f März 2014 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Montag, 31. März 2014

Die "Petersburg" in Celle - Naherholung vor über hundert Jahren

Einige geschichtlich interessierte werden den Namen "Petersburg" in Celle noch kennen. Was auf den ersten Blick den Anschein einer alten Festungsanlage erweckt, hat mit einer "Burg" jedoch nichts gemein. Es handelte sich dabei um einen beliebten Anlaufpunkt für Tagesausflüge bei Celle. 

Im Jahr 1868 gründete ein Unternehmer namens Peters einen Kaffee- und Konzertgarten im nördlichen Teil der Stadt. Heute würde wohl kaum jemand auf den Gedanken kommen, einen Konzertgarten in unmittelbarer Nachbarschaft zur Fernbahn zu errichten. 

Vor 150 Jahren, als die Bahnstrecke Hannover -Hamburg gerade erst eröffnet worden war, hatte sie wohl aber noch einen sehr romantischen Touch für die Menschen. Dies war nicht zuletzt der Grund, warum der Gartenmeister Schiebler in Celles Norden seine Betriebe direkt an der Bahn ansiedelte und sogar dort seine private Grabstätte errichten ließ (siehe hier: Klick). Die Bahn wurde einst noch als sehr fortschrittlich gesehen und nicht als störend empfunden
Bild: "Petersburg" an der Bahnstrecke bei Celle
Quelle: Postkarte. 


Zu jener Zeit, in der das deutsche Vereinswesen sich blühte, gründete Peters seinen Kaffe- und Konzertgarten. Dieser verfügte über eine Veranda mit Blick auf die Bahnstrecke, Gesellschaftsräume und einen Konzertsaal im hinteren Bereich des Grundstücks. Bald schon kamen Erweiterungen hinzu: ab 1880 wurde hier der erste Krocket-Platz in Celle eröffnet. Hinzu kamen auch Tennisplätze (ab 1905), eine Kegelbahn, ein Schießstand und ein weitläufiger Spielplatz mit allerlei Geräten für die jüngeren Besucher. Bald schon firmierte das Ausflugslokal unter dem Spitznamen "Petersburg". 

Bild: Kartenausschnitt von 1942, die das einstige Ausflugslokal zeigt. 
Quelle: Messstichblatt 1942, Google Earth. 


Im Jahr 1897 eröffnete die angrenzende Radrennbahn. Der er Celler Radfahrverein "Cellensia" nutzte diese regelmäßig und da auch andere Celler Vereine die Petersburg für ihre sportlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten nutzten, blühte die Wirtschaft bis zur Jahrhundertwende auf. 

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts flaute das Geschäft ab. Im Ersten Weltkrieg musste ein großer Veranstaltungssaal als Lazarett dienen. Bereits 1924 wurde der Betrieb eingestellt und die Gebäude wurden nach und nach abgerissen. 

Heute erinnert an das einst beliebte Ausflugsziel lediglich der Name der Celler "Petersburgstraße" 

Bild: Ausflugsziel Petersburg im Norden Celles in den 20er Jahren.
Quelle: Postkarte.


Viele Grüße, 

Hendrik

Samstag, 29. März 2014

Das verlassene Korpsdepot 168 bei Höfer

Bild: ein verlassener Bunker. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Wenn man die Kreisstraße 73 von Höfer in Richtung Scharnhorst fährt, fällt einem sofort der mit Maschen- und Stacheldraht eingezäunte Bereich hinter der Siedlung am Aschenberg auf. Was hat es damit auf sich? 

Auf aktuellen Satellitenbildern erkennt man schnell, dass es sich um eine militärische Anlage handeln muss. Und so ist es auch. Am Aschenberg befand sich bis in die 90er Jahre  das Korpsdepot 168 der Bundeswehr. Diese gab das Depot im Jahr 1998 endgültig auf. Nach Schließung wurde die Liegenschaft an einen privaten Investor verkauft. Heute befindet sich das Gelände in Besitz eines Unternehmens das Sand abbaut. 

Auf Nachfrage bei dem Unternehmen wurde es leider nicht gestattet den Bereich des ehemaligen Korpsdepots zu betreten. Laut Auskunft vor Ort hieß es von den ehemaligen militärisch genutzten Bereichen ginge immer noch Gefahr aus und es sei daher seitens der Behörden verboten diese Bereiche zu betreten. Zumal das Gelände nicht mehr bewacht wird und nicht mehr durch die Bundeswehr genutzt wird, werden dort auch keine gefährlichen Objekte mehr gelagert werden. Auch wenn diese Aussage also recht fragwürdig erscheint, muss man dennoch die private Nutzung des Geländes respektieren. Alles andere wäre Hausfriedensbruch...

Weiterhin erklärte man mir, dass es ohnehin dort nichts zu sehen gäbe. Das stimmt vermutlich auch - alles was es zu sehen gibt, kann man auch vom Zaun aus sehen. Die restlichen noch erhaltenen Gebäude lassen sich im Kontext der Satellitenbilder erklären. 


Bild: Korpsdepot 168 nördlich von Höfer. 1) Depotbereich. 2) Zufahrt und Gebäudebereich. 
Quelle: Google Earth. 


Bild: Korpsdepot 168 nördlich von Höfer. 17 Depotbunker - zwei verschiedene Typen.  
Quelle: Google Earth. 


Auf dem Gelände befindet sich zum einen ein Depotbereich im Norden und zum anderen ein kleinerer Bereich in dem Gebäude stehen. Die Zufahrt ist auf die Kreisstraße 73 gerichtet. 

Bild: Korpsdepot 168 nördlich von Höfer. Gebäudebereich. 
Quelle: Google Earth. 


1) Zufahrt
2) Kleines Verwaltungsgebäude
3) Latrinen
4) Garagen
5) Lagerhalle
6) Ehrenmal (entmilitarisiert --> aufgegeben?) 


Auf den Satellitenbildern erkennt man weitere, im Gelände befindliche Strukturen. Diese stammen aber nicht von Bunkern oder Gebäuden, sondern wohl von Resten der  ehemaligen Luftmunitionsanstalt Höfer, die sich früher in unmittelbarer Nähe befand. 

Im Depotbereich im Norden des Geländes befinden sich 17 Depotbunker. Zwei unterschiedliche Bunkertypen sind erkennbar - auch auf den Satellitenbildern. Die Bunker sind mit einem Tarnanstrich versehen und unter Erdhügeln getarnt. Einziger Zugang zum Bunkerinnern ist eine massive Schiebetür an der Vorderseite eines jeden Bunkers. 

Bild: Depotbunker. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Depotbunker. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Depotbunker. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Depotbunker. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Depotbunker. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Depotbunker. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Depotbunker. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Depotbunker. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Depotbunker. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Depotbunker. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Depotbunker. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Wie es um die Sicherheit des Geländes bestellt ist, zeigt der marode "Sicherheitszaun". An manchen Stellen sind Bäume darauf gefallen, teilweise laufen Wildwechsel durch den Zaun und an anderen Stellen ist der Zaun einfach abgerissen. Trotzdem sollten diese "Lücken" nicht ausgenutzt werden, um das Gelände zu betreten. Wie bereits eingangs erwähnt, kann man sich dadurch eine Anzeige wegen Hausfriedensbruches einhandeln! 

Bild: Kaputter Sicherheitszaun am Korpsdepot 168. 
Quelle: Hendrik Altmann. 



Viele Grüße, 

Hendrik





Ausgrabungen Altencelle am 28.03.2014

Die Nachforschungen an der ersten Untersuchungsfläche konnten abgeschlossen werden. In einem Längsschnitt durch die Fläche wurden mehrere Befunde untersucht - auch mittelalterliche Fundobjekte kamen dabei ans Tageslicht. In einem abschließenden Schritt wurden die Befunde gezeichnet, vermessen und Fotografiert. Die Zeit war knapp: schon am Montag soll mit dem Bau eines neuen Gebäudes in diesem Bereich begonnen werden. 

Sicherlich werden, wenn die Fläche ausgebaggert wird, noch viele weitere neuzeitliche Objekte zu Tage kommen. Bereits bei den Sondierungsgrabungen der Archäologen waren etliche neuzeitliche Scherben und jede Menge neuzeitlicher Metallschrott zum Vorschein gekommen. Unter anderem wurden etliche Bierflaschen der Marke "Schilling" aus Celle und eine rostige Dose mit Gutscheinen für Bohnerwachs gefunden. Diese Gegenstände stammen wohl aus der Zeit in der an Ort und Stelle noch ein Gebäude stand. Möglicherweise landeten viele Dinge damals in so genannten "Müllgruben" und gerieten so unter die Erde. 

In der kommenden Woche sollen weitere Flächen im Bereich der Gertrudenkirche untersucht werden. 


Siehe auch: 

Grabungen Teil I 
Grabungen Teil II
Grabungen Teil IV


Bild: Zeichenutensilien am Grabungsort.
Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Blick in die Sondierungsgrabung.
Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Die Fachleute nehmen die Befunde in die Grabungsskizze auf.
Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Blick in die Sondierungsgrabung.
Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Blick in die Sondierungsgrabung.
Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Blick in die Sondierungsgrabung.
Quelle: Hendrik Altmann


Bild: Dose mit Gutscheinen für einen Bohnerwachs-Aufträger.
Quelle: Hendrik Altmann.


Bild: Dose mit Gutscheinen für einen Bohnerwachs-Aufträger.
Quelle: Hendrik Altmann.


Bild: Flaschen.
Quelle: Hendrik Altmann.


Bild: eine Vase oder ein Pokal?
Quelle: Hendrik Altmann.


Bild: Wasserflasche aus Hannover.
Quelle: Hendrik Altmann.


Bild: Bierflasche aus Celle (Schilling).
Quelle: Hendrik Altmann.


Bild: Ton- und Porzellanscherben.
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Abschluss der Untersuchungen.
Quelle: Hendrik Altmann.



Donnerstag, 27. März 2014

KLEKS - das Kulturlandschafts-Wiki

Die Idee

Sucht man ein Restaurant, einen Bäcker oder einfach eine Adresse zu der man gelangen möchte, gibt es mittlerweile leistungsstarke Online-Kartenwerke dazu. Wie wäre es, eine Karte zu haben, in die alle geschichtlichen Orte eingetragen werden? 

