f Februar 2015 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Freitag, 27. Februar 2015

Umbenennung der Werner von Fritsch Straße (Scheuen)

In der Stadt Celle und im umliegenden Landkreis ist die Umbenennung von Straßen ein  gut gepflegter Brauch. Alle Jahre wieder werden Straßennamen, die sich seit Generationen wie selbstverständlich ins kollektive Gedächtnis eingeprägt haben, geändert. 

Dieser Brauch dient nicht etwa, um die Lernfähigkeit der Bürger zu fördern - vielmehr  gründen sich diese Maßnahmen darauf, dass den historischen Namensgebern einstige Sünden zum Verhängnis werden. 

Als prominentes Beispiel wäre etwa der "Hannah-Fueß-Weg" in Altencelle zu nennen. Und auch, wenn die "Kanonenstraße" das NS-System nicht unterstützte - auch sie wurde umbenannt. Kanonen haben wohl generell etwas Negatives an sich. Die Umbenennung der "77er-Straße" ist noch nicht gänzlich vom Tisch - da kommt auch schon eine neue Straßenbezeichnung unters Namens-Scharfott: die "Fritschstraße" in Scheuen

Wem diese Straße nun auf Anhieb unbekannt vorkommt - das ist wenig verwunderlich. Sie liegt ganz im Norden von Scheuen - einst führte sie zur ehemaligen Fritsch-Kaserne der Bundeswehr, die allerdings bereits seit einigen Jahren geschlossen wurde. Anlieger gibt es an der Straße nur wenige. 

Bild: Fritschstraße Scheuen. Quelle: Google Earth. 


Verfolgt man die öffentliche Diskussion um diese und andere Umbennungen von Straßennahmen, so liest man häufig Kommentare wie: "Steuerverschwendung", "Schaffen wir doch gleich die ganze deutsche Geschichte ab" oder "Wenn wir sonst keine Sorgen haben..." 

Wird hier wirklich leichtfertig mit der Geschichte umgegangen, oder steht ein sinnvolles Vorhaben hinter einer solchen Umbenennung? 

Es liegt auf der Hand, dass die eine Umbenennungsmaßnahme nur im seltensten Fall mit anderen vergleichbar ist. Alleine schon, weil die Namensgeber regelmäßig aus völlig unterschiedlichen Epochen stammen, kann ein direkter Zusammenhang ausgeschlossen werden. Demnach kann eine Umbenennung in einem Fall ungerechtfertigt sein und in einem anderen Fall durchaus sinnvoll. 

Wie ist es also erklärbar, dass die allgemeine Reaktion auf eine Änderung einzelner Straßennamen meist mit den gleichen Argumenten ablehnend ist? 

Man sollte sich in jedem Fall vor einer pauschalen Ablehnung hüten. Eine umfassende Untersuchung dieses Themas hat bereits der Historiker Bernhard Strebel im Auftrag der Stadt Celle durchgeführt. In seiner Abhandlung lässt Strebel nur wenig Gutes an Werner Freiherr von Fritsch. Eine direkte Handelsempfehlung ist dies zwar noch nicht - wirft jedoch die Frage auf, weswegen seit dem Erscheinen der Untersuchungsarbeit mehr als vier Jahre ins Lang gingen, bis man sich nun der Fritschstraße zuwendet. 

Und überhaupt - was wird dem besagten "Werner Freiherr von Fritsch überhaupt zur Last gelegt? 

Die Cellesche Zeitung bezeichnet Fritsch in einem Artikel als "Nazi, Anti-Demokraten und Judenhasser". Ohne Frage gibt es heute schlagkräftige Belege für diese Aussage in der Literatur. 

Fritsch, der am 4. August 1880 in Benrath bei Düsseldorf geboren wurde, hatte bereits den Ersten Weltkrieg erlebt. Am 1. Februar 1934 wurde er Chef der Heeresleitung. Bereits in einem Brief an seinen Offizier Joachim von Stülpnagel hatte er seine Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass General Hans von Seeckt eine Diktatur errichten möge. Die Weimarer Republik war Fritsch ein Dorn im Auge. "Schwarz, Rot und Gold" bezeichnete er im besagten Brief sogar als eines seiner Feindbilder - neben Pazifisten, Demokraten und Juden. 

Im Juli 1933 verklärte er die "nationalsozialistische Ideenwelt zum Träger deutschen Geisteslebens schlechthin". Wer gegen die nationalsozialistische Ordnung handle, sei ein Verbrecher, so Fritsch. In einem Brief an Margot von Schutzbar-Michling schrieb Fritsch: 

"Bald nach dem Krieg kam ich zur Ansicht, daß drei Schlachten siegreich zu schlagen seien, wenn Deutschland wieder mächtig werden sollte: 1. die Schlacht gegen die Arbeiterschaft, sie hat Hitler siegreich geschlagen; 2. gegen die katholische Kirche, besser gesagt den Ultramontanismus, und 3. gegen die Juden. In diesen Kämpfen stehen wir noch mitten drin. Und der Kampf gegen die Juden ist der schwerste."



