f Arten des bäuerlichen Besitzes ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Dienstag, 22. September 2015

Arten des bäuerlichen Besitzes



Traditionell wird seit jeher zwischen verschiedenen Formen des bäuerlichen Besitzes unterschieden. Damit einhergehend sind Unterschiede in der Nutzung des jeweiligen Besitzes verbunden. Um die dörfliche Entwicklung zu verstehen ist es allerdings unerlässlich die verschiedenen Arten zu kennen. 

Im Mittelpunkt des bäuerlichen Wirtschaftslebens stand seit jeher der Hof. Um den Hof erstreckte sich das Dorf und die angrenzende Feldflur mit Äckern, Wiesen, Weiden, Ängern, Wäldern und Gewässern. Diese Begriffe gilt es im traditionellen Verständnis zu erläutern und die entsprechenden Nutzungsrechte aufzuzeigen.  Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieses Thema eng mit der Entstehungsgeschichte der Dörfer verhandelt ist. Die Ausprägungen des Grundbesitzes folgten stets den rechtlichen Rahmenbedingungen, die letztlich der politischen Ordnung entsprungen. 

Die Heimatgeschichte erfordert daher eine umfassende Betrachtung der gesellschaftlichen und politischen Ordnung einstiger Epochen. Zunächst soll mit "dem Hof" als wichtiges Element der Betrachtung begonnen werden.


Haus und Hof

Als Hof wird im traditionellen Gebrauch sowohl das bloße Wirtschaftsgebäude als auch die zugehörige Feldmark eines Bauern verstanden. Dabei geht das Vorhandensein des bäuerlichen Besitzes bis in die Zeit der sogenannten Hufverfassung zurück. Der Besitz des Bauern ist "die Hufe", die begrifflich vom althochdeutschen Wort "nötig haben" stammt. Die Hufe wird grundsätzlich vererbt und beinhaltet die Gebäude, die Flur und einen Anteil an der Allmende des Dorfes. Es gibt unterschiedliche Auffassungen wie alt die Hufverfassung ist - zur fränkischen Zeit war es üblich, dass die herrschenden festlegten wer über welche Mengen Land verfügen konnte. Eine Hufe umfasst ein bestimmtes Flächenmaß, wobei es regionale Unterschiede zur Größe gibt. 

Bild: ein traditioneller niedersächsischer Wirtschaftshof in der Heide. 
Quelle: Heideführer durch die Südheide. 


Grundlegend können verschiedene Gruppen über den Hof verfügen. Die sind unter anderem der Besitzer, ein Bürger, Adelige, die Kirche, ein Amt oder eine Gemeinde. Damit ist bereits ein wichtiger Punkt festgehalten: derjenige, welcher in den Hofgebäuden lebt und die Äcker bestellt, muss nicht zwangsläufig der Eigentümer des Hofes sein. Im Falle er Meier und Köthner ist dies jedoch meistens der Fall. 

Ursprünglich galten die Wirtschaftsgebäude und das Wohnhaus eines Hofes als bewegliche Wirtschaftsgüter. Einst wurde "alles was die Flamme verzehret" als beweglich betrachtet. Im Falle des traditionellen Niedersachsenhauses ist dieses Verständnis leicht nachvollziehbar. So kam es beim Haus nicht auf die Wände oder das Dach an. Diese Bestandteile könnten bei Bedarf leicht ausgebessert werden, da das Dach früher aus Stroh und die Wände aus Lehm bestanden. Was wirklich bei einem Gebäude zählte war das Holz, das als Fachwerk verbaut worden war. Dieses Holzgerüst war im Grunde beweglich und es kam nicht selten vor, dass Gebäud abgebaut und anderenorts wieder neu errichtet wurden. 

Bild: Gerüst eines niedersächsischen Zweiständer-Hauses. 
Quelle: Hausgefüge im Flotwedel. 


Es gab einst verschiedene Grundtypen von Wohn- und Hofgebäuden Wie etwa das bereits erwähnte Niedrsachsenhaus. Ohne auf die einzelnen Typen jetzt im Detail einzugehen lässt sich festhalten, dass es sowohl auf den sozialen Stand als auch auf die Bedürfnisse des Bauern ankam welche Haustype errichtet wurde. 