Nun, eine solche Karte existiert bereits. Das so genannte "Kulturlandschafts-Wiki" (Klick) ist eine interaktive Karte, auf die jeder zugreifen kann. Dort sind etliche Orte verschiedener Kategorien verzeichnet. Interessierte können sich so sehr anschaulich über die Geschichte vor ihrer eigenen Haustür informieren. 


Mitmachen

Darüber hinaus kann jeder mitmachen: über einen Login kann man sehr einfach selber Objekte der Karte hinzufügen. So werden alte Wege, vergessene Grenzsteine und viele andere Objekte in die Karte integriert, die mittlerweile Orte in ganz Deutschland abdeckt. So kann man sich beispielsweise auch gleich ein paar spannende Anlaufpunkte für den nächsten Urlaub heraussuchen. 

Selbst Ortskundige werden in der eigenen Heimat feststellen, dass es immer noch Orte gibt, die sie bisher nicht kannten. Das Kulturlandschafts-Wiki ist hier eine echte Hilfe. 


Der Nutzen

Neben einem großen Unterhaltungsfaktor, beim Entdecken neuer Orte, erfüllt das Kulturlandschafts-Wiki eine weitere wichtige Funktion. Zwar sind viele Kultur- und Bodendenkmale bei den zuständigen Ämtern für Denkmalpflege bekannt. Jedoch gibt es viele Orte und Objekte, die (noch) nicht unter einen denkmalrechtlichen Status fallen. Viele Bodendenkmale sind der Öffentlichkeit darüber hinaus auch gar nicht bekannt. Bei Baumaßnahmen werden jährlich etliche geschichtliche und kulturelle Spuren verwischt. Dies lässt sich natürlich nicht immer vermeiden, aber umso wichtiger ist es den heutigen Stand zumindest aufzunehmen. 

Das Kulturlandschafts-Wiki ist wirklich sehr einfach zu bedienen, macht Spaß und bietet viele Einsatzmöglichkeiten. Auch für den Einsatz im Rahmen von Schulprojekten wäre es bestens geeignet, zumal das Thema "Heimatgeschichte" ohnehin kaum in der Schule behandelt wird. 

Ich habe bereits einige Orte / Objekte eingestellt. Je mehr Menschen dieses Projekt unterstützen, umso weniger "weiße Flecken" gibt es auf der Kulturlandschafts-Karte


Bild: KLEKS - Editor. Objekte können einfach angeklickt werden. 
Quelle: Screenshot H. Altmann. 




Mittwoch, 26. März 2014

Ausgrabungen Altencelle 26. März

Tag zwei der wieder aufgenommenen Ausgrabungen in Altencelle. Heute konnte die gestern  begonnene Untersuchungsfläche im Pfarrgarten weiter begutachtet werden. Dort soll demnächst ein Neubau entstehen, so dass die Grabungen wohl die letzte Möglichkeit sind, vorhandene Spuren zu sichern. 

Dazu begann das Team von Dr. Cornelia Lohwasser zunächst damit die, durch den Bagger abgetragene Fläche zu "putzen", d.h. Unebenheiten zu entfernen. Dabei konnten erste Befunde (Scherben etc.) sichergestellt werden. Der Boden der Untersuchungsfläche scheint vielfach gestört zu sein. An einigen Stellen treten diese Störungen sogar sichtbar durch große Anhäufungen von Scherben und Unrat zu Tage. 

Während Dr. Lohwasser und das Team aus Archäologiestudenten der Uni Göttingen den eigentlichen Untersuchungsbereich unter die Lupe nahmen, unterstützte ich die Suche mit dem Metalldetektor im Randbereich. Dort fand ich einen verrosteten alten Schlüssel aus Eisen. Ansonsten kam nur Müll ans Tageslicht. 

Innerhalb des Untersuchungsbereiches liegen vermutlich mehrere Befunde - so etwa mindestens eine Feuerstelle. Der Untersuchungsbereich wurde nun in verschiedene, gleich große Quadranten eingeteilt, damit er gezeichnet werden kann. Bei den Ausgrabungen, welche sich anschließen sollen wird sich zeigen, was der Boden im Garten der Pfarrei wirklich verbirgt. 

Es bleibt also spannend. 


Siehe auch: 

Grabungen Teil I 
Grabungen Teil III
Grabungen Teil IV






Bild: Beschreibung der aktuellen Grabung im Pfarrei Garten in Altencelle. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Sondierungsgrabung im Untersuchungsbereich. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Unterschiedliche Bodenverfärbungen im Untersuchungsbereich. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Das Hilfsnetz für die Zeichnung des Untersuchungsbereiches ist gespannt. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Fund mit dem Metalldetektor von heute: ein großer, rostiger Schlüssel. 
Quelle: Hendrik Altmann. 






Dienstag, 25. März 2014

In Altencelle geht es weiter...!

Altencelle. Heute sind die Ausgrabungen in Altencelle wieder angelaufen. Gemeinsam mit Archäologiestudenten und ehrenamtlichen Helfern wurde heute schwerpunktmäßig eine Fläche an der Ecke Oelmannsweg untersucht. Dr. Cornelia Lohwasser, die seit Beginn die Ausgrabungen im Bereich Altencelle leitet, hatte Grund zur Freude: trotz des Streiks im öffentlichen Dienst stand der Bagger - inklusive Fahrer - der Stadt Celle zur Verfügung. Zunächst wurden heute die obersten Erdschichten der zu untersuchenden Flächen abgetragen. 

Bereits am 8. März hatte Dr. Lohwasser gemeinsam mit Angehörigen der Sondengänger-Gemeinschaft Allertal einige der Flächen in Augenschein genommen. Allerdings waren bei den Untersuchungen mit den Metalldetektoren nur neuzeitliche Funde zutage gekommen. Da es um die Frage nach der Entstehung Altencelles geht und dabei besonders um den  einstigen Hafen, müssen jedoch ältere Funde her. 

Heute kamen bereits einige moderne Objekte ans Tageslicht: ein zerbrochenes Ton-Gefäß, eines aus Porzellan, sowie etliche Scherben und kleinere Metallteile. Ich selber habe mit dem Metalldetektor zwei Münzen (III. Reich) und einige Kleinteile im Aushub aufgespürt. 

Morgen geht es weiter - es bleibt also spannend! 


Siehe auch: 


Grabungen Teil II
Grabungen Teil III
Grabungen Teil IV


Bild: Untersuchungsfläche am Oelmannsweg nach den Baggerarbeiten. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Die Fläche muss von Hand für die weiteren Untersuchungen geebnet werden. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Fund eines Ton-Topfes aus neuerer Zeit. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Fund eines Ton-Topfes aus neuerer Zeit. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Fund eines Porzellan-Gefäßes aus neuerer Zeit. 
Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Der Metalldetektor war ebenfalls wieder im Einsatz. 
Quelle: Hendrik Altmann.


Teil II hier (Klick) 







Freitag, 21. März 2014

Die Mundburg – Analyse und Auswertung von Einflussfaktoren auf den möglichen Standort


Inhalt: 

1.                  Was war die Mundburg?  5
2.                  Die Mundburg in der Literatur  6
3.                  Das Problem der Lokalisierung der Mundburg  8
3.1.              Die Lage der Warenholzer Burg  8
3.2.              Die Lage der Mundburg  10
3.3.1.          Die Lage der Mundburg bei Müden  11
3.3.2.          Okerverlauf und Standort bei Wienhausen  14
3.3.3.          Menschliche Eingriffe in den Verlauf der alten Oker  19
3.3.              Weitere Standortfaktoren der Mundburg  24
4.                  Ringwall bei Wienhausen  25
4.1.              Standort des Ringwalls bei Wienhausen  25
4.2.              Standortbetrachtung des Wienhäuser Ringwalls  28
4.3.              Fotografische Belege  30
4.4.              Erläuterung der Fotografischen Belege  33
5.                 Abschließendes Fazit  34

Zusätzlich wird abschließen auch noch auf die aktuellen Entwicklungen eingegangen


Einleitung


Die geschichtliche Betrachtung wird um ein Vielfaches mühsamer und spannender, je weiter man auf der Zeitachse zurückblickt. „Spannender“, da diese Zeit in der Regionalgeschichte teilweise nicht abschließend erforscht ist und „mühsamer“, weil die wissenschaftlich notwendigen Quellen (Karten, Urkunden u.ä. schriftliche Belege) kontinuierlich abnehmen, je weiter man zurückblickt.

Diese Arbeit handelt von jener Zeit um 900 bis 1300 n. Chr. im Flotwedel: die Kartografie war noch kaum entwickelt, Schrift und Amtssprache war Latein/Althochdeutsch und die Zivilisation wie sie uns heute bekannt ist, gab es noch nicht. In diese Zeit fällt jedoch ein wichtiges Ereignis, welches bis heute nicht abschließend aufgeklärt werden konnte: die Erbauung der Mundburg durch den Hildesheimer Bischof Bernward. Wo mag diese Burg, die als Bollwerk gegen die slawischen Volksstämme aus dem Osten dienen sollte, gelegen haben?[1]

In den letzten 150 Jahren haben sich bereits einige Forscher direkt und indirekt mit der Forschung nach der Burg beschäftigt. Allerdings konnte der empirische Nachweis bisher nicht erbracht werden. Vielmehr finden sich unterschiedliche Ansichten über den Standort der frühmittelalterlichen Wehranlage.

Diese Arbeit soll dahingehend den bisherigen Stand der Forschung aufgreifen, wiedergeben und gezielt hinterfragen. Darüber hinaus werden neue Forschungsergebnisse vorgelegt und die sich ergebenen Schlussfolgerungen gezogen. Aus den daraus resultierenden Schlüssen wird die bisher bestehende Lücke zwischen Archivrecherche und aktiver Feldforschung geschlossen.

Wie bei allen Beiträgen so soll auch in diesem die anschauliche Vermittlung der Geschichte im Vordergrund stehen, ohne dabei die wissenschaftliche Arbeitsweise zu vernachlässigen.


[1] Meibeyer, Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen?, S. 1


1.     Was war die Mundburg?


Vor etwa 1000 Jahren, etwa um 983, begehrten die slawischen Volksstämme jenseits der Elbe gegen die durch Heinrich I auferlegte Oberherrschaft auf[0]. Sie verwüsteten die im Osten gelegenen Bistümer Brandenburg, Havelberg und Zeitz und zogen plündernd in Richtung Westen. 