Bild: Werner von Fritsch, 1932

Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-R16862 / CC-BY-SA



Trotz dieser deutlichen Worte blieb Fritsch auf Distanz zur NSDAP und erhielt den Ruf eines "unpolitischen Soldaten", wobei er mit seiner Meinung im Privaten scheinbar nicht hinterm Berg hielt. Diese Haltung stieß bei einigen NS-Bonzen nicht auf Gegenliebe: in der Blomberg-Fritsch-Krise (Januar 1938) wurde seitens Heinrich Himmels eine Intrige gegen Fritsch geschürt. Ihm wurde Homosexualität unterstellt - zur damaligen Zeit ein gefährlicher Vorwurf. Als Generaloberst starb Fritsch bereits zu Beginn des Zweiten Weltkrieges im Feuer eines polnischen Maschinengewehrs am 22. September 1939. Jakob Knab sieht Fritsch als "Meisterstück der Verdrängung" an - in seinem Werk "Falsche Glorie, Das Traditionsverständnis der Bundeswehr" zeigt er auf, wie Fritsch im späteren Verständnis zu einem "aufrechten Mann des Widerstandes" wurde, obgleich er dies nie gewesen ist. 

Es wird wohl deutlich, dass Fritsch nicht zu denjenigen Personen zählen kann, die es heute verdienen, dass eine Straße nach ihnen benannt wird. 

Die Umbenennung der Fritschstraße in Scheuen ist verständlich. Und dennoch falsch. Falsch, weil es niemandem hilft einen Straßennamen zu vergessen. Es hilft weder den Menschen, die in Konzentrationslagern ermordet wurden, noch macht es die heutige Welt besser, wenn sie sich nicht an Werner von Fritsch erinnert. Sicher - heute würde man es anders machen. Aber Geschichte lässt sich nicht durch Namensänderungen austricksen. 

Am sinnvollsten wäre es daher die Geschichte aus heutiger Sicht konsequent und weise zu behandeln. Eine kleine Tafel über die Biografie des Werner von Frisch am Straßenschild würde ausreichen, um deutlich zu machen, dass man heute sehr wohl in der Lage ist sich von NS-Persönlichkeiten auf kluge Art und Weise zu distanzieren. 

Es ist wie mit den Monstern im Schrank - sie verschwinden auch dann nicht, wenn man sich die Augen zuhält. 

______________________________________________________________________
Quellen: 

Bernhard Strebel: Es ist nicht ganz einerlei, wie di Straße heißt in der man wohnt, Straßennamen in Celle und personelle Verbindungen mit dem Nationalsozialismus, Hannover 2010. 

Cellesche Zeitung, Scheuen schafft Nazi-Straße ab, 26.02.2015. 

Wolfram Wette, The Wermacht, History, Myth, Reality, Frankfurth/Harvard 2002/2007. 

Jakob Knab, Falsche Glorie, Das Traditionsverständnis der Bundeswehr, Berlin 1995. 

Robert S. Wistrich, Who's Who in Nazi Germany, New York 1982. 


Donnerstag, 26. Februar 2015

Die Lehren aus dem Barbarenschatz-Urteil (Kommentar)


Mit Spannung hatten viele Hobbyforscher und Sondengänger den Prozess um den spektakulären Hortfund von Rülzheim, besser bekannt unter dem Namen "Barbarenschatz"  erwartet. Ein hobbymäßiger Sondengänger hatte den Fund im Frühjahr des Jahres 2014 bei seiner Suche entdeckt und eigenständig geborgen. Archäologen und Denkmalbehörden zeigten sich entsetzt, denn durch die unsachgemäße Bergung des Fundes war eine Rekonstruktion der Fundzusammenhänge nicht mehr möglich. So kam die Sache vor Gericht, denn abgesehen von der eigenmächtigen Bergung wurde dem Finder zusätzlich die Unterschlagung des Fundes vorgeworfen. 

In den folgenden Wochen und Monaten sorgte der Barbarenschatz immer wieder für hitzige Diskussionen in Foren und sozialen Netzwerken. Grund für die gesteigerte Aufmerksamkeit in der Sucher-Szene war meist schlicht und einfach die Frage wie die Sache wohl ausgehen  würde. Ein entsprechendes Urteil könnte Auswirkung auf andere Sondengänger besitzen, obwohl die Umstände des Sachverhalts denkbar schlecht auf andere Sondengänger übertragbar sind. 