Bild: Aufbau eines Hofgebäudes (Alpes, Oppershausen).  
Quelle: Hausgefüge im Flotwedel. 



In Bezug auf die rechtliche Ausstattung des Hofes ist zwischen Meier-, Köthner- und Sattelhöfen zu differenzieren. Mit dem Begriff des Hofes geht der Umstand einher, dass der Inhaber einen Anteil an der Gemeindeberechtigung besitzt - also an der Allende. Nichtberechtige besaßen lediglich eine sogenannte "Stelle". 

Meist schloss der Hof das gesamte Land, welches der Hufe zugehörig war, ein. Es wurde also im Sprachgebrauch nicht weiter zwischen Hof (= Wirtschaftsgebäude) und Hof (= Wirtschaftsgebäude + Land) unterschieden. Direkt am Hof befanden sich früher regelmäßig noch Gartenstücke, die ebenfalls dem Hof zugehörig waren, jedoch nicht zur Feldmark zählten. So wurde einst zwischen Obst-, Gras- und Kohlgarten unterschieden. An manchen Höfen findet sich diese Bezeichnung noch heute. Sie ist mit der Bezeichnung des Obst-, Gras- oder Kohlhofes identisch. 

Gärten gab es ebenfalls in unmittelbarer Dorfnähe. Diese Gärten entstanden jedoch regelmäßig erst später, denn früher war das Ackerland Abgabe- und zehntpflichtig. Es wäre somit rechtswidrig gewesen Ackerland in Gartenland umzuwandeln, denn damit wäre es aus der Steuerpflicht herausgefallen. 


Die Feldmark

Um das einstige Dorf herum erstreckte sich die ausgedehnte Feldmark. Das hat sich bis heute im Wesentlichen auch nicht verändert - allerdings sah die Feldmark völlig anders aus als sie es heute tut. Heute sagt sie nichts mehr über die sozialen Merkmale der Gemeinschaft und der zugehörigen Besitzer aus. Dagegen war die unverkoppelte Feldmark früher noch Ausdruck des dörflichen und genossenschaftlichen Arbeitsverbandes. 

Die Grundstücks- und Flurgrenzen von einst waren wichtige Bestandsmerkmale des Dorfes.  Im 19. Jahrhundert fand der Prozess der Verkoppelung statt. Die Maßnahmen erstreckten sich über mehrere Jahre und sorgten in verschiedenen Schritten für eine grundlegende Flurbereinigung in der Umgebung. 

In früherer Zeit existierten die heutigen großen Felder nicht. Stattdessen waren die Äcker in sogenannten Gewannen geordnet. Die Höfe besaßen jeweils Anteile an den Gewannen in Form schmaler Streifen, die wie Handtücher im jeweiligen Gewann aneinander lagen. Hinsichtlich des Fruchtanbaus gliederte sich die Feldmark in folgende Unterkategorien: 

1. Das Ackerland
2. Die Brache
3. Die Wiesen
4. Die Änger
5. Die Viehweiden
6. Den Wald
7. Die Gewässer


Die Unterschiede zwischen der Ausgestaltung der Felder vor der Verkoppelung und danach sind gravierend, wie Karten aus der entsprechenden Zeit deutlich belegen. So zeigt beispielsweise die Kurhannoversche Landesaufnahme aus dem Jahr 1780 den Lehmkamp bei Bockelskamp als rundliches Gewann, welches vermutlich durch einzelne Hecken begrenzt war. Ringsum findet sich die Gemeinheit - die sogenannte Aalende, welche von jedem Gemeindemitglied genutzt werden konnte. Oft wuchs hier nur stoppeliges Gras und Heidekraut. 


Bild: Der Lehmkamp bei Bockelskamp um 1780.  
Quelle: Kurhannoversche Landesaufnahme 1780. 