Bild: Slawische Krieger um 1000 n. Chr.[1] (Rekonstruktion)

Auch gut befestigte Städte, wie z.B. Hamburg, waren gegen die Einfälle der Slawen nicht sicher[2]. Auf dem Höhepunkt der slawischen Invasionen, die immer öfter auch über die Elbe hinweg nach Westen reichten, wurde Bernward Bischof zu Hildesheim (950/60 – 1022). Über das Jahr 993 schrieb sein Biograf, Thangmar von Hildesheim, dass Bernward zwei Burgen an der Nordöstlichen Grenze seines Bistums errichten ließ. Es handelte sich um die Burgen bei Warenholz und um die „Mundburg“, die angeblich am Zusammenfluss von Oker und Aller gelegen gewesen sein soll. Dazu später mehr.

Anders als die Burg bei Warenholz (Ldkr. Gifhorn) konnten bisher keine eindeutigen archäologischen Nachweise für die Existenz der Mundburg erbracht werden.



[0] Meibeyer, Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen?, S. 1
[2] Vgl. Pahl, Sachsen Und Slawen Im 9. Jahrhundert, S. 7




Es kann dennoch davon ausgegangen werden, dass die Mundburg, wie die Warenholzer Burg, in direktem Zusammenhang zur Abwehr von Slawen-Einfällen in das Bistum Hildesheim anzusehen ist. Somit handelte es sich bei der Mundburg um eine Art Schutzburg („Mund“ bedeutet im Althochdeutschen „Schutz“)[1].



[1] Meibeyer, Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen?, S. 1



                    
 Bild: sächsischer Krieger um 1000.[1]         Bild: sächsischer Krieger um 1000[2]




[2] Rothero, Medieval military dress 1066 – 1500, S. 99. 


Wie vergleichbare Burganlagen auch wird die Mundburg im Wesentlichen aus rundlichen Erdwällen und Holzpalisaden bestanden haben. Da in der Gegend keine Steine abgebaut werden konnten lässt sich weiter schlussfolgern, dass die Anlage vermutlich über keinerlei Steingebäude verfügt haben dürfte. 

1.     Die Mundburg in der Literatur


Wie eingangs angedeutet existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Meinungen und Interpretationen zum Standort der Mundburg. Durch Thangmar ist der ungefähre Standort der Burg übermittelt[1]. Thangmar schrieb die Mundburg sei dort errichtet: „Ubi flumina Alara et Ovekara confluunt, munitinunclam exstruxit“[2] (Wo der Allerfluss und (die) Oker zusammenfließen entstand die Mundburg).
Der Zusammenhang zwischen der Mundburg und den benannten Flüssen wird durch die Schenkungsurkunde Heinrichs des II. nochmals bestätigt: „Bernwardus – dicens sibi – ius castellum edificandi quod Mundburg vocatur in ripa Aelere fluminis permissum fuisse“[3]. Mit besagter Urkunde wurde Bischof Bernward zum Besitz der Mundburg und der dazugehörigen Grafschaft ermächtigt. Gleichzeitig sollte Bernward bestimmen: „qui comitatum regat“ – wer Grafschaft verwalten sollte[4]. In der Literatur wird an dieser Stelle oftmals betont, dass es zu dieser Zeit ein unübliches Privileg für kirchliche Würdenträger war, eine Burg errichten zu lassen. In O. Meier „die frühmittelalterliche Münzstätte „Mundburg“ des Bistums Hildesheim“ schließt der Autor, dass die Interessen des Kaisers und Bischof Bernwards in Hinblick auf die Slawen-Einfälle gleichgerichtet gewesen sein könnten, was eine Gründung der Burg durch Bernward plausibel machen würde[5].

Während Ortwin Meier in seinem Aufsatz den Standort der Mundburg definitiv bei Müden (Aller) verortet[6], stellt Wolfgang Meibeyer in seinem Werk „Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen“ Wienhausen als Lageplatz der Mundburg heraus[7]. O. Meier stützt seine These im Wesentlichen auf die Ergebnisse des Archäologen Carl Schuchthardt, der sich zwischen den beiden Weltkriegen u.a. mit der Erforschung der Niedersächsischen Burganlagen beschäftigte[8]. Im „Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen in Niedersachsen“[9] beschreibt Schuchthardt seine Ergebnisse. Diese werden wiederum durch Hans Lütgens in „Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Hannover“ bestätigt[10].

Die Autoren W. Meibeyer und O. Meier vertreten somit unterschiedliche Theorien zum Standort der Mundburg. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich die spätere Arbeit von W. Meibeyer nicht direkt auf den Aufsatz von O. Meier bezieht, sondern auf die Ausführungen von C. Schuchthardt.

Weitere Quellen beziehen sich nicht direkt auf die Mundburg, sondern stellen eher Sekundärquellen dar, die bei der Lokalisierung helfen können. Im Grunde versuchen beide Autoren (O. Meier/W. Meibeyer) den Standort der Mundburg anhand der Beschreibung vom Hildesheimer Bischofs-Biografen Thangmar herzuleiten. Damit wird die kontrovers diskutierte Frage, an welcher Stelle Oker und Aller um die Zeit von 980 bis 1022 n. Chr. zusammenflossen, zum entscheidenden Ausgangspunkt in der bisherigen Betrachtung.

2.Das Problem der Lokalisierung der Mundburg


2.1. Die Lage der Warenholzer Burg


Wie eingangs erwähnt ist die Lage der Burg bei Warenholz bereits archäologisch belegt. Die dortige Burg lag an einer strategisch äußerst günstigen Lage, nämlich an einer Altstraße, die über Wittingen nach Südwesten in Richtung Hildesheim verlief[11]. Die Straße bot möglichen Angriffen durch die Slawen sicherlich eine gute Einfallsroute um direkt auf Hildesheim vorzurücken. Bernward ließ daher die Burg bei Warenholz westlich eines Übergangs über die östlich gelegene Ise errichten. Hier konnten die gefürchteten Slawen wirkungsvoll aufgehalten werden.



[1] Thangmar schrieb die Biografie von Bischof Bernward auf. Seine Lebensdaten sind nicht überliefert. Bekannt ist, dass er Domdechant in Hildesheim unter dem Episkopat (Amt) Bernwards war und zusammen mit ihm im November des Jahres 1000 nach Rom reiste. Das Ziel der Reise war ein Urteilsspruch des Papstes im Gandersheimer Grenzstreitfall. Thangmar starb vermutlich nach Bernward – also nach 1022.
[2] Mon. Germ. Hist. SS IV, S. 761
[3] Origines Guelficae IV, S. 444 – Falke: Codex traditionum Corbeiensium, S. 236.
[4] Meier, Die frühmittelalterliche Münzstätte „Mundburg“ des Bistums Hildesheim, S. 1.
[5] Siehe Fußnote 11.
[6] Meier, Die frühmittelalterliche Münzstätte „Mundburg“ des Bistums Hildesheim, S. 3.
[7] Vgl. Meibeyer, Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen?
[8] Carl Schuchthardt wurde 1888 Direktor des Kestner-Museums in seiner Heimatstadt Hannover. 1908 ging Schuchhardt als Direktor der Vorgeschichtlichen Abteilung des Völkerkunde-Museums nach Berlin.
[9] Oppermann-Schuchthardt, Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen in Niedersachsen, Blatt 1. XV, Text S. 9.
[10] Lütgens, Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, Reg.-Bez. Lüneburg 4, Kreis Gifhorn, S. 240-242.
[11] Vgl. Meibeyer, Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen?, S. 1. 




Bild: Lage der Burg bei Warenholz[1]




[1] Quelle: Google Earth. Die Lage der Burg wurde übernommen aus „Burgen und Wallanlagen in Niedersachsen“




Bild: Burganlage bei Warenholz.[1]



[1] Siehe Fußnote 19. 


Die Burg ist zwar heute nicht mehr sichtbar, konnte aber durch archäologische Untersuchungen grob rekonstruiert werden. 

Es handelt sich bei der Anlage um zwei halbkreisförmige, nebeneinanderliegende Wälle von unterschiedlicher Größe, deren Fortsetzungen durch die Bewirtschaftung des Östlich an den Wald sich anschließenden Ackerlandes zerstört sind. Der größere nördliche Wall, hat eine Länge von ca. 150 m, der kleinere, südlich gelegene ist etwas nach Westen versetzt und hat eine Länge von rd. 59 m. Die Höhe der Wälle beträgt etwa 0,50 m. Ihnen vorgelagert ist ein 0,30 m tiefer und 0,50 m breiter Graben[1].

Die Lage der Wälle weist darauf hin, dass die Burg zweifelsfrei zu einer Verteidigung in Richtung Osten gedient haben muss. Nach den Ausführungen Thangmars handelt es sich bei der Warenholzer Burganlage um eine weiter vorgeschobene Burg. Sie mag in ihrer Zeit die „first line of defense“ gewesen sein – eine Art Vorposten[2]. Die Mundburg wird von Thangmar explizit als altere Anlage genannt.

3.2.    Die Lage der Mundburg


Während die Warenholzer Burg bereits durch Grabungen und Vermessungen zweifelsfrei „gefunden“ wurde, steht ein empirischer Beleg für die Mundburg noch immer aus. C. Schuchthardt sah nach seinen Grabungen am Gut Dieckhorst bei Müden eindeutige Belege dafür, die Mundburg gefunden zu haben[3]. Allerdings konnte er, wie auch M. Last, bei einer Nachsuche, keinerlei Funde vorlegen, die den Standort belegen würden[4]. W. Meibeyer äußerte in seinem, im Jahr 2002 erschienen Aufsatz[5] berechtigte Zweifel an dem Standort Müden(Dieckhorst). Diese werden mittlerweile ebenfalls durch das in 2002 erschienene Buch „die Aller – ein Fluss verändert seinen Lauf“ von W. Christoph Seiler bestärkt[6].

Es soll daher im Folgenden dargestellt werden weswegen es kompliziert ist den richtigen Standort der Mundburg zu ermitteln.




[1] „Burgen und Wallanlagen in Niedersachsen“, S. 127 f.
[2] „the first line of defense“ meint die erste Verteidigungslinie – synonym zu ersten Schlachtreihe in einer Angriffsformation.
[3] Meibeyer, Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen?, S. 1.
[4] Siehe Fußnote 23.
[5] Vgl. Meibeyer, Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen?
[6] Seiler, Die Aller-ein Fluss verändert seinen Lauf, S. 45. 