Doch die Befürchtungen sind nicht unbegründet. Kaum ein anderer Fall eines privaten Schatzfundes erhielt in der Vergangenheit ein derart starkes mediales Echo. Die Konsequenzen sind offensichtlich: liest die breite Öffentlichkeit etwas über "Raubgräber" und laufen im Fernsehen Beiträge zu diesem Thema, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass solche nicht mehr unbehelligt suchen können. Informierte Spaziergänger werden sich wohl häufiger dazu aufgerufen fühlen einen gesichteten Sondengänger anzusprechen, oder sogar direkt die Polizei zu verständigen. 

Das nun vom Amtsgericht Frankenthal ergangene Urteil birgt, ob man es für zu hart oder zu milde empfindet, nicht nur für den Verurteilten Konsequenzen, sondern auch für viele andere Sondengänger, die ihrem Hobby bislang unbehelligt nachgehen konnten. Oftmals war dies nur aufgrund der Unwissenheit der Öffentlichkeit möglich - damit dürfte nun Schluss sein. 

Diese Entwicklung trifft viele Sondengänger direkt bei ihrer Ehre, zumal der Zwist zwischen Hobbyforschern und Archäologen schon seit Langem brodelt. Die Sucher haben es dabei nicht leicht - ein föderales Denkmalrecht sorgt bislang dafür, dass im Norden völlig andere Regelungen gelten, als im Süden der Bundesrepublik. Sondengänger sehen sich als "kriminalisiert" an und es wurde bereits eine "Sondengänger-Union" ins Leben gerufen, die sich gegen eine Bevormundung von behördlicher Seite zur Wehr setzen will. 

Ist also eine der Lehren aus dem Barbarenschatz-Urteil, dass es nun erst recht an der Zeit ist tiefe Gräben zwischen Sondengängern, Archäologen und Denkmalbehörden zu ziehen? Muss jetzt endlich ein Denkmalrecht nach englischem Vorbild eingeführt werden, welches eine Suche für jedermann ermöglicht? Das kann im Grunde niemand ernsthaft wollen, denn Archäologie eignet nicht nicht für derartige Experimente. 

Dass eine gute Zusammenarbeit dennoch möglich ist, zeigen zahlreiche Beispiele. So bietet das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege besondere Kurse für Sondengänger an. Dabei lernen die Teilnehmer elementare Vorschriften zu beachten, aber auch praxisorientiert zu arbeiten. Für diejenigen, die sich also ernsthaft als Sondengänger betätigen möchten, gibt es bereits gute Optionen. Diese sind allerdings noch weiter ausbaubar und weisen an manchen Stellen bislang Defizite auf. 

So herrschen oft, trotz Kooperationsmöglichkeit seitens des jeweiligen Bundeslandes, teilweise gravierende Unterschiede auf Kommunalebene. So kommen manche Sondengänger in den Genuss Vorteile zu nutzen, die bereits im benachbarten Landkreis nicht gegeben sind. 

Letztlich können alle Beteiligten nur von einer Zusammenarbeit profitieren. In diversen anderen Bereichen ist es ebenfalls nötig gewisse Prüfungen und Seminare zu durchlaufen. Niemand käme beispielsweise auf den Gedanken einen Führer- oder Waffenschein in Frage zu stellen. Zertifizierungskurse für ehrenamtliche Sondengänger sind somit der einzige sinnvolle Weg, dieser Thematik zu begegnen. 


Hendrik



Dienstag, 24. Februar 2015

Marinesperrzeugamt Starkshorn III



Es kommt nicht häufig vor, dass neue Erkenntnisse auftauchen, die eine alte Geschichte noch einmal richtig interessant werden lassen. 

Das ehemalige Marinesperrzeugamt Starkshorn im Wald zwischen Eschede und Unterlüss wurde bereits zweimal in diesem Blog behandelt (Links: Teil 1, Teil 2). Dabei blieben immer einige Fragen offen. In der Literatur ist diese Einrichtung zwar behandelt worden - aber auch hier sind nicht alle Details ans Licht gekommen. Wie in vielen der geheimen Produktionsstätten, wurden auch im Marinesperrzeugamt zahlreiche Unterlagen vernichtet. Es ist somit aus heutiger Sicht nicht mehr möglich alles zu rekonstruieren - auch wenn man sich bemüht. Es bleibt also gewissermaßen eine Puzzlearbeit. Das Internet kann dabei kaum helfen - es ist nicht gewiss welche Einheiten einst zum Einsatz kamen. Auch die Zeit der Auflösung der Einrichtung wirft Fragen auf. 