Die Verkoppelungskarte zeigt den Lehmkamp um 1860 bereits als geordnetes Ackerland in rechteckiger Form. Wege und Bewässerungsgräben sind ebenfalls auf der Karte erkennbar. Durch die Zusammenlegung (Flurbereinigung) gingen die traditionellen Bewirtschaftungsverhältnisse verloren. Damit einhergehend kam es zu einer Umstellung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. 


Bild: Der Lehmkamp bei Bockelskamp um 1860.  
Quelle: Verkopplungskarte Bockelskamp um 1860. 


Das Ackerland 

Traditionell wurde das Ackerland in drei Kategorien von Feldern unterteilt - das Sommer-, Winter- und das Brachfeld. Diese Form der Feldbestellung wird auch als Dreifelderwirtschaft bezeichnet. Der Ursprung liegt dabei in der Geschichte - einst gab es kaum Möglichkeiten die Bodengüte zu beeinflussen, da keine künstlichen Düngemittel zur Verfügung standen. Somit mussten die Felder für eine gewisse Zeit als Brache liegen bleiben, damit sich der Boden erholen konnte und sich wichtige Nährstoffe nachbilden konnten. 

Mit der Dreifelderwirtschaft ging allerdings noch viel mehr einher. So mussten die einzelnen Felder nach dem sogenannten Pflugrecht bestellt werden. Für die Gewanne wurde grundsätzlich gemeinschaftlich bestimm welche Früchte gesägt wurden. Eine andere Form der Nutzung war dem einzelnen nicht gestattet. 


Die Anlage der Felder in den Gewannen unterlag recht einfachen Grundsätzen. Sie folgte im Prinzip aus der Bewirtschaftung - beim Pflügen etwa brauchte ein Pferdegespann einen gewissen Spielraum, um zu wenden. Dies wiederum hatte Auswirkungen auf die Breite der einzelnen Felder in den Gewannen. Bei der Aufteilung der Gewanne im Zuge der Verkoppelung blieben unregelmäßige Stücke über, da die einstigen Äcker vormals oft rundliche Formen besaßen. Diese Stücke wurden als sogenannte "Gehren" bezeichnet. 

Von Bedeutung war ebenfalls der Bereich den der Pflug zum Wenden benötigte - die sogenannte Vorwende. Erst als die Bewirtschaftung mittels moderner Maschinen einsetzte gerieten diese Bezeichnungen nach und nach in Vergessenheit. Einst stellten sie jedoch nicht nur wichtige Teile der Feldflur dar, sondern verkörperten darüber hinaus rechtliche Ansprüche des jeweiligen Eigentümers. 

In diesem Zusammenhang ist ebenfalls das Wegerecht zu nennen. Traditionell war es üblich fremde Felder zu überschreiten, um zum eigenen Land zu gelangen. Dies führte freilich nicht selten zu Meinungsverschiedenheiten und gerichtlichen Streitigkeiten, was Unterlagen aus der Zeit vor der Verkoppelung belegen. Mit derselben wurde ebenfalls das Wegerecht angepasst und im Wesentlichen in die bis heute übliche Form gebracht. So wurde darauf geachtet, dass alle Felder durch Zuwegungen erreicht werden konnten.  

In alten Darstellungen lässt sich die Bewirtschaftung des traditionellen Ackers mit Pferd und Pflug noch nachvollziehen. Die Vorwenden (bzw. Vorenden) waren dabei notwendige Bestandteile, die der Bestellung des Ackers dienten. 


Bild: Bewirtschaftung des Ackers früher.  
Quelle: Dieckmann C., Unser Acker S. 89, Berlin 1940. 


Wie bereits ausgeführt unterlag die Bewirtschaftung der einzelnen Felder dem Flurzwang. Das bedeutete, dass innerhalb der Dorfgemeinschaft über die Wirtschaftszeit und die Wirtschaftsform entschieden wurde. Wegen der Gemengelage war die gemeinschaftlich einheitliche Bewirtschaftung der Felder innerhalb der Gewanne notwendig - es hätte kaum einen Sinn ergeben ein 6m breites Feld mit Roggen und ein daneben befindliches 4m breites  Feld mit Kartoffeln zu bestellen. der Flurzwang bewirkte somit eine einheitliche Bestellung der Felder. 