3.3.1.      Die Lage der Mundburg bei Müden


O. Meier kam in seinem Aufsatz zweifelsfrei zu dem Schluss die Mundburg habe bei Müden (Dieckhorst) gelegen[1]. Dabei ging Meier von der Beschreibung Thangmars aus[2]. Somit spielt der Zusammenfluss von Aller und Oker in der Analyse Meiers eine zentrale Rolle. In einem weiteren Schritt zieht Meier die Karte des „Ducatus Luneburgensis“ aus dem Jahr 1654 zur Hilfe[3].



[1] Vgl. Meier, Die frühmittelalterliche Münzstätte „Mundburg“ des Bistums Hildesheim.
[2] Danach lag die Mundburg am Zusammenfluss von Aller und Oker.
[3] Meier, Die frühmittelalterliche Münzstätte „Mundburg“ des Bistums Hildesheim. S. 2. 


Bild: Zusammenfluss von Aller und Oker um 1650.[1]



[1] Mellingero, Ducatus Luneburgensis (Karte des Herzogtums Lüneburg mit anliegenden Gegenden).



Diese Karte belegt zweifelsohne, dass Dieckhorst („Dyckhorst“) um 1650 an einer Mündung der Oker in die Aller bei Müden verzeichnet ist. Als Meier seinen Aufsatz schrieb, mündete die Oker aber bereits direkt südlich von Müden in die Aller – anders als in der dargestellten Karte von 1650. Daher kommt Meier zu dem Schluss (wie auch C. Schuchthardt), dass die Oker früher einmal weiter östlich, nämlich bei dem eben benannten Ort Dieckhorst in die Aller gemündet sein muss.
Schuchthardt schlussfolgert in seinen Ausführungen weiter, dass die Mundburg westlich vom Gut Dieckhorst auf einem „künstlichen, ovalen Hügel von etwa 60 mal 40 m Oberfläche und 2,50 m Höhe“ gelegen haben muss[1].

Als weiteren Beleg für den Standort führt Meier einen Fund an, der in H.A. Lüntzels Werk „der heilige Bernward, Bischof von Hildesheim“ schon Erwähnung fand[2].
Im Jahr 1856 wurde dieser Erwähnung zufolge ein mächtiger Eichenbalken von der „Stelle geborgen, wo die Burg gestanden haben muss…“[3]. Meier mutmaßte es könnte sich um eine Art Vorwerk der Hauptburganlage gehandelt haben. Allerdings hat H.A. Lüntzel nicht näher vermerkt wo genau der Fund gemacht wurde. Es ist also nicht möglich die Stelle mit Schuchthardts Grabungen abzugleichen.

Ein weiterer Beleg besteht für Meier darin, dass auf einem Kupferstich (Merian, um 1600) des Gutes Dieckhorst die Oker als Fluss deutlich bezeichnet ist.



[1] Meier, Die frühmittelalterliche Münzstätte „Mundburg“ des Bistums Hildesheim.S.2.
[2] Vgl. Lüntzel, Der heilige Bernward, Bischof von Hildesheim.
[3] Siehe Fußnote 32.




Bild: Meinersen – Kupferstich.[1]



[1] Merian, Caspar, 1627-1686 (Quelle: http://mapy.mzk.cz/en/mzk03/001/060/099/2619268175_01/)




Ebenfalls in diese Zeit fällt der Merian-Kupferstich der Ortschaft Meinersen. Man erkennt deutlich, dass die Oker im Vordergrund des Ortes entlang fließt.
Die Frage auf welche Meier dabei anspielt ist recht einfach: wenn Thangmar in seinen Ausführungen den Standort der Mundburg mit dem „Zusammenfluss der Oker mit der Aller“ umschreibt, gilt es diesen historischen Zusammenfluss zu finden.

Als weiteren Beleg führt Meier die Kurhannoversche Landesaufnahme aus dem Jahr 1780 an.



Bild: Kurhannoversche Landesaufnahme 1780.[1]



[1] Kurhannoversche Landesaufnahme, Blatt Gifhorn.



Der Standort der Mundburg (grün eingekreist im oben stehenden Bild) läge nach Meier/Schuchthardt genau an der Stelle wo sich das Gut Dieckhorst befindet.

Meier hinterfragt richtigerweise den ursprünglichen Verlauf der Oker zwischen Seershausen, Ahnsen, Meinersen und Müden[1]. Seiner Vermutung nach – und entsprechend der Karte von 1650 (siehe Seite 11) – floss die Oker ursprünglich ca. 1 Km östlich von Müden (bei Dieckhorst) in die Aller. Daraus schließen Meier und Schuchthardt, dass die Burg logischerweise bei Dieckhorst gelegen haben muss.

Meier ging nicht leichtfertig mit dem veränderten Lauf der Oker um. Auf seine Anfrage beim Regierungs-Präsidenten in Lüneburg erhielt er am 27. Dezember 1937 Antwort vom Celler Kulturbaubeamten[2]. Nach dessen Auskunft entsprach der Verlauf der Oker in der Kurhannoverschen Landesaufnahme dem „alten“ Okerverlauf (Siehe Karte auf Seite 13: rote Umrandung). Ältere Karten waren nicht verfügbar. Die Verlegung/Begradigung der Oker zwischen Meinersen und Müden war demzufolge in den Jahren 1879 bis 1881 erfolgt. Explizit wies der Celler Kulturbaubeamte darauf hin, dass die noch vorhandenen Altarme im Messtichblatt Müden den exakten Verlauf der „alten“ Oker widerspiegeln würden.[3]

Meibeyer geht in seiner Arbeit ebenfalls auf den Verlauf der Oker ein[4]. Da die Überlieferungen vom Ort sprechen (Ubi flumina Alara et Ovekara confluunt, munitinunclam exstruxit“[5]) an dem Oker und Aller zusammenfließen, ist es sicherlich sinnvoll diesen Ort für weitere Betrachtungen erst einmal zu klären. Damit verbunden wird auch verständlich, wie Meibeyer zu der These gelangte die Mundburg habe bei Wienhausen gestanden.

3.3.2.     Okerverlauf und Standort bei Wienhausen


Meibeyer argumentiert, die Mundburg könne nicht bei Müden (Dieckhorst) gestanden haben, da die Oker früher einen anderen Verlauf hatte[6]. Die geologischen, hydrologischen und bodenstrukturellen Gegebenheiten deuten allesamt darauf hin, dass die Oker in früherer Zeit nicht den heutigen Verlauf innehatte und bei Müden in die Aller mündete, sondern bei Seershausen abknickte und erst weiter nordwestlich, nämlich zwischen Bockelskamp und Wienhausen Teil der Aller wurde. Diese These soll im Folgenden begründet werden.



[1] Vgl. Meier, Die frühmittelalterliche Münzstätte „Mundburg“ des Bistums Hildesheim.S.3.
[2] Vgl. Vgl. Meier, Die frühmittelalterliche Münzstätte „Mundburg“ des Bistums Hildesheim.S.4.
[3] Siehe Fußnote 37.
[4] Vgl. Meibeyer, Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen?
[5] Mon. Germ. Hist. SS IV, S. 761
[6] Vgl. Meibeyer, Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen?










Geologische Begründung:

Bild: Ingenieursgeologische Übersichtskarte des Flotwedel[1]. 1) markiert den Ort Wienhausen, 2) den Ort Müden und 3) den Ort Seershausen.



[1] Quelle: NIBIS Kartenserver, Ingenieursgeologische Übersichtskarte Niedersachsen. 


Durch Bodenanalysen ist festgestellt, dass sich im Verlauf der Flüsse (Fuhse, Aller, Oker, Schwarzwasser) vor allem feinkörnige, bindige Lockergesteine z.T. mit organischen Einlagerungen finden[1] (in der Karte als lachsfarben eingezeichnet). Umgeben sind die Flussverläufe überwiegend von nichtbingigen Lockergesteinen, welche überwiegend mitteldicht bis dicht gelagert sind (in der Karte dunkelgelb eingezeichnet).
Die Flussläufe heben sich damit in der ingenieursgeologischen Betrachtung deutlich von den „Nicht-Flüssen“ ab. Der Verlauf der alten Oker wird damit deutlich sichtbar: durch organische Ablagerungen kann man den ehemaligen Flussverlauf zwischen den Orten Seershausen (3) und Wienhausen (1) klar erkennen.



[1] Siehe Fußnote 42.


Bild: Geologische Karte 1:50.000 des Flotwedel[1]. 1) markiert den Ort Wienhausen, 2) den Ort Müden und 3) den Ort Seershausen.

Meibeyer führt in seiner Argumentation ebenfalls die „Allerdünen“ als Nachweis des alten Okerverlaufes an[2]. Auch Seiler bemerkt das Fehlen von Dünenaufwehungen im Bereich der heutigen Oker[3]. In der vorstehenden Karte sind die Dünen gelb eingezeichnet. Im Bereich der heutigen Oker, also zwischen den Orten Seershausen und Müden finden sich tatsächlich keinerlei eingezeichnete Dünen. Da die, für die Region typischen Flussdünen, während des Spätglazials aufgeweht wurden[4] kann davon ausgegangen werden, dass der heutige Okerverlauf zu dieser Zeit nicht existierte.

Leicht nordöstlich gekrümmt finden sich entlang der gedachten Luftlinie zwischen Seershausen und Wienhausen Dünenaufwehungen (Geologische Karte 1:50.000). Die Dünen haben nahezu dieselbe Ausrichtung wie jene, die an der nördlich verlaufenden Aller zu finden sind. Dies ist ebenfalls ein eindeutiger Hinweis darauf, dass die Oker zu früherer Zeit einem heute nicht mehr vorhandenen Flussbett gefolgt ist.



[1] Quelle: NIBIS Kartenserver, Geologische Karte 1:50.000 Niedersachsen.
[2] Vgl. Meibeyer, Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen?
[3] Seiler, Die Aller-ein Fluss verändert seinen Lauf, S. 45.
[4] Siehe Fußnote 46.


Bild: ehemalige Flussdüne im Wald zwischen Sandlingen und Wienhausen[1].

Hydrologische Begründung:

Betrachtet man die Gebiete, die noch heute besonders Hochwassergefährdet sind, so fließen bestimmte Faktoren, wie z.B. Wasseraufnahmefähigkeit des Untergrunds und Höhe (ü.NN) in die Betrachtung ein. Die hydrologische Betrachtung ist demnach auch teilweise eine negative Spiegelung der geologischen Betrachtung, da die Dünenaufwehungen logischerweise keine hochwassergefährdeten Gebiete darstellen und somit letztlich auch so ablesbar sind.