Nun kam kürzlich ein weiteres Puzzleteil ans Licht, das Aufschluss geben kann welche Ausmaße die Einrichtung einst hatte. Es handelt sich um eine Handskizze, die unmittelbar nach Kriegsende angefertigt wurde. Darauf wurden Wege, Gleise, Bunker und weitere Gebäude dieser Anlage verzeichnet. Es handelt sich bislang um die einzige detaillierte Karte der einstigen Munitionsfabrik. 

Bild: Marinesperrzeugamt Starkshorn. Quelle: Stadtarchiv Celle. 


Die Karte zeigt abgeteilte Bereiche (A-P), an denen einzelne Bunker eingezeichnet sind. Diese Bunker sind durchnummeriert und liegen sowohl an Wegen, als auch an einstigen Gleisen der ehemaligen Feldbahn. Nähere Informationen dazu wurden bereits in vorherigen Beiträgen erläutert (Links: Teil 1Teil 2). 

Auf der Karte findet sich der handschriftliche Hinweis "Unter Starkshorn ablegen" - welcher vermutlich erst nachträglich im Archiv vermerkt wurde. Die Ablage könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Karte so lange verborgen blieb - wenn man nicht explizit nach "Starkshorn" sucht, findet man sie nicht. 

Aber sie wurde im Archiv auch nicht direkt unter "Starkshorn" abgelegt, sondern in einer Akte zu den einstigen Munitionsanstalten im Landkreis. Nach Kriegsende gab es viele Firmen, die die restlichen Einrichtungsgegenstände verwerteten. 

Aber wie lässt sich diese abstrakte Karte deuten? Dazu kann man sie als Layer in Google Earth einbinden: 

Bild: Marinesperrzeugamt Starkshorn. Quelle: Stadtarchiv Celle / Google Earth. 


Einige der verzeichneten Objekte werfen Fragen auf. Im Süden ist beispielsweise eine "Werkstatt der Wehrmacht" eingetragen. Daneben finden sich Lagergebäude und zwei ominöse Bunkergebäude, die mit "V1" und "V2" bezeichnet sind - diese Bezeichnung fällt jedoch aus dem Schema der Karte heraus, denn die restlichen Bunker sind jeweils nach den Zonen A-P bezeichnet. So finden sich im Bereich A unter anderem die Lagerbunker A1 bis A13. Eine Zone "V" existiert aber nicht. Die beiden Objekte "V1" und "V2" fallen somit aus dem Schema heraus und stellen eigene, bislang nirgend erläuterte Objekte dar. 

Sollte es sich hier um einen Hinweis auf die V-Waffen (Vergeltungswaffen) befinden? Immerhin scheint es sehr seltsam, dass es kein V3 in der Karte gibt. Entweder es ist purer Zufall, oder hier besteht vielleicht wirklich eine Analogie zu den Raketenwaffen V1 und V2. 

Die Rückschlüsse lassen sich wie folgt in das aktuelle Satellitenbild übernehmen: 

Bild: Marinesperrzeugamt Starkshorn. Quelle: Google Earth. 


Deutlich fallen die gesprengten Bunker in der linken Bildhälfte ins Auge. Eine, und der Karte ebenfalls verzeichnete "Nebenwache" befindet sich im Norden des Geländes. 

Auch das in der Karte als "H-Stand" eingezeichnete Objekt wirft Fragen auf. Es findet sich keine schlüssige Deutung für dieses Objekt. Worum könnte es sich dabei handeln? Scheinbar war es dem Kartenersteller wichtig dieses Objekt gesondert hervorzuheben...

Bild: Lagerbunker im Marinesperrzeugamt Starkshorn. Quelle: Hendrik Altmann. 


Aus der entsprechenden Akte geht hervor, dass sich zahlreiche Firmen an der Verwertung der Gegenstände des Marinesperrzeugamtes nach Kriegsende beteiligten. Entsprechende Anfragen umfassen unter anderem Kabeltrommeln und Material, welches noch in den Bunker und Gebäuden lagerte. 

Die britischen Streitkräfte hatten unmittelbar nach Kriegsende mit der Vernichtung der Munition begonnen. Sauber wurde dabei nicht gearbeitet - oft wurden die Bunker mitsamt der Munition gesprengt, sodass bis heute nicht klar ist wie viel nicht detonierte Munition im Bereich liegt. Unbestätigten Quellen zufolge sollen ebenfalls Teile der sagenhafte V2-Rakete im Marinesperrzeugamt gefunden bzw. vernichtet worden sein. Lagen diese Teile bereits dort, oder wurden sie extra dorthin transportiert? 

