganz sicher zeigt der Fall des „Barbarenschatzes“, dass sich ein unbelehrbarer Sucher rücksichtslos verhalten hat. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass Sondengänger allgemein verteufelt werden. Für eine Verbesserung der Lage wäre es notwendig die gesetzlichen Vorschriften bundesweit anzupassen und darin ein festes Genehmigungsverfahren zu integrieren. Das schafft Rechtssicherheit bei denjenigen, die aus geschichtlichem Interesse heraus aktiv die Arbeit von Archäologen und Denkmalbehörden unterstützen wollen. Die Motivation derjenigen zu bestrafen, die freiwillig einen positiven Beitrag für Wissenschaft und Forschung leisten, scheint sachlich jedenfalls falsch und verfassungsmäßig fragwürdig.

Raubgräber hat es zu jeder Zeit gegeben. Die Unbelehrbaren, welche sich aus persönlichen Gründen gegen eine Zusammenarbeit mit Archäologen und Denkmalbehörden sperren, wird es auch weiterhin geben. Genauso wie sich Bankräuber nicht an Gesetze halten, gibt es auch in der Szene der Sondengänger immer wieder die berühmten schwarzen Schafe. Jedoch ist ein Metalldetektor, wie auch eine Schaufel, lediglich ein technisches Hilfsmittel. Dieses gehört nicht in die Hände eines Hotzenplotz, sondern in die eines verantwortungsbewussten, genehmigten Sondengängers, der mit Archäologen und Denkmalbehörden zusammenarbeitet und die von ihm gemachten Funde meldet.


Hendrik Altmann









Montag, 17. Februar 2014

CZ am 17. Februar 1943 - zwischen Ohnmacht und Selbsterkenntnis

Bild: Cellesche Zeitung am 17. Februar 1943. 
Quelle: CZ 17.02.1943. 



Gegen Anfang des Jahres 1943, also etwa um diese Zeit vor 71 Jahren, war es zu einer tragischen Wendung im Zweiten Weltkrieg gekommen. Die 6. Armee unter Führung des Generals der Panzertruppe Friedrich Paulus, war in Stalingrad an der Wolga eingekesselt worden. Nach einem vergeblichen Kapitulationsangebot, welches der deutschen Armeeführung am 10. Januar unterbreitet wurde, kam es in den folgenden Tagen zu einer sowjetischen Großoffensive. Die fast völlig verwüstete Stadt fiel, hunderttausende Soldaten fielen oder gerieten in Gefangenschaft. Aus historischer Sicht kam der Schlacht vor allem deswegen eine so erhebliche Bedeutung zu, da sie für viele den beginnenden Zusammenbruch des Dritten Reiches markierte. 


Bild: Sowjetische Soldaten im zerstörten Stalingrad. 
Quelle: RIA Novosti archive, image #602161 / Zelma / CC-BY-SA 3.0 (Wikipedia)


Nicht nur die militärischen Verluste an Soldaten und Gerät wogen auf deutscher Seite schwer. In der Heimat kam die deutsche Führung erstmals massiv in die Situation sich zu rechtfertigen - schließlich konnte man sich keine Schwäche gegenüber dem Feixnd eingestehen. 

Als am 17. Februar 1943 folgende Artikel in der Tagesausgabe der Celleschen Zeitung erschienen, kämpften immer noch versprengte deutsche Truppen in Stalingrad. Doch die Schlacht war verloren, zumal sich Paulus am 31. Januar 1943 in sowjetische Gefangenschaft begeben hatte. Vor allem in den unterirdischen Kanälen der Stadt wurde noch mehrere Wochen weitergekämpft. 

Davon stand natürlich nichts in einer deutschen Tageszeitung. Hier wurde der verlustreiche Ausgang der Schlacht um Stalingrad glorifiziert. 

Es war wohl die Rede von einem "verstärkten Widerstand" im Osten, im Hauptartikel der Titelseite vom 17. Februar 1943 wurde der Name "Stalingrad" aber nicht ein einziges Mal erwähnt. Es findet sich eine sachlich-nüchterne Beschreibung der Lage aus dem Führerhauptquartier, bekanntgegeben vom Oberkommando der Wehrmacht. 