[1] Quelle: eigenes Bild.



Bild: Hochwassergefährdung im Flotwedel[1]. 1) markiert den Ort Wienhausen, 2) den Ort Müden und 3) den Ort Seershausen.

Auch die hydrologische Betrachtung der hochwassergefährdeten Gebiete im Flotwedel liefert eine Begründung zu der Annahme, dass sich der alte Okerverlauf nicht mit dem heutigen deckt, sondern dem bereits mehrfach aufgezeigten Fussbett in Richtung Wienhausen gefolgt sein muss.



[1] Quelle: NIBIS Kartenserver, Hydrologische Übersichtskarte (Hochwassergefährdung), 1:50.000, Niedersachsen.


Bild: Flussbett der alten Oker zwischen Wienhausen und Sandlingen[1].



[1] Eigenes Bild


Die These, dass die alte Oker das Langlinger Holz durchfloss und weite Teile des ehemaligen Flussbettes im Wald liegen spielt der Interpretation des Namens „Flotwedel“ sicherlich zu (Flotwedel, alt: Flutwidde, „Flot“ von Flaut = fließen/Flut à „Flutwald“ oder auch „durchflossener Wald“).

Es liegt auf der Hand, dass der veränderte Verlauf der Oker einen unmittelbaren Einfluss auf den Standort der Mundburg hat. Wenn Thangmar den Standort mit dem Zusammenfluss von Oker und Aller beschreibt, würde dies bedeuten, dass die Burg nicht bei Müden, sondern zwischen Wienhausen und Bockelskamp gestanden haben muss[1].

Auf den genauen Standort der Burg soll später eingegangen werden.

3.3.3.    Menschliche Eingriffe in den Verlauf der alten Oker


Im Folgenden gilt es folgende offene Punkte zu klären:
·                           -Veränderte die Oker ihren Lauf durch menschliche Einflüsse?
·                           -Sind natürliche Einflüsse denkbar?
·                           -In welche Zeit sind die jeweiligen Veränderungen zu datieren?

Bereits Meier bemerkt in seinem Aufsatz, dass der Okerverlauf um 1938 ein anderer war, als noch 200 Jahre zuvor[2]. Meier untersucht ausschließlich die Veränderungen des Flusslaufes im Zusammenhang zur Mündung bei Müden. Er schlussfolgert, dass es zu einer Einflussnahme des Menschen auf den ursprünglichen Flussverlauf gekommen sein muss, da die Oker in der Kurhannoversche Landesaufnahme von 1780 mehrere Meanderbogen aufwies, die im Messtichblatt von 1901 bzw. 1937 nicht mehr vorhanden sind. Allerdings kommt Meier zu dem Schluss die Flussachse habe sich nur unwesentlich verlagert und der alte Flussverlauf sei u.a. durch die noch vorhandenen Meanderbögen (Messtichblatt Müden, 1901) gut ablesbar.

Interessanterweise fährt Meier in seinen Schlussfolgerungen fort, dass die zahlreichen Tümpel, welche im Messtichblatt südlich des Gutes Dieckhorst liegen ein alter Nebenarm der Oker gewesen sein können[3]




[1] Vgl. Meibeyer, Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen?
[2] Meier, Die frühmittelalterliche Münzstätte „Mundburg“ des Bistums Hildesheim.S.5.
[3] Siehe Fußnote 52. 





Bild: Bild: Kurhannoversche Landesaufnahme 1780.[1]

Weiterhin zieht Meier den Schluss: „(…) so müsste angenommen werden, dass man bei der Schaffung eines neuen Flussbettes nicht so zahlreiche Krümmungen ausgeführt hatte.“
Es handelt sich bei dem Flussverlauf aus der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1780 also nicht um einen künstlich geschaffenen Flusslauf, sondern um einen natürlichen.

Die Maßnahme, welche zur Begradigung der Oker (Messtichblatt 1901) geführt hat, wurde in den Jahren 1879 bis 1881 durchgeführt[2]. Das Fehlen von Dünenaufwehungen beachtet Meier in seiner Betrachtung nicht.

Die Oker muss – das ist bis zu diesem Punkt gewiss – schon vor 1780 bei Müden in die Aller geflossen sein.



[1] Kurhannoversche Landesaufnahme, Blatt Gifhorn.
[2] Meier, Die frühmittelalterliche Münzstätte „Mundburg“ des Bistums Hildesheim.S.5. (O. Meier hat diese Aussage durch den zuständigen Kulturbaubeamten aus Celle am 27.12.1937 (Tagebuch Nr. 134/38) erhalten.

Bild: Messtichblatt 1901[1].

Meibeyer gelangt in seinem Aufsatz ebenfalls zu der These, dass der Okerverlauf bei/hinter Seershausen durch menschliche Eingriffe verändert worden ist[2]. So deute das Fehlen der klassischen Meanderbögen „unterhalb der Durchbruchstelle“ darauf hin, dass hier ein künstlicher Eingriff vorliegen muss[3]. Daraus lässt sich schließen, dass Meibeyer auf den letzten relativ gradlinig verlaufenden Flussabschnitt der Oker zwischen Meinersen und Müden ins Auge gefasst hat.

Zur Datierung der Einflussnahme durch den Menschen verweist Meibeyer auf die Bestrebungen der Stadt Braunschweig im letzten Drittel des 14. Jahrhunderts die Oker schiffbar zu machen. Zumal die Wege zu Land oftmals Umwege waren, Zölle und Fährgebühren anfielen und Bremen als Handelshafen an der Weser gut über den Wasserweg erreichbar war, war die Schiffbarmachung der Binnengewässer nachweislich erforderlich.
Meibeyer verweist passend auf eine Aussage des Rates der Stadt Magdeburg vom 1. Mai 1439[4] und auf die Erlaubnis zur Herstellung des Wasserweges durch Herzog Magnus[5].

Herzog Magnus (* 1324, + 1373) gestatte den Braunschweigern unter besonderen Bedingungen „(…) dat se moghet dat water de Ovekere maken unde ruomen eder ruomen laten, also dat se unde de oere unde we des behoevet varen moghen mit schepen van Brunswich wente to Tzelle weder unde vort unghehindert unde unbeschadet van os unde van den usen (….)“[6]. Damit wurde den Braunschweigern gestattet die Ufer der Oker begehbar zu machen, störende Äste zu entfernen, Treidelpfade anzulegen und seichte Stellen im Fluss zu vertiefen. Ohne Frage stellt dieses Zugeständnis einen wichtigen Schritt zur Schifffahrt auf der Oker dar[7].

Herzog Magnus erwähnt in keiner Silbe, dass die Oker umgebettet werden sollte. In seiner Erlaubnis inbegriffen sind lediglich die genannten Maßnahmen. Herzog Magnus knüpfte die Durchführung außerdem an ganz bestimmte Abgaben/Zölle/Steuern, denn die Braunschweiger sollten ihre Waren in Celle verzollen, es sei denn sie waren bereits in Celle verzollt (Unde wanne dat gud to Tzelle vertollet is, so magh men unde scal dat unghehindert vor os unde vor den usen voren unde bringhen, wor malkeme dat bequeme is, also dat we unde de use se darenbovene nicht enscolet beschaden eder besweren eder hinderen.)[8].

Man kann also davon ausgehen, dass für Herzog Magnus nicht der Ausbau der Oker im Vordergrund stand, sondern, dass dieser ein notwendiges Mittel war, um der Stadt Celle Einnahmen zu generieren. Die Braunschweiger mussten also in zwei Punkten leisten: 1) Ausbau der Oker und 2) Zölle in Celle. Die volkswirtschaftliche Wohlfahrtssteigerung war natürlich auch für den Herzog nicht von Nachteil.

1439 erklärte der Rat der Stadt Magdeburg in seiner Verbündung mit Lüneburg, dass die generelle Schiffbarmachung von Aller und Oker verhindert werden solle[9]. Aus der Formulierung „(…) uthe der Oveker in de Alre (…)“[10]. Schließt Meibeyer, dass es sich bei der „Verhinderung“ um den, durch die Braunschweiger angelegten, Durchfluss gehandelt haben muss[11]. Auch Seiler geht in seiner Betrachtung von einem künstlich geschaffenen Durchstich der Oker zwischen Meinersen und Müden aus[12].



[1] Messtichblatt 1901, Blatt Müden.
[2] Vgl. Meibeyer, Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen?
[3] Siehe Fußnote 57.
[4] Dat de graven und waterfard de de rad und stad to Brunswick heft begond to makende uthe Oveker in de Alre, dar se also vort na Bremen uppe dencken to schepende, nablive und vorhindert werde“ (UB Stadt Magdeburg 2, Nr. 395
[5] 1371 März 12
Herzog Magnus von Braunschweig-Lüneburg gestattet unter besonderen Vergünstigungen Braunschweig die Schiffbarmachung der Oker zur Herstellung eines Wasserweges nach Celle. Urkundenbuch der Stadt Braunschweig, Bd. 6, S 610.
[6] Urkundenbuch der Stadt Braunschweig, Bd. 6, S 610.
[7] Vgl. Meibeyer, Gab es wirklich eine „bedeutende“ Fracht-Schifffahrt auf der unteren Oker im hohen Mittelalter?, Braunschweigisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd. 83.
[8] Urkundenbuch der Stadt Braunschweig, Bd. 6, S 610.
[9] Urkundenbuch der Stadt Magdeburg, Bd 2, S. 523.
[10] Siehe Fußnote 64.
[11] Meibeyer, Gab es wirklich eine „bedeutende“ Fracht-Schifffahrt auf der unteren Oker im hohen Mittelalter?, Braunschweigisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd. 83. S. 208.
[12] Seiler, Die Aller-ein Fluss verändert seinen Lauf, S. 45.


Bild: Oker um 1600[1].

Aus der Karte Papenteichs im Amte Gifhorn von Johannes Mellinger (um 1600) folgt die Oker bereits dem heutigen Flussbett und mündet dementsprechend bei Müden/Dieckhorst.