Kurios: bei der Verwertung von einstigen Beständen des Marinesperrzeugamtes wurden unter anderem Uhren von Minenzündern für Standuhren genutzt. Ein Uhrenhersteller stellte einen Antrag an die zuständige Verwaltungsbehörde, um die Minenzünder-Uhren für den zivilen Gebrauch verwerten zu können. 


Die Masse der Bestände der Einrichtung war bereits kurz nach Kriegsende von der Bevölkerung geplündert worden. Was übrig war, wurde von verschiedenen Firmen ordnungsgemäß verwertet. 

Heute erinnern nur noch wenige Relikte an das ehemalige Marinesperrzeugamt bei Starkshorn. 

Bild: Fahrzeugarage im Marinesperrzeugamt Starkshorn. Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Fahrzeugarage im Marinesperrzeugamt Starkshorn. Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Trummer im Marinesperrzeugamt Starkshorn. Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Fahrzeugarage im Marinesperrzeugamt Starkshorn. Quelle: Hendrik Altmann. 


Bereits in zwei vorherigen Berichten wurde über das Marinesperrzeugamt bei Starkshorn berichtet (Links: Teil 1Teil 2). Trotzdem konnten bislang nicht alle offenen Fragen geklärt werden. Fehlende Dokumente und Unterlagen sind ein Grund dafür. 

Die kürzlich entdeckte Karte zeigt das Gelände unmittelbar nach Kriegsende und stellt damit eine wichtige Quelle dar, zumal es die einzige bisher bekannte und hinreichend detaillierte Karte des Areals ist. Darauf sind zahlreiche alte Bunker und ehemalige Gebäude verzeichnet. Teilweise werfen diese Fragen auf, die möglicherweise auch nie abschließend zu klären sind. Dennoch ist es wichtig diese Fragen zu stellen - nur so kann eine Erforschung dieser Einrichtung zu weiteren Erkenntnissen führen. 

Hendrik Altmann


Donnerstag, 19. Februar 2015

Tieffliegerangriff bei Wienhausen am 19. Februar 1945



Am 19.Februar 1945, einem für diese Jahreszeit recht warmen, Wintertag tobte der Zweite Weltkrieg an allen Fronten. Die Rote Armee hatte die Reichsgrenze überschritten* und die westlichen Alliierten rückten auf den Rhein vor. Während an diesem Tage deutsche Truppen die Stadt Breslau erbittert verteidigten, entbrannte im Pazifikkrieg die Schlacht um Iwojima. 


Heinrich Himmler, der Reichsführer SS, kontaktierte den schwedischen Grafen Folke Bernadotte. Graf Bernadotte sollte, als Vizepräsident des schwedischen Roten Kreuzes, eine Freilassung von KZ-Häftlingen erwirken. Himmler widersprach einer solchen Freilassung stimmte jedoch einer Betreuung durch das schwedische Rote Kreuz zu (Rettungsaktion der Weißen Busse). Bereits während der Gespräche versuchte Himmler einen separaten Frieden mit den westlichen Alliierten zu erwirken - allerdings ohne Erfolg. Auch im Landkreis Celle hinterließ dieser 19. Februar seine Spuren. Bereits häufiger war es in den vergangenen Tagen zu vereinzelten Tieffliegerangriffen gekommen. Von größeren Bombardierungen blieb Celle zumindest bis zum Anlaufen der "Operation Clarionam 22. Februar 1945 verschont. 



Bereits am 22. Januar 1945, also knapp einen Monat zuvor, war es zu einem Tieffliegerangriff auf einen Personenzug bei Winsen (Aller) gekommen. Vier Mädchen starben dabei. 

Am 19. Februar nun, verkehrte ein Personenzug zwischen Celle und Gifhorn. In der Langlinger Chronik erinnerte sich Helmut Siuts an jenen Tag. Er hatte am Morgen gemeinsam mit seinen Mitschülern den Zug von Müden (Aller) nach Celle bestiegen. Licht im Zug gab es keines - schließlich befürchtete man Tieffliegerangriffe. Der weithin sichtbare Dampf der Lokomotiven sorgte ohnehin schon für ausreichend Aufsehen. 

Siuts erinnerte sich, dass der Zug aus drei Personen-, einem Gepäckwaggon und einem Waggon mit einer Flugabwehrkanone (FLAK) bestand. Die FLAK wurde von zwei Soldaten bedient und sollte den Zug im Notfall gegen Flugangriffe schützen. 