Die Brache

Ein Drittel des Ackerlandes blieb zur Erholung der Böden ungenutzt (Dreifelderwirtschaft). Aufgrund fehlender Düngemittel war es nicht möglich eine durchgehende Nutzung des Ackerlandes zu vollziehen - dies hätte langfristig zu einer massiven Verschlechterung des Ernteertrages geführt. Allerdings blieb die Brache nicht gänzlich ungenutzt - mit dem beginnenden 18. Jahrhundert wurden bereits Hackfrüchte und andere Sonderkulturen auf der Brach angebaut. Schon seit dem 15. Jahrhundert wurden Brachflächen für den Anbau von Flachs genutzt - also einem Rohstoff der von erheblicher Bedeutung für das dörfliche Leben war. 


Die Wiesen

Anhand der Wiesen wird die Gebundenheit der einstigen Bauern recht deutlich. Die Wiesen gehörten traditionell nicht zum Ackerland und aufgrund des Flurzwangs war der einzelne Bauer nicht berechtigt Ackerland in Wiesen umzuwandeln, um seine Viehwirtschaft auszudehnen. Hätte er solches getan, so hätte er sich einen größeren Teil an der Gemeindeberechtigung genommen, als ihm zustand. Wirtschaftlich war der einzelne also stark an die Entscheidungen der Dorfgemeinschaft gebunden. 


In Flurkarten finden sich die Wiesen oftmals explizit als solche bezeichnet. Wiesen wurden   dort angelegt wo die natürlichen Gegebenheiten keine Beackerung zuließen. Der Anteil des Einzelnen an den Wiesen der Dorfgemeinschaft bemaß sich nach der Ausdehnung der Viehhaltung. Somit erhielt jedes Mitglied der Dorfgemeinschaft seinen Anteil an den Wiesen danach wie die Überwinterungsmöglichkeiten seines Viehbestandes ausgestaltet waren. 


Bild: Die sogenannten Dreckwiesen bei Ahnsbeck. 
Quelle: Verkopplungskarte Ahnsbeck. 


Ursprünglich wurden die Anteile an den Wiesen ebenso verlost, wie die Anteile an den Gewannen. Allerdings hielt sich dieses Verfahren bei den Wiesen länger als bei den Ackerstücken. 

Grundsätzlich wurde zwischen einschürigen und zweischürigen Wiesen unterschieden. Zweischürige Wiesen lieferten einen zweiten Heuschnitt - den sogenannten "Grummet" bzw. heute auch Gramm genannt. Traditionell wurde der Ertrag eines Morgens Wiesenland mit vier Fudern Heu bemessen. Damit wird deutlich - die Wiesen dienten einst nicht, um darauf Vieh zu weiden, sondern um die Heuernte zu gewährleisten. Das Heu wurde im Sommer eingebracht und zur Fütterung der Tiere für den Winter gelagert. 

Im Landkreis Celle existierte einst ein sogenannter "Heuweg", der von Ahnsbeck über Eschede bis nach Rebberlah reichte. Die Erträge der fruchtbaren Allerdreckwiesen wurden auf diesem Weg in solche Gegenden des Landkreises gebracht, die nur über wenige Wiesen verfügten. 


Die Änger

Mit der Verkoppelung verschwanden die Änger fast vollständig aus dem Landschaftsbild. Sie waren einst fester Bestandteil der Feldmark und ein wichtiges wirtschaftliches, wie auch soziales Merkmal der alten Dörfer. 

Unter Ängern verstand man steinige und sumpfige Stellen, die sich nur zur Viehweide eigneten. Als solche zählten die Änger zur Aalende des Dorfes - jeder, ob arm oder reich, besaß das Recht sein Vieh auf die Änger zu stellen. Da keine sonstige Nutzung stattfand, waren die Änger traditionell recht naturbelassen. Hier wuchsen wilde Kräuter, Weiß- und Schwarzdorn, Holunder und vereinzelte Bäume. Diese konnten sich oft recht gut entfalten und so wuchsen in der Nähe der Dörfer häufig die stattlichsten Bäume auf den Ängerflächen. 