Es ist fraglich wie die Interpretationen Meiers, Seilers und Meibeyers zusammenpassen. Zumal Meibeyer den Aufsatz von O. Meier unerwähnt lässt, muss letztlich davon ausgegangen werden, dass dieser nicht in seine Überlegungen eingeflossen ist. Wie ist es sonst zu deuten, dass im Aufsatz Meibeyers mit keiner Silbe erwähnt wird, dass die Begradigung der Oker südlich von Müden in den Jahren 1879 bis 1881 erfolgte? Bereits in der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1780 ist der Okerflusslauf an gleicher Stelle erkennbar. In Verbindung mit dem Messtichblatt aus dem Jahr 1901 lässt sich belegen, dass die Begradigung des Flussverlaufes zwischen Meinersen und Müden zwischen 1780 und 1901 (nämlich 1879 bis 1881) erfolgt sein muss. Desweiteren belegt die Kurhannoversche Landesaufnahme von 1780, dass die Oker einst auf der gesamten Strecke zwischen Meinersen und Müden starke Meanderbiegungen vollführte.



[1] Mellinger Kartenmappe (Atlas des Kurfürstentums Lüneburg), Papenteich im Amt Gifhorn, um 1600


Bild: Okerverlauf zwischen Meinersen und Müden heute[1].

Meier schloss logisch in seinem Aufsatz, dass niemand auf die Idee käme, einen Fluss umzulegen und dabei derartig viele Kurven und Biegungen in das neue Flussbett integrieren würde. Folgt man Meibeyers Argumentation, würde das bedeuten, im 14. Jahrhundert hätten die Braunschweiger die Oker schiffbar machen wollen und ihr dabei ein neues Flussbett gegeben, welches für eine Schiffbarmachung denkbar ungünstig ist - man beachte die heftigen Meanderbögen nordöstlich von Meinersen (1)!

Bisher wurden ausschließlich menschliche Eingriffe in den Verlauf der Oker in Betracht gezogen. Dabei wird jedoch vernachlässigt, die eigenen Thesen kritisch zu hinterfragen.
Was wäre, wenn es keine Menschenhand war, die der Oker ein neues Flussbett gab?

Die Ergebnisse Meibeyers gehen im Wesentlichen auf die geologische Betrachtung (Dünen-Bildung entlang des alten Okerverlaufes) zurück. Diese Schlüsse sind zweifelsohne korrekt.
Vom Schwemmkegel der Lachte ist bekannt, dass dieser dazu führte, dass die Lachte einst ihren Lauf änderte und nicht mehr beim heutigen Oppershausen, nördlich von Wienhausen, in die Aller mündete. Vor diesem Hintergrund wäre es möglich, dass die Oker bereits früher ihren Lauf änderte. Die ursprüngliche Fließrichtung entspricht der des Allerurstromtals[2]. Denkbar wäre, dass die Oker diese Fließrichtung nur solange beibehielt, wie sie die spätglazialen Wassermassen bewältigen musste.



[1] Quelle: Google Earth.
[2] Vgl. Seiler, Die Aller-ein Fluss verändert seinen Lauf.

Allerdings ist es sehr wahrscheinlich, dass die alten Flussarme lange erhalten blieben sondern über die Zeit verlandeten. Somit könnte es in der Zeit der Entstehung der Mundburg (um 993 n. Chr.) durchaus „zwei“ Oker-Verläufe gegeben haben. Zumindest ist Wienhausen durch diese Theorie nicht als sehr wahrscheinlicher Standort ausgeschlossen (Bild: alte Oker[1]).

Es gibt Kartenbelege dafür, dass es zumindest bis in die Neuzeit einen Okerlauf gab, der zwischen Wienhausen und Bockelskamp in die Aller mündete.



[1] Quelle: eigenes Bild (entstanden bei Wienhausen). 


Bild: Flotwedel 1732[1].

In der Karte der „Environs de Zelle“ (1732)[2] ist ein Okerverlauf erkennbar, der nördlich von Eicklingen in nordwestlicher Richtung in die Aller mündet. Der eingezeichnete Okerverlauf entspricht 1:1 dem heute landschaftlich sichtbaren Alt-Verlauf. Auffällig ist, dass der eingezeichnete Fluss hinter Eicklingen entspringt. Entweder liegt hier eine kartografische Ungenauigkeit vor, oder es gab zu dieser Zeit (1732) schon keine Verbindung mehr zwischen dem Okerarm bei Wienhausen und der bei Seershausen/Meinersen fließenden Oker.

Zusammenfassend kann die Erlaubnis durch Herzog Magnus nicht als Beleg für einen Durchbruch der Oker zwischen Seershausen, Meinsersen und Müden deuten. Da er den Braunschweigern die Nutzung der Oker unter genau spezifizierten Bedingungen erlaubte, die keine Verlegung des Flusses erkennen lassen. Lediglich das Anlegen von Treidelpfaden, Flussvertiefungen und Uferarbeiten wurden gestattet. Die gewährten Rechte zu baulichen Veränderungen waren völlig ausreichend, um den bestehenden, bei Wienhausen mündenden Okerfluss, schiffbar zu machen.

3.3.  Weitere Standortfaktoren der Mundburg


Die bisherigen Betrachtungen beschränkten sich im Wesentlichen auf die ursprüngliche Aussage die Mundburg sei am Zusammenfluss von Oker und Aller zu verorten. Daher wurde in den vorangegangenen Abschnitten die Lokalisierung des Zuflusses von der Oker systematisch aufgearbeitet.

Nun gibt es jedoch auch noch andere Faktoren die die Lage einer Burg beeinflussen. Ganz allgemein dient eine Burg entweder zum Schutz oder der Abwehr von Feinden. Der Überlieferung nach soll die Mundburg zur Abwehr slawischer Überfälle gedient haben. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die Burg an einer strategisch günstigen Position platziert wurde. Bischof Bernward ließ die Warenholzer Burg und die Mundburg errichten um das Bistum Hildesheim zu verteidigen. Der Schutz einzelner Dörfer wird daher nicht im Vordergrund gestanden haben. Die Burgen wurden (gemäß der Überlieferung des Biografen Thangmar) an den äußersten Reichsgrenzen errichtet.

Man kann also annehmen, dass der Schutz der Reichsgrenzen im Vordergrund stand. Sicherlich mussten daher bei der Ortswahl gegebenenfalls Abstriche in Kauf genommen werden wenn vor Ort keine 100% perfekten Bedingungen vorgefunden wurden.



[1] Environs von der Stadt Zelle. 1732, Bibliothèque nationale de France, département Arsenal, MS-6465(714)
[2] Siehe Fußnote 72. 








Bild: Verlauf der alten Oker, Altstraße und Bistumsgrenze[1]
Wie auch die Burg bei Warenholz hätte die Mundburg, sollte sie in/bei Wienhausen gestanden haben, eine strategisch günstige Lage an einer wichtigen Altstraße innegehabt[2]. Darin sieht auch Meibeyer ein schwerwiegendes Indiz dafür, dass die Burg bei Wienhausen gestanden haben könnte. In der Tat ist nicht ganz klar welchen Verteidigungsauftrag die Anlage bei Müden gehabt haben soll.

4.  Ringwall bei Wienhausen


Wo mag der genaue Standort der Mundburg in Wienhausen gelegen haben?
Meibeyer führt in seinem Aufsatz auffällige Bewuchsmerkmale unweit der Aller an, die auf einem Luftbild sichtbar geworden sind[3]. Andere Vermutungen deuten darauf hin, dass die Burg am Ort des heutigen Klosters oder des ehemaligen Jagdschlosses gestanden haben könnte. Dennoch erscheint eine andere Möglichkeit ebenfalls naheliegend.

4.1. Standort des Ringwalls bei Wienhausen


In den Ausläufern des „Sunder“[4] kann man die Überreste einer Ringwallanlage erkennen. Die Anlage befindet sich unweit des alten Verlaufes der Oker und liegt damit relativ genau in der Spitze, die sich aus dem Zusammenfluss von alter Oker und der Aller ergibt.



[1] Quelle: Meibeyer, Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen?
[2] Vgl. Meibeyer, Lag Bischof Bernwards Mundburg in Wienhausen?
[3] Siehe Fußnote 66.
[4] Waldgebiet westlich von Wienhausen und Östlich von Bockelskamp. 





Bild: Ringwall Wienhausen[1].

In der offiziellen Inventarisation des Landesamtes für Denkmalpflege Niedersachen wird die westlich von Wienhausen belegene Anlage bereits unter der Identifikationsnummer 351/3978.00003-F und mit der Bezeichnung „Ringwall“ geführt[2]. Die Anlage ist mit einem Durchmesser von ca. 80m, bestehend aus 3 ringförmigen Wällen und 2 ebensolchen Gräben (vor dem inneren und mittleren Wall) beschrieben[3]. Die Länge des Walls beträgt ca. 160 m. Damit ist die Anlage größenmäßig mit der Burg bei Warenholz identisch. Es wurden durch H.G. Berger in 2003 bereits Probegrabungen durchgeführt, die allerdings bei der großen Innenfläche nur Stichprobencharakter haben konnten. Datierende Funde konnten bislang keine gemacht werden.

Der Bearbeiter des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege Nelson gab als mögliche Deutung an, die Anlage könnte fortifikatorischen Ursprungs sein[4]. Er schließt aus der geografischen Lage, es könne ein Zusammenhang mit der alten Poststraße zwischen Celle und Gifhorn bestehen, die nordöstlich des Ringwalls durch den Sundern verläuft. Auch die Nähe zur alten Oker zieht Nelson für eine mögliche Deutung als Burganlage in Betracht. Recht unwahrscheinlich dagegen scheint seine Deutung als Immenzaun oder Gehege. Diese Vermutung ist leicht widerlegt, zumal die Anlage bereits im Messtichblatt Bröckel eingezeichnet ist.



[1] Quelle: Google Earth. Rot: Ringwall. Grün: alte Oker.
[2] Karteiblatt des NLD Nr. 351/3978.00003-F, 2003.
[3] Siehe Fußnote 70.
[4] Fortifikatorisch meint einen Festungsbau i.S.e. Wehranlage. 




Bild: Ringwall im Messtichblatt Bröckel[1]. Unten links.

Damit ist sowohl ausgeschlossen, dass es sich bei dem Ringwall um ein Kriegsrelikt handelt, da das Messtichblatt aus dem Jahr 1901 stammt, als auch die Theorie einer Immenstelle widerlegt. Diese landwirtschaftlichen Nutzflächen wurden in den Messtichblättern nämlich durch eine gesonderte Bezeichnung bzw. Symbolik ausgewiesen.

Darüber hinaus taucht der Ringwall bereits in der Kurhannoverschen Landesaufnahme aus dem Jahr 1781 auf.



[1] Quelle: Messtichblatt 1901, Blatt Bröckel. 



Bild: Ringwall bei Wienhausen[1].