Dieses Szenario wurde mehrfach geübt - ärgerlich für die Schüler war es nur, wenn solche Übungen auf dem Heimweg von Celle stattfanden, denn dann verzögerte sich die Ankunft Zuhause und es ging Freizeit verloren. Im Falle einer Luftschutzübung fuhr der Zug durch den Wienhäuser Bahnhof und überquerte die Straße nach Eicklingen, um anschließend im dichten Wald hinter dem Bahnübergang zu halten. Die Bäume sollten einen gewissen Schutz bieten - und dem angreifenden Piloten zumindest kein freies Schussfeld liefern. Im Rahmen der Übung mussten die Insassen den Zug verlassen und in Deckung gehen. Zumal die meisten Männer im Krieg waren, befanden sich vorwiegend Frauen, ältere Männer und Kinder in diesem Zug, der gegen Mittag des 19. Februar 1945 in Celle abfuhr.


Bild: Bahnhof Wienhausen (nach dem Krieg aufgenommen). 


Über Westercelle, Altencelle und Bockelskamp erreichte der Zug schließlich Wienhausen. Und wieder gab es hier Fliegeralarm. Man vermutete es handele sich auch jetzt nur um eine der Übungen. An diesem 19. Februar war es jedoch keine. 

Hermann Strothmann erinnerte sich, dass er sich als Jugendlicher zum Zeitpunkt des Angriffs im Wald hinter dem Wienhäuser Bahnhof aufhielt. Hier lag eine SS-Köhler-Kompanie, die in großen Meilern Holzkohle herstellte. Aufgrund der Benzinknappheit wurden damals einige Fahrzeuge (PKW und LKW), wie beispielsweise der VW Kübelwagen Typ 239 mit einem Holzkohlegemisch angetrieben. 

Es waren zwei englische Jagdflugzeuge - vermutlich Spitfires - die den Zug, nach Verlassen des Wienhäuser Bahnhofs, auf’s Korn nahmen. Strothmann bekam von seinem Standort aus nicht mit, welche Schäden die beiden Flugzeuge anrichten – wohl aber, dass sie mehrere Male kreisten und immer wieder erneut angriffen.


Bild: Bahnstrecke bei Wienhausen. Quelle: Google Earth / Karte 1945 als Overlay (grau schraffiert). 


Siuts erinnerte sich in der Langlinger Chronik, dass die beiden Soldaten, welche eigentlich die FLAK bedienten, zuvor auf dem Wienhäuser Bahnhof ausgestiegen waren. Der Zug fuhr scheinbar jedoch ein Stück weiter - der Fliegeralarm ist somit wohl nach Erreichen des kleinen Waldstückes hinter Wienhausen ausgegeben worden. 

Nun brach aber eine fürchterliche Schießerei los. Nach dem ersten Überflug kehrten die zwei Flugzeuge zurück. Passagiere stürzten auf beiden Seiten aus dem Zug. Siuts lief mit seinen Freunden in südliche Richtung – immer auf Eicklingen zu. Erneut setzten die Flugzeuge zum Angriff an. Die Menschen warfen sich der Länge nach auf den Boden. Jedes Mal, wenn die Flugzeuge den Zug überflogen hatten und in einer Schleife wendeten, konnten die Insassen ein kleines Stück weiter laufen, um aus dem Schussfeld zu entkommen. Dann setzte erneut der Beschuss ein. 

Erst nachdem der Angriff vorüber war, konnten die Überlebenden zum Zug zurückkehren. Karl Niemann, der als Schaffner den Zug begleitete, hatte noch die FLAK bedient und war tödlich verwundet worden. Bald trafen erste Rettungskräfte ein. Auf der linken Seite des Zuges, also nördlich der Bahnstrecke, war der Bewuchs spärlicher. Wegen der unzureichenden Deckung war es hier deutlich gefährlicher gewesen. Verwundete wurden in die Celler Krankenhäuser gebracht. Neben Karl Niemann wurden ebenfalls Margarethe Homann aus Langlingen und der Betriebsführer Robert Alexander Riedel tödlich verwundet.

Bild: Bahnstrecke bei Wienhausen heute. Quelle: Hendrik Altmann. 

Unverständlich bleibt, weswegen die Flugzeuge ein nicht-militärisches Ziel derart schwer attackierten. Es kann nur vermutet werden, dass die Piloten entweder absichtlich einen zivilen Personenzug angriffen, oder ihn für einen militärischen Transport hielten. Im letzteren Fall dürfte die zum Einsatz gekommene FLAK dazu beigetragen haben, dieses Missverständnis zu unterstützen. Das Motiv lässt sich bis heute nicht abschließend klären. Entsprechende Protokolle fehlen. Angriffe wie dieser waren in den letzten Kriegstagen allerdings keine Seltenheit. Den Überlebenden sind sie bis heute in Erinnerung geblieben.