Die Zuwegungen zu den Ängern wurden meist als "Triften" bezeichnet. Auf diesen Wegen wurde also das Vieh zur Weide getrieben. Noch heute findet sich der Straßenname "Trift" recht häufig. 

Bild: So sahen einstige Änger aus. 
Quelle: H. Altmann. 


Die Viehweiden

Zur Weisung des Viehs gab es unterschiedliche Möglichkeiten. Zum einen konnte es auf die abgeernteten Felder getrieben werden. Gemäß der Beschlüsse der Dorfversammlung wurde festgelegt wann die Felder zur Beweidung freigegeben wurden. Die Stoppelweide war somit ein klassischer Bestandteil der Aalende und stand jedem Dorfbewohner grundsätzlich zu. 

Zweitens konnte die Brache in entsprechendem Umfang beweidet werden. Drittens wurden die Änger als Weideland genutzt und viertens die sogenannten Waldweiden. Die Beweidung der einzelnen Flächen geschah in Form von Herden, also je nach Art des Viehs. Nicht selten wurden dabei die Bestände der einzelnen Höfe zu größeren Herden zusammengefasst und einheitlich auf die Weide geführt. Im sogenannten Huderecht waren die Einzelheiten festgelegt (Hude = von "Hüten"). 

Es gab genaue Zeitpläne wann welches Vieh auf die Weide geführt werden durfte. So existierte beispielsweise die Vorhude für Pferde und die Nachhude für Schafe. Einst besaßen unter Umständen Fremde ebenfalls das recht ihr Vieh auf die Weideflächen eines Dorfes zu stellen. Teilten sich Bauern unterschiedlicher Dörfer die Weiderechte einer Fläche, sprach man allgemeinhin von der sogenannten "Koppelhude". 

Nicht selten durften nur bestimmte Arten Vieh auf die Flächen geführt werden. So kann es sein, dass einem noch heute die Flurnamen "Schafweide" oder Gänsekoppel" begegnen. Sie sind die letzten Zeugnisse von den einstigen Weideberechtigungen an diesen Flächen. Mit der Beweidung einhergehend lässt sich festhalten, dass die Anzahl der Tiere auf dem Hof unmittelbar von der Ernährung der Tiere abhing. So konnte kein Bauer mehr Tiere halten, als ihm Weideberechtigungen zustanden und es waren ihm so viele Weideberechtigungen zugeteilt, wie er benötigte um seinen Viehbestand zu ernähren. Letztlich war der wirtschaftlichen Entfaltung des Einzelnen damit bereits strikte Grenzen aufgezeigt. 

Eine besondere Stellung nahm seit jeher die Schafhaltung ein. Schafe durften grundsätzlich nur auf eigenem Grund und Boden gehalten werden, also auf solchen Flächen, die nicht mit Weiderechten der Allgemeinheit belegt waren. Im Rahmen der Schäfereigerechtigkeit war es allerdings möglich Schafe auf allen gemeinfreien Flächen zu weiden. Dazu musste der jeweilige Bauer allerdings einen Vertrag geschlossen haben. Oft wurde die Schäfereigerechtigkeit auch im Zuge der Dorfversammlung beschlossen und stand nur denjenigen zu, die einen Rechtstitel darüber besaßen. 

Traditionell war es der Schäfer, der die Schafe des Dorfes auf die entsprechenden Weideflächen der Aalende trieb. Heute kennen wir das klassische Bild von Schafherden in der Heide meist nur noch aus den Geschichtsbüchern. Die großen Schafherden sind verschwunden und mit ihnen letztlich auch beinahe der Berufsstand der Schäfer. Diese übten ihren Beruf einst sozusagen als Dienstleistung aus und kümmerten sich darum, dass die Schafherden auf die Weidegründe gelangten. Im Zuge der Verkoppelung wurden allerdings die Gemeinheiten und damit die Almendeflächen aufgeteilt. Somit entfiel vielerorts die Möglichkeit Schafe auf Gemeindebesitz kostenlos zu weiden. 


Bild: Schäfer in der Heide. 
Quelle: Heideführer durch die Südheide. 