Darin werden u.a. die Kämpfe im Kuban- und im Donezgebiet erwähnt. Auch die Räume um Krakau und Kursk werden dahingehend mit "zähen" und heftigen Feindeinwirkungen umschrieben - diese seien aber, laut Bericht, bereits zurückgeschlagen worden. 

Auch die Regionen des Wolchow und Ladogasees, sowie südöstlich des Ilmensees werden erwähnt. Besonders in der letztgenannten war es bereits zuvor zu einer weiteren Einkesselung deutscher Truppen im Raum Demjansk gekommen, die jedoch durch eine immens aufwändige Luftbrücke stabilisiert werden konnte. Eine Taktik, die in Stalingrad nicht mehr geholfen hat. (Bild zum Vergrößern anklicken!)



Bild: Artikel "Verstärkter Widerstand im Osten" 
Quelle: CZ 17.02.1943. 



Wie sollte man also mit der Katastrophe von Stalingrad medienwirksam umgehen, ohne sich das eigene Unvermögen, nicht mehr Herr über die Lage zu sein, eingestehen zu müssen? 

Wie so oft, besann man sich auf die Geschichte und suchte nach Vergleichen. Die Schlacht sollte nicht als tragischer Wendepunkt, sondern als Beginn eines neuen Aufbegehrens glorifiziert werden. "Nun gerade!", lautete die Botschaft, welche der einstige Artikel auf der Titelseite der Zeitung verkündete. 

 "Nun gerade!" - dieser trotzige Ausspruch richtete sich nun an diejenigen, die durch die Ereignisse im Osten von beginnender Furcht ergriffen wurden. 

Friedrich der Große, Scharnhorst und Blücher sind nur einige, die für diese Propaganda herhalten mussten. Mit anderen Worten sagt der Artikel im Grunde aus, dass jeder große Feldherr Verlusten offensiv gegenübertreten muss, um dann später wieder siegreich zu sein. Schnell ist dabei natürlich auch die Parallele zur verlorenen Schlacht in Stalingrad gezogen. 

Anders als zu Zeiten Friedrichs des Großen richtete sich dieser Aufruf nun aber auch an die Zivilbevölkerung. "Jeder, ob Mann, ob Frau, Ob Junge oder Mädel" solle sich nach Leibeskräften anstrengen, sich nun erst recht für die Kriegsziele und Politik des Dritten Reiches einzusetzen. Und wie praktisch: die Gleichschaltung des Bürgers und innere Organisationsstruktur des Reiches macht es einem jeden auch sehr leicht möglich sich nach Leibeskräften anzustrengen. 

Vom Ausgang dieser Bestrebungen allein sei es abhängig, ob man mit dem Namen "Stalingrad" Niederlage oder Sieg verbindet, so der Autor in seinem Artikel. Wie man vor dem Hintergrund hunderttausender gefallener und vermisster Soldaten von einem Sieg sprechen kann, scheint an dieser Stelle mehr als fraglich. 

(Bild zum Vergrößern anklicken!)

Bild: Artikel "Nun gerade!" 
Quelle: CZ 17.02.1943. 



Ganz ohne Erfolge wollte man den Leser freilich nicht alleine lassen. So wurden aus den mickrigsten und für den Kriegsverlauf belanglosesten Meldungen auf einmal schlachtentscheidende Nachrichten. Und gab es auch solche nicht, musste eben die Kreativität des Schreibers herhalten und entsprechende Nachrichten oder Geschichten in den Verlauf der aktuellen Entwicklungen einbetten. 


So auch in diesem Fall, in dem von "Heldentaten in schwerer Winterschlacht" die Rede ist. 

Nur aufgrund fehlender Orts- und Eigennamen, sowie Regimentsbezeichnungen und Rängen, erkennt man, dass es sich hier um reine Fiktion handelt. Der vorliegende Artikel beschreibt anschaulich wie sich Grenadiere unter widrigsten Umständen kriegsheldenhaft gegen den Feind zur Wehr setzen. Die Betonung liegt zumeist auf der Unterordnung des persönlichen Schicksals gegenüber der Truppe. Gemäß dem Spruch "der Zweck heiligt die Mittel" wird beschrieben, wie sich einzelne Soldaten schonungslos gegen den Feind stellen. 