Darin ist der Ringwall als Erhöhung mit deutlicher Schattierung verzeichnet. Es stellt sich die Frage warum das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege der Anlage bislang keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt hat, wo doch explizit auf der Website des NLD darauf hingewiesen wird, dass die Burgenforschung zu den Schwerpunktbereichen des NLD zählt[2].

Es soll nun näher darauf eingegangen werden welche Standortvorteile dieser mögliche Ringwall innehatte um dann im Folgenden zu analysieren, ob es sich bei der Anlage möglicherweise um die gesuchte Mundburg Bernwards handeln könnte.

4.2.  Standortbetrachtung des Wienhäuser Ringwalls


Wie bereits herausgestellt gibt es bestimmte Faktoren, welche die Errichtung einer Wehr-/Burganlage begünstigen bzw. nachteilig beeinträchtigen können[3]. Aus den Deutungen im Karteiblatt des Ringwalls bei Wienhausen gehen bereits einige der Faktoren hervor.

Geologische Betrachtung:



[1] Kurhannoversche Landesaufnahme, Blatt Wienhausen.
[2]http://www.denkmalpflege.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=12636&article_id=55566&_psmand=45
[3] Siehe Abschnitt 3.3.



Bild: Geologische Karte des Waldgebietes Sunder bei Wienhausen 1:50.000[1]. Rot: Ringwall.

Aus der geologischen Betrachtung geht hervor dass der Ringwall am Ausläufer einer alten Düne errichtet wurde (hellgelb). Es handelt sich bei dem Untergrund um nichtbingige Lockergesteine: Dünensand – umgangssprachlich auch Sandboden.
Umgeben wird der Standort von Lockergesteinablagerungen, welche sich durch organische Ablagerungen vom eben beschrieben Untergrund unterscheiden[2].

Der Ringwall liegt also am äußersten Ende einer Düne. Dieser Standort ist in der Gegend einzigartig, da er einerseits den nächstgelegensten Punkt zum ehemaligen Zusammenfluss von Aller und Oker bildet. Andererseits dürfte dieser Standort auch das einfache Anlegen einer Burganlage erleichtert haben, da der Sand leicht abgetragen werden konnte.



[1] Quelle: NIBIS Kartenserver, Geologische Karte, 1:50.000, Niedersachsen.
[2] Siehe Fußnote 77.



Hydrologische Betrachtung:


Bild: Hochwassergefährdung im Sunder[1]. Rot: Ringwall.

Hochwasser konnten einer Burganlage am Untersuchten Standort kaum etwas anhaben (siehe Karte „Hochwassergefährdung im Sunder“). Die Anlage liegt also nicht nur von ihrer Bodenbeschaffenheit überaus günstig. Auch betreffend der Hydrologie der Region ergeben sich entscheidende Vorteile. Diesbezüglich liegt der Ringwall ebenfalls auf dem nördlichsten Punkt, der zu einer Errichtung einer solchen Wehr-/Burganlage sinnvoll ist.

Ein Zusammenhang mit dem von Meibeyer erwähnten Altstraßenverlauf (siehe Abschnitt 3.3.) kann ohne weiteres nicht hergestellt werden. Der angenommene Straßenverlauf zwischen (Wienhausen – Eicklingen) liegt in einiger Entfernung in Richtung Osten. Allerdings könnte die Burg durchaus eine Verteidigungsfunktion eingenommen haben, da sich die einzige Angriffsflankte trichterförmig in Richtung der benannten Altstraße öffnet. Das macht Angriffe sicherlich einerseits kontrollierbar. Andererseits könnte die Burg überaus gut als Rückzugspunkt für vorgeschobene Vorposten genutzt worden sein. Angreifende Verfolger wären dann ohne es zu ahnen in eine Art natürlichen Hinterhalt geraten. Bogenschützen und Speerträger hätten diesen Vorteil ausnutzen können.


4.3.  Fotografische Belege


Es sollen nun einige fotografische Belege der Ringwallanlage vorgestellt und im Folgenden Abschnitt erläutert werden.



[1] Quelle: NIBIS Kartenserver, Hydrologische Übersichtskarte (Hochwassergefährdung), 1:50.000, Niedersachsen.


Bild: Ringwall bei Wienhausen im März 2013[1].



[1] Quelle: eigenes Bild. 



Bild: Ringwall bei Wienhausen im März 2013[1]. Rote Linien verdeutlichen den Verlauf.



[1] Quelle: eigenes Bild. 




Bild: Ringwall bei Wienhausen im März 2013[1].



[1] Quelle: eigenes Bild.



Bild: Ringwall bei Wienhausen im März 2013[1]. Rote Linien verdeutlichen den Verlauf.



[1] Quelle: eigenes Bild.



Bild: Ringwall bei Wienhausen im März 2013[1].



[1] Quelle: eigenes Bild.



Bild: Ringwall bei Wienhausen im März 2013[1]. Rote Linien verdeutlichen den Verlauf.



[1] Quelle: eigenes Bild.




4.4.  Erläuterung der Fotografischen Belege


Die Anlage ist mit dem bloßen Auge besser erkennbar als Fotos es festhalten können. Dennoch lassen sich die, in gleichmäßigem Abstand verlaufenden Wälle, mittels Hilfslinien gut sichtbar machen. Der durchschnittliche Abstand der Wälle zueinander beträgt etwa 1,5 m. Die Höhe ist im Mittel entsprechend in der Karteikarte des NLD korrekt mit 0,5 m angegeben[1]. Auffällig ist, dass der äußere Wall höher ist, als der innere. Innerhalb der Ringwälle befindet sich eine nahezu ebene Fläche. Besondere Bewuchsmerkmale können weder vor Ort noch auf Satellitenbildern festgestellt werden.

Eine bereits erfolgte GPS-Vermessung hat gezeigt, dass die Wälle und die damit verbundenen Gräben unwesentlich oval verlaufen.



[1] Siehe Abschnitt 4.2.


Bild: Ergebnis der GPS-Vermessung[1].

Die GPS-Vermessung wurde mehrfach durchgeführt, um die mögliche Abweichung im Mittel möglichst gering zu halten.



[1] Quelle: eigene Messung, Bild: Google Earth.




Aktuelle Entwicklungen: 

Kürzlich gab es Bestrebungen die Mundburg bei Müden archäologisch nachzuweisen: 


Für eine Prospektion und mögliche Ausgrabung hatte sich die Heimatforscherin Anneliese Leffler eingesetzt, die nötige Genehmigungen eingeholte und eine Grabungsfirma beauftragte. Die mutmaßliche Lage der Mundburg, bzw. die Flächen die in den vergangenen Wochen untersucht werden sollten, lassen sich aus den Zeitungsartikeln entnehmen. 

Laut Aussage von Anneliese Leffler sollte  die Mundburg demnach südlich von Müden und westlich der heutigen Oker liegen. Auf Luftbildern/Satellitenbildern (Google Earth) erkennt man an der Stelle eine auffällige Bodenstruktur. In der Kurhannoverschen Landesaufnahme von 1780 ist an der Stelle eine Düne/Erhebung eingezeichnet. 


Bild: mutmaßlicher Standort der Burg laut Anneliese Leffler. Quelle: Google Earth. 

Es wird jedem Aufmerksamen Betrachter aber schnell bewusst, dass diese Stelle nicht der Ort sein kann, an dem sich früher einmal die Mundburg befand. 

Folgende Gründe dies aus: 
  • Die auffällige Bodenstruktur ist um ein Vielfaches zu groß. Während die Burg bei Warenholz und der Ringwall bei Wienhausen einen Durchmesser von ca. 80 m und einen Umfang von rd. 150 m haben, misst diese Bodenstruktur etwa 150 m im Durchmesser und rd. 550 m im Umfang - zu groß also für eine Schutzburg. Die vergleichbaren Burganlagen in Burg (Celle) und Altencelle sind ebenfalls nicht so groß. 
  • Das Gelände ist viel zu feucht gewesen. Niemand würde eine Burg mitten in sumpfiges Marschgelände bauen. Noch auf dem Messtichblatt von 1901/1937, sowie auf der Karte von 1945 (War Office) sind zahlreiche Staugräben erkennbar, die nötig waren, um die Felder zu entwässern. Ohne diese Anlagen und ohne den begradigten Okerlauf war die Gegend schlichtweg zu feucht für eine Burg. 
  • Die Oker mündete früher weiter östlich (vgl. O. Meier, Die frühmittelalterliche Münzstätte „Mundburg“ des Bistums Hildesheim). Strategisch hat die Lage der Burg dort also keinen Sinn. 
Laut Anneliese Leffler brachte eine Feldbegehung mit dem Metalldetektor an der Stelle 46 Ausschläge. Es ist fraglich, ob dies die These nach einer frühmittelalterlichen Burg bestärken kann. Auf jedem anderen Ackerstück, das in den letzten 100 Jahren bewirtschaftet wurde, wird man auf derselben Flächengröße mindestens dieselbe Anzahl von Signalen erhalten. 

Auch der Kreisarchäologe Andreas Wallbrecht merkt an: „Die Luftbilder weisen auf Flussstrukturen hin. Aber ich würde dort nicht graben. Verschollenes Fundmaterial aus den 50er Jahren deutete nicht auf die Mundburg hin (Zitat: Gifhorner Rundschau (02.01.2013)). 



Mittlerweile sind die Ergebnisse der Untersuchungen bei Müden ausgewertet. Es konnten dort keine Hinweise auf die Mundburg gefunden werden. Die Geomagnetische Untersuchung lieferte demnach keinen Beweis dafür, dass die Burg einst bei Müden stand. 


Nachforschungen im Herbst 2013


Im Herbst 2013 wurde die Verdachtsfläche bei Wienhausen näher untersucht. Dr. Cornelia Lohwasser, die derzeit in Altencelle forscht, unterstützte die Aktion an der sich auch Mitglieder der Sondengänger-Gemeinschaft Allertal  und ein Archäologiestudent aus Bamberg beteiligten. Das Gelände wurde mit Genehmigung der Denkmalbehörden und Erlaubnis des Besitzers mittels Metallsonden und eines professionellen Magnetik-Messgerätes untersucht. 


Bild: Einmessen der Untersuchungsflächen.
Quelle: eigenes Bild. 


Bild: Einmessen der Untersuchungsflächen.
Quelle: eigenes Bild. 


Bild: Einmessen der Untersuchungsflächen.
Quelle: eigenes Bild. 


