f Wie das Land platt wurde... ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Dienstag, 26. Mai 2015

Wie das Land platt wurde...



Heute treffen wir in unserer Umgebung meist auf "plattes Land". Damit ist weniger die niederdeutsche Sprache gemeint, sondern vielmehr, dass der Blick ungehindert von Hügeln und Bergen in die Ferne schweifen kann. Im Raum Celle bilden die Dünenaufwerfungen im Bereich der Flüsse und die Überbleibsel der letzten Eiszeit hier die einzige Ausnahme. 

Oftmals wird angenommen die Landschaft sei auf natürliche Weise derart flach. Insgesamt trifft dies im Raum Celle auch in gewissen Grenzen zu. Das alte Allerurstromtal trug einen maßgeblichen Teil dazu bei, dass sich die Sedimente gleichmäßig ablagern konnten. All dies geschah natürlich vor langer Zeit - mit der beginnenden Besiedlung wurde die Landschaft vielerorts so stark umgestaltet, dass es kaum noch ursprüngliche Elemente gibt. 

Alte Karten belegen, dass es bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts vielerorts kleinere Hügel und Senken gab. So zeigt die Kurhannoversche Landesaufnahme von 1781, dass es südlich von Langlingen etliche Mulden und Senken gegeben haben muss, die auf alte Flussarme der ehemaligen Oker zurückzuführen sind. 

Bild: Senken in der südlichen Langlinger Feldmark. Quelle: Kurhannoversche LA 1781. 


Die natürlichen Einflüsse, welche die Landschaft über Jahrhunderte geprägt hatten, wurden bei der Erschließung von Acker- und Weideland zu einer Herausforderung für die Bauern. Während im Mittelalter und der frühen Neuzeit nur begrenzt neues Land erschlossen werden musste, führten technologische Entwicklungen in der Moderne zu einem Ausbau der bewirtschafteten Flächen. Landwirtschaft diente nicht mehr bloß der eigenen Versorgung. 

Ursprünglich war die Feldmark eines Dorfes das Gegenstück zur Arbeitsgemeinschaft auf dem einzelnen Hof. Während in dieser (kleinen) Einheit jeder seiner zugewiesenen Arbeit nachging, stellte die Feldmark den Zusammenschluss verschiedner Flurformen dar, die von der Dorfgemeinschaft unterhalten wurden. Dabei bestand die Feldmark aus unterschiedlichen Komponenten: Ackerland, Weideland (Wiesen), Wald, Heide und Brache. 

Vor der Verkopplung zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Flächen so angelegt, wie es die natürlichen Gegebenheiten begünstigten. Somit waren die nutzbaren Flächen nicht unbedingt durch Wege erreichbar. Das war allerdings auch nicht notwendig. War eine Fläche vom Zugangsweg abgeschnitten, so besaß der Eigentümer ein zwingendes Recht andere Flächen überqueren zu dürfen - eine frühe Form des bis heute bestehenden Rechtes auf den sogenannten "Notweg". 

Erst durch die Verkopplung entstanden große rechteckige Flächen, die nun auch jeweils durch Wege erreicht werden konnten. Die Verkopplung war ein recht komplexer Prozess, in welchem letztlich verschiedene kleine Feldflächen zu größeren zusammengeschlossen wurden (Flurbereinigung). Dabei wurden unter anderem eine Vielzahl von Faktoren berücksichtigt - wie etwa die Bodengüte und die Nutzbarkeit der Fläche. 

Allerdings wurden bei der Verkopplung Unebenheiten in der Fläche (Hügel / Senken) nur implizit berücksichtigt. Zunächst war dies unproblematisch, denn die Bewirtschaftung erfolgte oft noch in Handarbeit. Erst als Maschinen eingesetzt wurden stellten Unebenheiten ein Hindernis dar. Zur Ertragssteigerung mussten dementsprechend vielerorts kleinere Hügel abgetragen werden und Senken verfüllt werden. Es sollte eine möglichst grade und glatte Fläche entstehen, welche eine optimale Bewirtschaftung ermöglichte. 

Oft konnten keine großen Maschinen eingesetzt werden, da diese entweder nicht zur Verfügung standen und / oder da die Flächen so schwer erreichbar waren, dass ein Einsatz von schweren Maschinen nicht in Frage kam. So war das Einebnen der Flächen meist nur in mühsamer Handarbeit möglich. Es kamen dabei vorwiegend Schaufeln, Kleinbahnloren (Kipploren) und Pferde - als Zugmaschinen - zum Einsatz. 

Bild: Loren in der Offensener / Schwachhäuser Feldmark. Quelle: Archiv Hendrik Altmann. 


Manchmal sprechen die älteren Leute noch davon, dass Felder und Wiesen "gelort" worden seien. Damit ist nichts anderes als die Arbeit mit den Kipplore gemeint. Seltene Aufnahmen aus dem Bereich der Ortschaften Offensen / Schwachhausen, welche in der Zeit um 1930 - 1940 entstanden sind, belegen wie die Loren zum Einsatz kamen. Offensichtlich entstanden die Bilder im Winter. Dies liegt vermutlich daran, dass sich die Tätigkeit kaum im Sommer und Frühjahr durchführen ließ, da die Flächen zu dieser Zeit bestellt werden mussten. 