Anders als in der Realität ist hier noch von konsequenten Vorwärtsbewegungen die Rede. Dass sich die deutschen Heeresgruppen zu dieser Zeit an fast kaum einer Stelle mehr in solchen Vorwärtsbewegungen befanden, wird im Artikel selbstverständlich nicht erwähnt. Die Wirklichkeit sah an den meisten Orten völlig anders aus: unzureichende Mittel an Waffen, Ausrüstung und Verpflegung lähmten die Truppen. Das Wetter in Form von Eis und  Schnee, sowie unüberwindbarem Schlamm bei Tauwetter, machten größere Angriffsbewegungen quasi unmöglich. 

Das alles konnte man natürlich nicht in einer Zeitung in der Heimat schreiben. Daher mussten derartige Heldengeschichten herhalten - inspiriert von Einzelschicksalen oder reiner Fiktion.  

(Bild zum Vergrößern anklicken!)

Bild: Artikel "Heldentaten in schwerer Winterschlacht!" 
Quelle: CZ 17.02.1943. 


Bild: 329. Inf. Div. an der Ostfront.  
Quelle: H. Kaune. 



Und während das Heer im Osten unter massiver Feindeinwirkung und schlimmen Witterungsverhältnissen vielerorts um das blanke Überleben kämpfte, schlug die deutsche Propagandaführung in der Heimat ganz andere Töne an. Reichspropagandaminister Josef Goebbels prägte bei seiner Rede im Berliner Sportpalast am 18. Februar 1943 den Begriff des "totalen Krieges". 

Bereits am 17. Februar 1943, also einen Tag vor der berüchtigten Rede im Sportpalast,  berichtete die Cellesche Zeitung über Maßnahmen im Artikel "Alle Kräfte für den totalen Krieg". Darin beziehen Goebbels und Funk (Reichswirtschaftsminister) Stellung zu der Frage nach der Stilllegung nicht kriegswichtiger Produktionen. 


Bild: Artikel "Alle Kräfte für den totalen Krieg" (Bild zum Vergrößern anklicken!)
Quelle: CZ 17.02.1943.  


Die damit verfolgte Intention ist eindeutig: es sollten alle Kapazitäten auf den Krieg ausgerichtet werden. Kriegsnotwendige Produktionen sollten daher Versorgungsvorrang erhalten und die Arbeitskräfte in relevante Industrien umgegliedert werden. Die Verkleinerung des Verwaltungsapparates und die Ausrichtung auf das einheitliche Ziel, den Krieg vehement und unter Einsparung alles "Unnötigen" doch noch einmal zu den eigenen Gunsten zu wenden, sollte dabei im Vordergrund stehen. Schließlich wusste wohl auch Goebbels, dass er in seiner Rede am darauffolgenden Tag schier Unfassbares von seinen Zuhörern verlangte. 

Derartige Verlautbarungen in den Tageszeitungen des Reiches sollten wohl dafür sorgen, dass zumindest leichtgläubige Bürger davon der Propaganda Glauben schenkten. Realistisch kann ein solches Vorhaben, welches massive wirtschaftliche Eingriffe erforderte, nicht als aussichtsreich bewertet werden. 

Aber wer wollte zu dieser Zeit schon wissen, was realistisch war? 

Man kann die Nachrichten, welche in den dargestellten Artikeln auch die Celler Bürger erreichten, nur als Zustandsberichte zwischen Ohnmacht und Selbsterkenntnis deuten. Einerseits wog die Niederlage in der Schlacht um Stalingrad zu groß, um eine solche Nachricht wirklich für die eigene Medienlandschaft zu nutzen. Der Versuch, darin die Opferbereitschaft des eigenen Volkes zu glorifizieren scheint vor dem Hintergrund der Ereignisse völlig unpassend. Andererseits sollte bei den Bürgern "nun gerade" die Selbsterkenntnis zur eigenen Opferbereitschaft gefördert werden. 