Mit dem Verschwinden der Schafherden veränderte sich das Landschaftsbild im Zuge der Verkoppelung radikal. Zuvor hatten riesige Viehherden die Heideflächen beweidet - nun konnten sich Gräser, Büsche und Bäume ausbreiten, da keine Beweidung mehr stattfand. Die Besitzer hatten überdies nur selten ein Interesse am romantischen Bild ausgedehnter Heideflächen. Oft wurden stattdessen schnell wachsende Kiefernwälder angepflanzt, die heute das Landschaftsbild der Südheide prägen. 

Heute finden sich ausgedehnte Heideflächen nur noch dort wo der Mensch die bewusst schützt und pflegt. Während die Heide einst als unwertes Land betrachtet wurde - und als Ausdruck ihrer geringen Wertigkeit kostenlos beweidet werden durfte - stellt die Lüneburger Heide heute ein beliebtes Ausflugsziel dar. 

Bild: Heide bei Oberohe.  
Quelle: H. Altmann. 


Die Verkopplung macht deutlich wie stark politische Entscheidungen ihren Einfluss auf die Raumnutzung entfalten können und sich damit einhergehend das ganze Landschaftsbild wandeln kann. Eine entsprechende Karte der Landeskreditanstalt Niedersachsen aus dem Jahr 1934 verdeutlicht das Problem anschaulich. Während zum Ende des 18. Jahrhunderts noch weite Landstriche Niedersachsens mit Heideflächen versehen waren, sind es im beginnenden 20. Jahrhundert nur noch ein Bruchteil an der gesamten Fläche des Bundeslandes. 

 Bild: Niedersachsen Ende des 18 Jh. Grün: Wald. Pink: Heide. Orange: Moor. 
Quelle: Niedersächsische Landeskreditanstalt 1934. 


Bild: Niedersachsen Ende des 18 Jh. Grün: Wald. Pink: Heide. Orange: Moor. 
Quelle: Niedersächsische Landeskreditanstalt 1934. 


Die Heideflächen wichen im Zeitablauf immer stärker landwirtschaftlich nutzbaren Ackerflächen. Neue Entwicklungen, wie Bewässerungsanlagen, Düngemittel und das Tiefpflügen sorgten dafür, dass sich das Landschaftsbild nachhaltig wandelte. 



Der Wald

Aus der traditionellen Feldmark des Dorfes ist der Wald nicht wegzudenken. Er ist seit jeher ein wichtiger Bestandteil, der sich in seiner Nutzung und rechtlichen Stellung von den sonstigen Besitzverhältnissen abgrenzt. Schon der Pflanzenbewuchs trennt den Wald deutlich vom Acker-, Siedlungs- und sonstigem Land des Dorfes ab. Die Rechte am Wald haben sich im Laufe der Zeit recht stark gewandelt. 

In frühester Zeit gab es ausreichend Wald - er gehörte jedermann und keinem einzelnen. Es stand damit jedem frei Holz zu schlagen und sein Vieh zur Weide in den Wald zu treiben. Oft bildeten ausgedehnte Waldgebiete die Grenze zwischen Grafschaften, Gauen oder Gemeinden und Dörfern. So tauchen Wälder bereits im Mittelalter in den Grenzbeschreibungen der Diözesen auf. Beispielsweise werden der sogenannte Volksweg (Dietweg) und der Ekkrikesweg in der Beschreibung der Hildesheimer Diözese unmittelbar durch die ausgedehnten Waldgebiete nördlich Celles beschrieben. 

Der Wert des Waldes war indes recht gering, da es ihn in ausreichendem Maße gab. Seit jeher folgte der Wert des Waldes allerdings nicht vom Holz her sondern von der Möglichkeit Vieh zur Weide in den Wald zu treiben, sowie der Jagd. Letztere war dem Adel vorbehalten, weswegen Wälder meist ohnehin zu herrschaftlichem Besitz zugehörig waren. 