Hendrik Altmann

*Anm.: Korrektur am 02.04.2015: 
Am 19. Februar stand die Rote Armee bereits auf dem deutschen Reichsgebiet. Breslau wurde bereits am 15. Februar von der Roten Armee eingeschlossen, jedoch noch bis um den 6. Mai 1945 durch die deutschen Truppen, welche in der Stadt eingeschlossen waren, verteidigt. 


________________________________________________________________________
Quellen: 
H. Schmidt-Harries; Langlinger Chronik, S. 362 f. 
H.J. Oelker; Familiendatenbank Celle Süd-Ost. 
Mdl. Gespräch mit Hermann Strothmann. 


Dienstag, 17. Februar 2015

Celle - Stadtentwicklung seit 1732 in nur einer Minute



Ihr wohnt schon lange in Celle und könnt euch manchmal immer noch keinen Reim darauf machen in welcher Epoche eure Straße entstanden ist? Seit wann gibt es euer Viertel - war dort einst Feld oder Wald und Wiese? 

Alle Einzelheiten lassen sich wohl anhand der folgenden kleinenZeitreise nicht klären. Aber dafür dauert sie ja auch bloß eine Minute. 

Über folgende Jahreszahlen bewegen wir uns in die Gegenwart: 1732, 1758, 1780, 1839, 1899, 1904, 1945, 1971, 1987. 

Viel Spaß damit :) 


Celle 1732 bis 1987 from S.t.a.l.k.e.r. on Vimeo.

Montag, 9. Februar 2015

Wochenendgebiet zwischen Nordburg und Schwachhausen




Es ist kein Geheimnis, dass sich die Landschaft um uns herum ständig wandelt. Heute leben mehr Menschen, als jemals zuvor - es ist also nicht verwunderlich, dass sich die Landschaft heutzutage schnell und tiefgreifend wandelt. Bereits 40 Jahre reichen schon, die Umgebung so zu beeinflussen, dass man sie beinahe nicht wiederkennt. 

So auch in diesem Fall. Noch vor rund 40 Jahren war der Wald zwischen Nordburg und Schwachhausen unbesiedelt - heute befindet sich dort das "Wochenendgebiet", welches in seiner Ausdehnung die umliegenden Ortschaften um ein Weites übersteigt. Auf der topografischen Karte von 1971 war davon allerdings noch nichts zu sehen...

Bild: Wald zwischen Nordburg und Schwachhausen. Quelle: TK LK Celle 1971. 


Heute finden sich an derselben Stelle Straßen und Häuser im Wald. Diese sind ebenfalls auf dem aktuellen Satellitenbild erkennbar. 

Bild: Wald zwischen Nordburg und Schwachhausen heute. Quelle: Google Earth.  


Maßgeblich geprägt wurde die Landschaft um das heutige Wochenendgebiet auch durch den Verlauf der Aller. Dieser wurde alleine in den letzten 60 Jahren mehrfach durch Flussbegradigungen angepasst. Ein im vergangenen Sommer aufgenommenes Luftbild zeigt die Flusslaufänderungen zwischen der Langfinger Schleuse und der Schwachhäuser Allerbrücke. Auf der linken Seite liegt das Wochenendgebiet im Wald. 


Bild: Aller zwischen Langlingen und Schwachhausen heute. Quelle: Hendrik Altmann.  


Aus der seitlichen Perspektive ist das heutige Wochenendgebiet kaum erkennbar. der Wald sieht so immer noch fast so aus, wie vor der Errichtung der ersten Wochenendhäuser. 


Bild: Wald zwischen Langlingen und Schwachhausen heute. Quelle: Hendrik Altmann.  



Aber wie sah die Gegend früher aus? 
Die Kurhannoversche Landesaufnahme aus dem Jahr 1780 zeigt die Landschaft zwischen Nordburg und Schwachhausen aus ausgedehnte Feldflächen. In deren Süden schlängelte sich der Allerstrom durch sumpfiges Wiesengelände. Eine direkte Straßenverbindung zwischen Schwachhausen und Nordburg gab es zwar nicht - wohl aber die Schwachhäuser Allerbrücke. Die Wegverbindung zwischen den beiden Orten zog sich geschwungen durch kleine Koppeln, Wiesen und Felder - das sogenannte "Bettenhoop" - dazu später mehr. 

Bild: Wochenendgebiet vor rund 240 Jahren. Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme um 1780.  


Vergleicht man die Karte von 1780 mit der aktuellen Satellitenaufnahme der Gegend, so werden deutliche Unterschiede erkennbar. Beispielsweise der alte Verlauf der Aller oder die Struktur der landwirtschaftlichen Flächen. Der größte Unterschied dürfte wohl darin liegen, dass 1780 der heutige Wald noch aus Feldflächen bestand - das zeigt jedenfalls die Karte. 