Viele Grüße, 

Hendrik. 






Montag, 10. Februar 2014

Eine kleine Fabrikgeschichte...


In Celle finden sich vielerorts die Relikte vergessener Tage. Darunter sind viele, die das einstige Firmen- und Geschäftsleben der Stadt prägten. Es finden sich zahlreiche außergewöhnliche Berufe. Unter anderem verfügte Celle einst über drei Glasmalereien, zwei Handschuhmacher, einen Lotterie-Einnehmer und sogar zwei "Mosaik-Fußbodenmacher". 

Nicht genug mit diesen, heute verschwundenen Berufen - Celle besaß einst eine Bürstenfabrik, welche sich an der Stelle eines Teilbereiches der alten Schirmfabrik befunden hat. Das hört sich doch schon einmal sehr kurios an, oder? 

Wo lag die alte Bürstenfabrik? Was befand sich dort vorher? Was hat es mit der Schirmfabrik auf sich? Dank einer einzigartigen Foto-Spende kann an dieser Stelle ein anschauliches Bild der Gebäude und ihrer Geschichte vermittelt werden. 



Die ganze Geschichte… 


Im Jahr 1836 ließ sich der Fabrikant Wilhelm Hugo aus Hildesheim in Celle nieder. Er eröffnete die erste fabrikmäßige Schirmproduktion in der Zöllnerstraße. Bereits in den Anfangsjahren wuchs sein Unternehmen beachtlich. Im Jahr 1849 beschäftigte Hugo ca. 70 Arbeiter und bezog seine Rohstoffe dabei aus vielen, der damals bedeutenden Mode- und Industrienationen (z.B. Frankreich, Italien, England, Schweiz). Die Erzeugnisse der Schirmproduktion (Sonnen- und Regenschirme) wurden zu gut zwei Drittel ins Ausland versandt - besonders nach Amerika. 

Vierzehn Jahre nach der Gründung mitten in Celle, wurde die Fabrik Anfang 1850 an die Blumenlage 129 verlegt. Der Betrieb in der Innenstadt war einfach den Anforderungen nicht mehr gerecht - ein größeres Gelände musste her. 

Bild: Hugo'sche Schirmfabrik an der Blumenlage. (Blick aus Richtung des Italienischen Gartens)
Quelle: F.G. Müller in C. Cassel, Die Geschichte der Stadt Celle. 


In der Fabrik an der Blumenlage wurden erstmals Maschinen zur Produktion der Schrime eingesetzt. Einige davon hatte Wilhelm Hugo selber entwickelt. Ab 1860 wurden diese Maschinen mit Dampfkraft betrieben (10-Pferdige Dampfmaschine!). Die Expansion zahlte sich aus: in Jahr 1870 stand die Celler Schirmproduktion in ihrer vollen Blüte. Es waren ca. 1.100 Arbeiter, teils auch in Heimarbeit, beschäftigt. Celle war damit Hauptsitz der weltweiten Schirmproduktion! 

Im Jahr 1869 wurde die Fabrik nochmals erweitert. Hugo erwarb dazu die Grundstücke "Im Kreise" mit der Nummer 1, 3 und 4. Dort wurden fortan die Holz- und Stahlproduktion bzw. die jeweiligen Fertigungsschritte angesiedelt. Hugo ließ in Celle alle Bestandteile seiner Schirme selber fertigen. Da die früheren Holzkonstruktionen der schirme mehr und mehr durch "moderne" Stahlbestandteile ersetzt wurde, musste Hugo expandieren. So wurden "Im Kreise" die nötigen Komponenten gefertigt. 

Bild: Die Gebäude "Im Kreise" Nummer 1, 3 und 4 zählten einst zur Schirmfabrik. 
Quelle: Preuß. Landesaufnahme von 1899. 


Im Jahr 1872 wurde die Schirmfabrik in ein Aktienunternehmen umgewandelt. Beim Gang an die Börse stand das Unternehmen in seiner Blüte und Wilhelm Hugo auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Die ca. 1.100 Arbeiter fertigten jeden Tag ungefähr 150 Schirme, welche in die ganze Welt verschickt wurden. 