Bild: Einmessen der Untersuchungsflächen.
Quelle: eigenes Bild. 


Bild: Einmessen der Untersuchungsflächen.
Quelle: eigenes Bild. 


Bild: Metalldetektoren im Untersuchungsgebiet. 
Quelle: eigenes Bild.


Bild: Stein- und Ziegelfunde. 
Quelle: eigenes Bild.


Bild: Einmessen der Untersuchungsflächen.
Quelle: eigenes Bild.


Bild: Einmessen der Untersuchungsflächen.
Quelle: eigenes Bild.


Ein unschöner Fund...

Bei der Begehung mit den Metalldetektoren kam ebenfalls eine intakte Stabbrandbombe aus dem Zweiten Weltkrieg zutage. Derartige Brandbomben wurden ursprünglich genutzt, um Bombenabwurfstellen zu markieren. Später wurden sie jedoch auch genutzt, um Flächenbrände in Großstädten, wie Hamburg, Kassel oder Dresden zu entfachen. Aufgrund des weißen Phosphors waren diese Brandbomben früher äußerst gefährlich für die Einsatzkräfte. Hinzu kommt, dass einige dieser Geschosse mit einem so genannten Zerlegezünder versehen wurden, um die Brandbekämpfer gezielt am Löschen zu hindern. Auch heute kann von diesen Brandbomben noch Gefahr ausgehen. 


Bild: Stabbrandbombe an der Untersuchungsfläche.
Quelle: eigenes Bild.


Der Fund wurde ordnungsgemäß der Polizei gemeldet und von den Kräften des Kampfmittelbeseitigungsdienstes entfernt. 

Bild: Polizei an der Untersuchungsfläche. 
Quelle: eigenes Bild. 


Ergebnisse der archäologischen Untersuchung

Es konnten bei der Untersuchung des Erdwalls im Wald bei Wienhausen keine Nachweise erbracht werden, dass es sich dabei um die Mundburg handelt. Bei der Begehung mit Metalldetektoren, durch die Sondengänger-Gemeinschaft Allertal wurden keine relevanten Objekte für die Mundburg-Theorie gefunden. Auch die geomagnetische Untersuchung durch Dr. Lohwasser lieferte keinen Beleg für eine Burganlage im Wald bei Wienhausen. Die Auswertung der Bilder ergab keine Hinweise auf Bodenstrukturen (Pfostenlöcher etc.). 

Erstaunlicherweise gibt es im Wald südlich von Lachendorf, also in nur ca. 5 Km Entfernung, einen sehr ähnlichen Ringwall. Auch hier handelt es sich um drei Gräben und drei Erdwälle, die auf den ersten Blick durchaus den Eindruck erwecken einen fortifikatorischen Charakter zu haben. 

Bild: Ringwall südlich von Lachendorf. 
Quelle: eigenes Bild. 


Der Kulturlandschaftsforscher Florian Friedrich brachte möglicherweise die Lösung des Rätsels: es könnte sich bei den Ringwällen bei Wienhausen um eine alte Immenstelle handeln. Immenstellen / Bienenzäune sind ein Forschungsschwerpunkt Friedrichs. Diese umwallten Orte an denen einst Bienenkörbe (Immen = Bienen) aufgestellt wurden, lagen meist außerhalb der Ortschaften und besaßen teilweise derartige Erdwälle. Der Ringwall bei Lachendorf ist laut einer alten Karte ebenfalls als ein solcher Immenwall eingetragen. 


Bild: Immenstelle (Nachbau im Museum in Celle). 
Quelle: http://www.cellesche-zeitung.de/S123748


Die Deutung einer Immenstelle ist insofern plausibel, da die gefundenen Ziegelreste von der Überdachung der Bienenkörbe stammen könnten. Im Bomann-Museum in Celle befindet sich eine authentische Rekonstruktion einer solchen Immenstelle mit eben einer derartigen Überdachung aus Ziegeln. 


5.    Abschließendes Fazit


In dem vorliegenden Aufsatz wurden die bisher zur Mundburg existierenden Theorien vorgestellt und kritisch gewürdigt. Während Meier in seinem Aufsatz zu dem Ergebnis kommt die Mundburg habe bei Müden (Dieckhorst) gestanden, vertritt Meibeyer den Standpunkt die Burg hätte bei Wienhausen ihren Platz gehabt. Existenzielle Grundlage beider Argumentationen ist die urkundliche Aussage die Mundburg habe am Zusammenfluss von Oker und Aller gestanden. Der ursprüngliche Verlauf des Okerflusses ist also elementare Grundlage für die Bestimmung des Standortes.

Sowohl Meier als auch Meibeyer treffen in sich schlüssige Aussagen. Dass der Verlauf der alten Oker darüber hinaus differenziert betrachtet werden muss, konnte im vorliegenden Aufsatz herausgestellt werden. Letztlich sprechen alle geografischen Geländemerkmale dafür, dass die Oker einst zwischen Wienhausen und Bockelskamp in die Aller mündete. Unklar ist weiterhin ab wann die Oker ihren Lauf veränderte und bei Müden in die Aller mündete. Sollte dieses Ereignis vor 993, dem angenommenen Errichtungsjahr der Mundburg, liegen, würde dies bedeuten, die Mundburg hätte tatsächlich bei Müden gestanden[1]. Wäre die Oker erst später, wie Meibeyer annimmt, verlegt worden würde dies zu dem Schluss führen, dass der Standort bei Wienhausen zu suchen ist. Dabei muss allerdings bedacht werden, dass der „Durchstich“ bei Meinersen erst in den Jahren 1879 bis 1881 erfolgte.

Ob aus der Erlaubnis durch Herzog Magnus die Oker, durch bauliche Maßnahmen schiffbar zu machen, auf eine Verlegung des Flussbettes geschlossen werden kann, ist fraglich. Der Flussverlauf vor der Begradigung 1879 bis 1881 lässt sich aus der Kurhannoverschen Landesaufnahme (1780) ablesen. Dieser beinhaltet viele, teils sehr starke Meanderbiegungen der Oker im Verlauf zwischen Meinersen und Müden. Es ist sehr fraglich, ob man diesem kurvenreichen Fluss nachsagen kann er sei künstlich von Menschenhand entstanden. Besonders die mit der starken Meanderbildung verbundenen Untiefen und entstehenden Strudel deuten eher darauf hin, dass es sich um einen natürlichen Flussabschnitt handeln muss. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die alte Oker sich selbst ein neues Flussbett gesucht hat.

Ebenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass es über eine gewisse Zeit zwei Okerströme gab. Träfe dies für die Gründungszeit der Mundburg zu, hätte es auch zwei Mündungen in die Aller gegeben die der Beschreibung Thangmars nach für den Standort der Burg infrage kämen. Zumal noch heute im Wald zwischen Wienhausen und Sandlingen ein tiefes, wasserführendes altes Okerflussbett vorhanden ist, scheint diese Vermutung nicht abwegig.

Bei der Annahme, die Mundburg hätte, durch die Lage an einer wichtigen Wasserstraße einen Standortvorteil innegehabt, liegt ein Denkfehler vor. Denn die Gründung der Burg und die Nutzung der Oker als schiffbare Wasserverbindung fallen nicht nur in unterschiedliche Epochen, sondern erfolgten auch aus verschiedenen Motivationen heraus. Zu jener Zeit, als die Okerschifffahrt aufkam, hatte die Mundburg längst ihren ursprünglichen Zweck, nämlich Slawenüberfälle zu vermeiden, verloren. Die Lage der Burg bei Wienhausen wird also nicht dadurch bedingt, dass es sich bei der „Wienhäuser Oker“ eventuell zu dieser Zeit um einen Altarm gehandelt haben könnte, der keine Verbindung mehr zur fließenden Oker bei Seershausen/Meinsersen hatte.

In Müden (Dieckhorst) konnten bislang keine eindeutigen archäologischen Funde gemacht werden. Der bei Wienhausen belegene, in diesem Aufsatz erstmals wissenschaftlich gewürdigte Ringwall, wurde bislang eher stiefmütterlich durch die Landesarchäologie behandelt. Der Beschreibung nach weist die Anlage alle erforderlichen Merkmale auf, die die Hypothese einer Burganlage untermauern würden. Sowohl die Art und Anzahl der Wälle, als auch die größentechnischen Dimensionen des Ringwalls entsprechen denen einer frühmittelalterlichen, fortifikatorischen Burganlage.

Aufgrund der unterschiedlichen Faktoren (alter Okerverlauf bei Wienhausen (evtl. Altarm), günstige Anbindung an Altstraßen, geologische Einflussfaktoren etc.) und aufgrund der Tatsache, dass sich an ebender, durch Thangmar umschriebenen Position, ein sichtbarer Ringwall befindet, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Mundburg bei Wienhausen stand.

Der Ringwall wurde im Jahr 2013 durch die Archäologin Dr. Cornelia Lohwasser und Helfer der Sondengänger-Gemeinschaft Allertal untersucht. Dabei konnten keine Auffälligkeiten festgestellt werden, die auf die Mundburg schließen ließen. Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei dem Ringwall bei Wienhausen also nicht um eine Burganlage, sondern um eine alte Immenstelle. Diese These wird u.a. vom Kulturlandschaftsforscher Florian Friedrich unterstützt. 

Auch die Untersuchungen bei Müden verliefen bisher ergebnislos. Somit bleibt die Frage offen, wo die einstige Mundburg stand. Weiterhin ist es sehr wahrscheinlich, dass sich die Burganlage nicht bei Müden befand, sondern weiter entlang der Aller flussabwärts. Dort flossen früher zwischen Wienhausen und Bockelskamp Aller und Oker zusammen. Auch spricht die geschichtliche Entwicklung Wienhausens sehr dafür, dass der Ort bereits früher eine hohe Bedeutung gehabt haben muss. Vielleicht stand die Mundburg dort, wo sich heute das Zisterzienserkloster erhebt, oder dort, wo sich einst das Wienhäuser Jagdschloss befand. 

In jedem Fall muss weiter gesucht werden, um den genauen Standort vielleicht irgendwann ermitteln zu können. Mit großer Wahrscheinlichkeit muss die Suche im Raum Wienhausen fortgesetzt werden. 


Hendrik Altmann




[1] Ausgehend von der Annahme die These des Standortes am Zusammenfluss von Oker und Aller ist korrekt.



Weitere Quellen und Recherchemöglichkeiten: 







Viele Grüße, 

Hendrik