Eigens für den Einsatz der Loren wurden Kleinbahnschienen verlegt. Ein Pferd zog dann einige (hier drei) der mit Sand beladenen Kipploren. 

Bild: Loren in der Offensener / Schwachhäuser Feldmark. Quelle: Archiv Hendrik Altmann. 


In der Feldmark finden sich heute keine Spuren der Loren mehr. Die Schienen sind längst abgebaut und sonstige Hinweise sind nicht vorhanden. Nur in Erzählungen taucht die einstige Arbeit des "Lorens" gelegentlich auf. So berichtete auch E. Klingenspor aus Hohnebostel über die verschwundenen Schienenstränge in der Feldmark. Er weiß noch genau, wo die einstigen Gleise verliefen. 

Kürzlich fand ich in einem Waldstück ein vermutlich einzigartiges Relikt dieser Zeit. Um keine "Plünderer" und Schrothändler auf die Fährte zu führen, werde ich die genaue Stelle  hier nicht verraten. Es handelt sich um eine alte Kipplore, die unweit eines alten Waldweges gefunden wurde. 

Bild: Lore im Wald. Quelle: Archiv Hendrik Altmann. 


Wie und wann die Lore in den Wald gelangte ist bislang unklar. Sicherlich war sie kaum an Ort und Stelle eingesetzt, denn die Kipplore wurden eigentlich ausschließlich auf Wiesen und Äckern eingesetzt. Die Wälder dagegen mussten nicht geebnet werden - daher finden sich hier auch noch die typischen Sanddünen. Die aufgefundene Lore scheint in gutem Zustand zu sein - einzig die markante Wanne fehlt mittlerweile. 

Bild: Lore im Wald. Quelle: Archiv Hendrik Altmann. 


An beiden Enden besitzt die Lore Anhängevorrichtungen. An diese konnten weitere Loren, wie auf den Bildern dargestellt, angehängt werden. Allerdings unterscheidet sich die gefundene Lore bei genauem Hinsehen ein wenig von denen auf den Bildern (s.o.). Die Verstrebungen an den Kopfenden, sowie die Anhängerkupplungen sind etwas anders. 

Bild: Lore im Wald. Quelle: Archiv Hendrik Altmann. 


Vielleicht diente die Lore einige Zeit zur Wildfütterung oder wurde aus anderen Gründen im Wald abgestellt. Einige Kilometer südlich des Waldes kamen einst gewiss solche Loren auf den Wiesen und Äckern zum Einsatz - vielleicht wurde sie zurückgelassen, weil es nach Verrichtung der Arbeit keinen Sinn hatte sie jedes Mal zu verladen und nach Hause zu schaffen. 

Bild: Lore im Wald. Quelle: Archiv Hendrik Altmann. 


Erstaunlicherweise finden sich keine Hersteller- oder Typenbezeichnungen auf dem Metallrahmen. Solche könnten Aufschluss über das Baujahr und der Hersteller geben. Vielleicht finden sich ja noch Zeitzeugen, die etwas zu dieser Lore berichten können. 

Bild: Lore im Wald. Quelle: Archiv Hendrik Altmann. 


Wenn man heute vom "platten Land" spricht, so entstand dieses vielerorts nicht ohne menschliches Zutun. Besonders die Bodenreformen und Maßnahmen der letzten 250 Jahre schufen im Bereich eine Landschaft, die nur wenig mit den ursprünglichen Gegebenheiten gemeinsam hat. Dabei waren die Eingriffe in den Naturraum sehr unterschiedlich. Während Maßnahmen wie die Verkopplung von staatlicher Seite die Verteilung der Besitzverhältnisse umstrukturierte, fanden ebenfalls viele kleine Eingriffe statt. So wurden, besonders in der Zeit des Nationalsozialismus, viele Flächen erst urbar gemacht. Für Waldrodungen und Drainagen kam dabei nicht selten der Reichsarbeitsdienst zum Einsatz. 

Aber auch im Kleinen mussten die Bauern ihre Flächen für den optimalen Einsatz von Landmaschinen nutzbar machen. Da kaum moderne Hilfsmittel wie Lastwagen und Bagger vorhanden waren behalf man sich mit Loren, welche auf Kleinbahnschinen gesetzt wurden. In Handarbeit wurden Hügel und Senken eingeebnet. Die Loren wurden dabei von Pferden gezogen. 

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Landschaft wie wir sie heute kennen mehrfach ihr Gesicht gewandelt hat. Es ist aus heutiger Sicht kaum mehr vorstellbar mit welcher Mühe und Arbeit unsere Vorfahren zur damaligen Zeit konfrontiert waren und welche unglaublichen Anstrengungen aufgenommen wurden. Vielerorts geht das "platte Land" auf diese Anstrengungen zurück...


Hendrik Altmann




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