Im Jahr 1868 war es bereits zu einem Streik des "allgemeinen deutschen Arbeitervereins" gekommen. 1881 waren nur noch etwa 500 Arbeiter in der Fabrik beschäftigt. Dies lag unter anderem an der stetig fortschreitenden Industrialisierung. Im Jahr 1884 verstarb  Wilhelm Hugo. 1892 folgten weitere Streiks in der Schirmfabrik. 

Bild: Portrait Wilhelm Hugos auf seinem Gedenkstein. 
Quelle: Bernd Schwabe, Wiki-Commons. 


Schon im Jahr 1900 wurde das Unternehmen insolvent und meldete Konkurs an. Es wird angenommen, dass man sich bei der Produktion verspekuliert hatte. Die Vorgabe, alle Bestandteile der Schirme selber herzustellen, ohne dabei auf Kostendeckung und die möglichen Vorteile einer Fremdfertigung zu achten, wirkte sich anscheinend negativ auf die Umsätze aus. Der Drang Wilhelm Hugos zur Eigenproduktion in seiner Fabrik ging so weit, dass man sich in Celle darüber lustig machte. Einige spotteten Hugo halte sich auf der Aller ein Walpärchen, um die Produktion an Fischgräten aufrecht zu erhalten. 

Ein weiterer Grund für die entstandenen Schwierigkeiten war wohl, dass man versäumte rechtzeitig entsprechende Patente auf die Produkte eintragen zu lassen. So konnten andere Unternehmen auf den Markt drängen und die Celler Schirme imitieren. 

Zwei kaufmännische Beamte der Schirmfabrik, nämlich ein Kassierer und ein Vertreter gründeten eine eigene Schirmproduktion in Celle. Sie firmierte unter dem Namen "Kaufmann & Nolte", nach ihren Gründern und hatte ihren Sitz in der Schuhstraße 7. Die Firma, welche vor allem für den ausländischen Markt produzierte siedelte bereits 1894 nach Hannover um. 


Bild: Gedenkstein Wilhelm Hugos auf dem Friedhof der kath. Kirche in Celle. 
Quelle: Bernd Schwabe, Wiki-Commons. 


Bereits im Jahr 1907 findet sich im Celler Adressbuch ein neuer Eintrag für einen Teil der ehemaligen Schirmfabrik. Das Gebäude in der Straße "Im Kreise" Nummer 4 wird nun einem Fabrikanten Kurt Bonorden und einem Fabrikanten Wilhelm Borchers, beide anteilige Inhaber der "Celler Bürstenfabrik" zugeordnet. 

Ein Verweis auf Borchers Privatwohnung ist auch vorhanden: Fritzenwiese 48E. 



Bild: Celler Bürstenfabrik, "Im Kreise" Nummer 4 - ehemaliger Teil der Schirmfabrik. 
Quelle: Preuß. Landesaufnahme von 1899 / Google Earth. 


Bild: Celler Bürstenfabrik, "Im Kreise" Nummer 4 - ehemaliger Teil der Schirmfabrik. 
Quelle: Google Earth. 


Auch die Celler Bürstenfabrik existiert heute nicht mehr. Über die wirtschaftlichen Umstände sei an dieser Stelle nichts erwähnt, zumal die Fabrik über den Zweiten Weltkrieg hinaus existierte, soll dies auch nicht Gegenstand der historischen Betrachtung sein. 

Im Jahr 2006 erwarb die Firma FB-Immoblien das Gelände "Im Kreise" Nummer 4. Die Halle, welche auf der Rückseite des Hauptgebäudes stand, wurde abgerissen. In Absprachen mit der Stadt Celle konnte im Jahr 2008 das geplante Neubau-Konzept verwirklicht werden. Zwar wurde das Gebäude entkernt und komplett saniert, um darin hochwertige Eigentumswohnungen zu schaffen. Jedoch blieben wichtige Elemente der Außenfassade, wie der markante Giebel, erhalten. Mehr dazu: Hier . 


Bilder der Bürstenfabrik...