Die Möglichkeit zur Viehweide war für die Bauern jedoch außerordentlich wichtig, denn so konnte eine gewisse Unabhängigkeit von Missernten und Überschwemmungen erreicht werden. Daher besaßen die Dörfer traditionell das Recht den Wald zur Weisung des Viehs zu nutzen. Vermutlich entstanden die Berechtigungen der Dörfer am Wald aus Gewohnheitsrecht - sie führten jedoch auch in späterer Zeit - bis in die beginnende Neuzeit - dazu, dass einzelne Dörfer Rechte am Wald erhielten. 


Bild: Waldweide in einem alten Eichenhain.
Quelle: Kremser, W. Niedersächsische Forstgeschichte, Rothenburg (Wümme) 1990. 


Grundsätzlich war es dem jeweiligen Herren - einem Adeligen oder Kirchenherrn - vorbehalten die Waldrechte zu vergeben. Ohne Erlaubnis konnte der Bauer daher keine Eichelmast betreiben bzw. sein Vieh zur Weide in den Wald treiben. Auch das schlagen von Holz wurde im Fortgang der Geschichte immer stärker von der herrschaftlichen Zustimmung abhängig. Wohl durften die Bauern Fallholz sammeln - das Schlagen von Bäumen oblag allerdings einer Genehmigung. 

Noch heute finden sich Wälder, die als sogenannte "Interessentenforsten" bezeichnet werden. Diese früher als "gemeine Holzungen" bezeichneten Wälder gehörten zur Gemeinheit eines Dorfes - allerdings oblagen die forstwirtschaftlichen Entscheidungen einem (adeligen) Herren, der alle Maßnahmen für die Berechtigten (=Interessenten) bestimmen konnte. Die Interessenten waren demnach die Bedarfsberechtigten des Waldes. 

Die Waldnutzung veränderte sich im Laufe der Geschichte und ebenso die Rechte am Waldbesitz. Über den Gemeinbeseitz gelangten Waldflächen nach und nach in den privaten Besitz einzelner Höfe. Allerdings bestehen regionale Unterschiede, je nachdem wie stark die Abhängigkeiten von Adeligen und Kirchen waren. Dementsprechend ließe sich über die historische Waldnutzung noch vieles mehr niederschreiben. 


Die Gewässer

Traditionell gehören Gewässer nicht einer einzelnen Gemeinde oder sind einem einzelnen Hof zugehörig. Ausnahmen mögen sehr kleine Bachläufe bilden, die als Quelle auf dem Grundbesitz eines Bauern entspringen. Die großen Flüsse zählen seit jeher zu dem Besitz des Staates. Mit ihnen verbunden sind unterschiedliche Rechte, wie etwa das Recht zur Fischerei, zur Schifffahrt oder die Berechtigungen Wassermühlen zu betreiben. Auch die Entnahme von Wasser zu Bewässerungszwecken zählt zu jenen Rechten, die einst nicht von den Gemeinden und Dörfern eigenmächtig beschlossen werden konnten. 


Fazit


Es ist festzuhalten, dass die rechtlichen und politischen Gegebenheiten immer auch einen direkten Einfluss auf die Besitzverhältnisse der Bevölkerung entfaltet haben. Vor der Verkoppelung bestanden noch viele traditionelle- und durch Gewohnheitsrecht geprägte Besitzverhältnisse. Im Dorf und in der Feldmark spiegelten sich die sozialen Verhältnisse der Dorfgemeinschaft wieder. Heute sind diese fast überall verschwunden - lediglich alte Flurnamen deuten noch auf jene Zeiten hin. 

Es ist unmöglich die Entstehung und Entwicklung unserer Kulturlandschaft zu verstehen, ohne die Grundlagen der historischen Besitzverhältnisse nachzuvollziehen. Die Fortentwicklung der Dörfer ging nicht willkürlich vonstatten, sondern folgte grundsätzlich historisch belegbaren Entwicklungsstufen. Noch heute lassen sich diese anhand alter Karten und beobachtbarer Flurmarkierungen nachvollziehen. Allerdings geriet im Laufe der Zeit Vieles in Vergessenheit und so stehen nachfolgende Generationen oftmals hilflos da, wenn es um die Erschließung der örtlichen Entwicklungsgeschichte geht. 


H. Altmann