Bild: Wochenendgebiet vor rund 240 Jahren. Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme um 1780 / Google Earth.  


Um der Jahr 1850 fand in unserer Heimat eine einschneidende Flurbereinigung statt: die Verkopplung. Im Rahmen dieser Maßnahme wurde eine verblüffend exakte Karte gezeichnet, die für uns heute noch so manche spannende Information bereithält. Diese Karte lässt sich ebenfalls ins aktuelle Satellitenbild in Google Earth integrieren. 

Bild: Wochenendgebiet vor rund 150 Jahren. Quelle: Verkopplungskarte um 1850 / Google Earth.


Auch auf der Verkopplungskarte erkennt man, dass das heutige Wochenendgebiet einst noch als landwirtschaftliche Fläche genutzt wurde. Zahlreiche kleinere Parzellen waren unterteilt. Einige haben sich namentlich sogar noch bis heute erhalten. dazu gleich mehr. 

Blickt man in der Geschichte etwas weiter, so kann man sich die Karte des War Office von 1945 ansehen. Sie zeigt das heutige Wochenendgebiet bereits bewaldet - jedoch noch immer unbesiedelt. 

Bild: Wochenendgebiet vor rund 70 Jahren. Quelle: War Office 1945. 


Die Auswirkungen der Verkopplung werden besonders deutlich, wenn man die Karte von 1945 als Overlay in Google Earth einbindet und mit den älteren Kartendarstellungen vergleicht. 

Man erkennt, dass sich die Größe der Felder und der Verlauf der Aller im Süden stark gewandelt hat. 

Bild: Wochenendgebiet vor rund 70 Jahren. Quelle: War Office 1945 / Google Earth. 


Heute erinnert fast nichts mehr an jene Zeit. Die Infrastruktur hat sich maßgeblich gewandelt. 

Bild: Wochenendgebiet heute - Blick aus Richtung Schwachhausen. Quelle: Hendrik Altmann. 



Bild: Wochenendgebiet heute - Blick aus Richtung Schwachhausen. Quelle: Hendrik Altmann. 


Lediglich einige alte Namen geben Hinweis darauf, dass sich hier einst ausgedehnte Felder erstreckten. Beispielsweise lautet einer der interessantesten Straßennamen des heutigen Wochenendgebiets "Brodacker". Auch der geschichtliche laue wird hier schnell darauf kommen, dass der Name auf ein Feld deutet, auf dem Getreide, zur Herstellung von Brot, angebaut wurde. Aber weit und breit ist ein solches Feld heute natürlich nicht mehr zu sehen. 

Bild: Wochenendgebiet heute - Straße "Brodacker". Quelle: Hendrik Altmann. 


In der Verkopplungskarte von1850 ist dieser Flurname noch enthalten. Die "Brodäcker" lagen einst entlang der heutigen Straße. Sie bestanden einst nicht aus einer zusammenliegenden Fläche, sondern aus vielen kleinen Teilstücken, die im Zuge der Verkopplung zusammengeschlossen wurden. 

Bild: Die "Brodacker". Quelle: Verkopplungskarte von 1850. 


Auch der Name "Bettenhop" (in der Karte von 1780 noch als "Bettenhoop" geschrieben) erklärt sich auf diese Weise. Anders als man vielleicht vermuten könnte liegt der Ursprung des namens nicht in einer alten Hofstelle, sondern in "Betten" und "Hoop". Das "Hoop" steht dabei für (Plattdeutsch) "Haufen" - also vermutlich eine Fläche auf der einst Heu gelagert und auf Haufen aufgeschichtet worden ist. 

Bild: Die "Bettenhoop". Quelle: Verkopplungskarte von 1850. 


Von den Äckern ist heute freilich nichts mehr zu erkennen. Lediglich an der Straße zwischen Nordburg und Schwachhausen finden sich noch Feldflächen, die bereits in jener alten Zeit bewirtschaftet worden sind. 

Bild: Wochenendgebiet heute. Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Wochenendgebiet heute. Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Wochenendgebiet heute. Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Wochenendgebiet heute. Quelle: Hendrik Altmann. 


Bild: Wochenendgebiet heute. Quelle: Hendrik Altmann. 


Viele der alten Flurbezeichnungen sind heute bereits längst vergessen. Die zugehörigen Felder bestehen ebenfalls seit gut 100 Jahren als solche nicht mehr. Das Wochenendgebiet ist damit einer der Räume im Landkreis Celle, die sich innerhalb der letzten 250 Jahre am gravierendsten verändert haben. Erst fanden sich hier Feldflächen, die zu Wald wurden. Dieser wurde später durch Besiedlung vollkommen umfunktioniert. 

Hendrik Altmann