Kürzlich sind bisher unbekannte Aufnahmen der ehemaligen Celler Bürstenfabrik aufgetaucht. Sie zeigen die Fabrik in der Nachkriegszeit von Innen und von Außen. Es freut mich sehr, diese seltenen Aufnahmen eines vergessenen Fabrikgebäudes an dieser Stelle zeigen zu dürfen. Die Aufnahmen waren bei Aufgabe der Bürstenfabrik herrenlos geworden, da sie auf dem Müll gelandet waren. So fand Andreas F. die Aufnahmen und zumal er sich zu dieser Zeit sehr für das Thema Fotografie interessierte, nahm er die Bilder, die offensichtlich niemand mehr haben wollte, mit. Vor Kurzem gab er mir die Aufnahmen. An dieser Stelle nochmals vielen Dank dafür! 

Bild: Celler Bürstenfabrik "Borchers & Bonorden" Im Kreise Nummer 4. 
Quelle: unbekannter Fotograf, Bilder im Eigentum von Hendrik Altmann. 


Bild: Celler Bürstenfabrik "Borchers & Bonorden" Im Kreise Nummer 4. 
Quelle: unbekannter Fotograf, Bilder im Eigentum von Hendrik Altmann. 


Bild: Celler Bürstenfabrik "Borchers & Bonorden" Im Kreise Nummer 4. 
Quelle: unbekannter Fotograf, Bilder im Eigentum von Hendrik Altmann. 


Bild: Celler Bürstenfabrik "Borchers & Bonorden" Im Kreise Nummer 4. 
Quelle: unbekannter Fotograf, Bilder im Eigentum von Hendrik Altmann. 


Bild: Celler Bürstenfabrik "Borchers & Bonorden" Im Kreise Nummer 4. 
Quelle: unbekannter Fotograf, Bilder im Eigentum von Hendrik Altmann. 



Bild: Maschinen der Celler Bürstenfabrik "Borchers & Bonorden" Im Kreise Nummer 4. 
Quelle: unbekannter Fotograf, Bilder im Eigentum von Hendrik Altmann. 





Bild: Maschinen der Celler Bürstenfabrik "Borchers & Bonorden" Im Kreise Nummer 4. 
Quelle: unbekannter Fotograf, Bilder im Eigentum von Hendrik Altmann. 



Bild: Maschinen der Celler Bürstenfabrik "Borchers & Bonorden" Im Kreise Nummer 4. 
Quelle: unbekannter Fotograf, Bilder im Eigentum von Hendrik Altmann. 



Bild: Maschinen der Celler Bürstenfabrik "Borchers & Bonorden" Im Kreise Nummer 4. 
Quelle: unbekannter Fotograf, Bilder im Eigentum von Hendrik Altmann. 



Bild: Maschinen der Celler Bürstenfabrik "Borchers & Bonorden" Im Kreise Nummer 4. 
Quelle: unbekannter Fotograf, Bilder im Eigentum von Hendrik Altmann. 



Bild: Maschinen der Celler Bürstenfabrik "Borchers & Bonorden" Im Kreise Nummer 4. 
Quelle: unbekannter Fotograf, Bilder im Eigentum von Hendrik Altmann. 



Ein Rätsel zum Schluss...


Das folgende Bild lag den Aufnahmen der ehemaligen Bürstenfabrik bei. Es könnte sich dabei um Wilhelm Borchers und seine Familie handeln. Die Gebäudefront im Hintergrund scheint gut zu den Gebäuden in der Celler Fritzenwiese zu passen. 

Vielleicht wird sich das demnächst klären lassen, zumal viele der angesprochenen Bilder bisher als Negative vorliegen. Es bleibt also spannend! 

 
Bild:  Wilhelm Borchers mit Familie? 
Quelle: unbekannter Fotograf, Bilder im Eigentum von Hendrik Altmann. 


Wenn noch jemand weitere Informationen zur Schirmfabrik oder zur Bürstenfabrik besitzt, kann er / sie mir gerne eine Nachricht hinterlassen, oder eine E-Mail an found-places@live.de schreiben. Antwort garantiert. 

Wenn jemand bei sich noch alte Bilder, oder Negative aus Kriegs-/Vorkriegszeiten hat, dann würde ich mich ebenfalls sehr über einen Kontakt freuen. Es ist heute kein Problem diese Bilder in guter Qualität zu entwickeln und gleichzeitig digital zu speichern. Ich würde mich sehr freuen, wenn der eine oder andere noch solche Bilder besitzt. Ich recherchiere gerne die dazugehörige Geschichte und die Original-Bilder / Negative bleiben natürlich beim Eigentümer, wenn dies gewünscht ist! 


Viele Grüße, 
Hendrik Altmann





Samstag, 1. Februar 2014

Schanze im Wald bei Lachendorf

Bild: Schanze bei Lachendorf.
Quelle: Google Earth.



In der Nähe des alten Postweges findet sich bei Lachendorf eine alte Schanze im Wald. Das  quadratische Objekt besteht aus einem ca. 50 cm tiefen, 40m langen Graben und einem umlaufenden, aufgeworfenen Wall, der stellenweise eine Höhe von etwas mehr als einem Meter aufweist. 

Auf alten Karten ist die Schanze bereits verzeichnet. 


Bild: Schanze bei Lachendorf. 
Quelle: preußische Landesaufnahme 1899. 


Bild: Schanze bei Lachendorf. 
Quelle: preußische Landesaufnahme 1899 / Google Earth.  


Dabei ist unklar aus welcher Zeit dieses alte Schanzwerk stammt. Steht es in Verbindung zum alten Exerzier-Platz (Click), der sich weiter im Osten anschließt? Möglich wäre es…

Auf älteren Karten ist die Schanze zumindest nicht eingetragen (z.B. Kurhannoversche Landesaufnahme von 1780). 


Bild: Schanze bei Lachendorf. 
Quelle: brit. Militärkarte 1945. 


Dass es sich bei dem Objekt um eine Schanze handeln muss, ist anhand der Beschaffenheit der Wälle wohl sehr wahrscheinlich. Die Ausmaße würden zwar ebenso zu einem Bienenzaun (click) passen: Länge und Breite liegen bei ca. 40m. Aber die hohen Wälle und vorgelagerten Gräben sprechen sehr für einen fortifikatorischen, d.h. militärischen Hintergrund der Anlage. 



Bild: Schanzwälle bei Lachendorf. 
Quelle: © Hendrik Altmann. 



Bild: Schanzwälle bei Lachendorf. 
Quelle: © Hendrik Altmann. 



Bild: Schanzwälle bei Lachendorf. 
Quelle: © Hendrik Altmann. 



Bild: Schanzwälle bei Lachendorf. 
Quelle: © Hendrik Altmann. 



Bild: Schanzwälle bei Lachendorf. 
Quelle: © Hendrik Altmann. 



Bild: Schanzwälle bei Lachendorf. 
Quelle: © Hendrik Altmann. 



Bild: Schanzwälle bei Lachendorf. 
Quelle: © Hendrik Altmann. 



Bild: Schanzwälle bei Lachendorf. 
Quelle: © Hendrik Altmann. 



Hintergründe…


Bislang ist nicht erforscht aus welcher Zeit dieses Objekt stammt und wozu es einst gedient haben könnte. Es weist Merkmale eines alten Schanzwerk auf. 

Bei der Datierung kommen unterschiedliche Faktoren zum Tragen. Zum einen ist zu bedenken, dass dieses Gelände nicht immer bewaldet gewesen ist. Die Kurhannoversche Landesaufnahme zeigt noch die weiten Flächen der Allerheide südlich von Lachendorf und nördlich von Oppershausen. 

Östlich des Walles, in etwa 500m Entfernung, beginnt das Gelände des alten Exerzier-Platzes. Es ist möglich, dass zwischen beiden Objekten ein Zusammenhang besteht. Der Exerzierplatz wurde von der königlich-hannoverschen Armee bis 1866 und später von der preußischen Armee genutzt. U.a. wurden dort Manöver zu Pferde durchgeführt. In den Unterlagen der alten Gemeinde Offensen/schwachhausen finden sich zahlreiche Unterlagen über die Einquartierung von Soldaten. 

Trotzdem lässt sich nicht abschließend festhalten, dass die Schanze aus der Zeit zwischen 1800 und 1850 stammen muss. 

Aus Süd- und Mitteldeutschland sind solche Viereckschanzen noch aus einem anderen Zusammenhang bekannt. Man nimmt an, sie stammen aus keltischer Zeit (Eisenzeit: 1200 - 1000 v. Chr. ).  Die Wälle und Gräben dienten dazu einzelne Höfe zu schützen.  


Bild: Viereckschanze Rekonstruktion. 
Quelle: hgv-ehningen


Die Ausmaße der einstigen Schutzanlagen sind jedoch im Regelfall größer (80m und mehr), als es bei dem Wall bei Lachendorf der Fall ist (40m). Daher lässt sich zumindest dies vorerst ausschließen. Dennoch könnte es sich auch um eine kleinere Schutzanlage handeln. 

Allerdings hatten die Schutzanlagen im Celler Raum meist runde Form (z.B. Burg in Wahrenholz, Nordburg, Ringwall in Burg, etc.). Diese Anlagen stammen aus dem frühen Mittelalter und stellen die ältesten Schutz- und Verteidigungsanlagen im Landkreis dar. Von daher spricht einiges gegen einen Zusammenhang des Walles / Schanzwerkes bei Lachendorf zu einer alten Burganlage. 

Bleibt die Vermutung, dass es sich um eine Schanze aus Kriegszeiten (Siebenjähriger Krieg, Dreißigjähriger Krieg) oder zu Manöverzwecken handelt. 


Bild: Schanzwälle bei Lachendorf. 
Quelle: LGLN. 


Ein Bauer aus Oppershausen erzählte mir einmal eine spannende Geschichte, die er von seinen Vorfahren überliefert bekommen hatte. Auch andere im Ort kennen diese Geschichte wohl. Es heißt, dass sich einst Soldaten nördlich von Oppershausen in eine gefährliche Lage gebracht hatten. Der Feind soll ihnen auf den Fersen gewesen sein. Nur durch eine glückliche Wendung konnten sie letztlich entkommen und sich "retten". Näheres ist nicht bekannt. Die Gegend nördlich von Oppershausen erhielt daher einige namentliche Hinweise auf dieses Ereignis. So finden sich dort noch heute viele Flurnamen die etwas mit "retten" zu tun haben. Z.B. die Flur "Rettkamp" und "Retthorn". 

Friedrich Barenscheer deutete den Flurnamen in seinem Flurnamenbuch anders. Er nimmt an der Name lässt sich auf "Reet" bzw. "Riet", also Riedgras, zurückführen. Demnach wären die Flächen so benannt worden, weil dort ein bestimmtes Gras wuchs (Reed diente früher u.a. zum Dachbau). Ob Barenscheers Deutung korrekt ist, können wir heute schwer beurteilen, denn nach etlichen Eingriffen in die Natur, ist dort heute nichts mehr so wie früher. Flurbezeichnungen wie "im Moore", die direkt neben dem Retthorn liegen, deuten aber darauf hin, dass Barenscheers Vermutung richtig war. Reed wächst mit Vorliebe dort, wo genügend Feuchtigkeit vorhanden ist. 

Aufgrund der strategisch ungünstigen Lage - mitten auf der alten Allerheide und alleine auf weiter Flur - kann man fast ausschließen, dass diese Anlage militärisch für Verteidigungszwecke erbaut wurde.  

Viel wahrscheinlicher ist, dass es sich um eine Anlage in Zusammenhang mit Manövern auf dem alten Exerzierplatz handelt. Auch eine zivile Nutzung (evtl. Bienenzaun) kann bis auf weiteres nicht gänzlich verneint werden. 

Zur Klärung dieser Fragen müssten vor Ort Grabungen oder geo-magnetische Messungen erfolgen. Diese könnten vielleicht Aufschluss über im Boden verborgene Strukturen liefern. Anhand von entsprechenden Funden könnte man weitere Überlegungen anstellen. 


Viele Grüße, 
Hendrik