f April 2016 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Dienstag, 26. April 2016

Hexenbusch bei Schelploh



Auf der Liste der "Found Places" stand der Hexenbusch zugegebener Maßen nicht ganz oben. Duch Zufall war ich während einer Kartenrecherche über den Flurnamen gestolpert. Da der "Hexenbusch" recht weit ab vom Schuss liegt, hat er mich neugierig gemacht. Wieso trägt ein abgelegenes Waldgebiet diesen Namen? 

Im preußischen Messtischblatt von 1899 findet man den Hexenbusch als eingetragenen Flurnamen südwestlich der kleinen Ortschaft Schelploh im Norden des Landkreises Celle. Die Bezeichnung ist recht auffällig, denn auch früher war in dieser Gegend recht wenig los. Das bedeutet die Flurbezeichnung muss bewusst gewählt worden sein und hat sich, obgleich nur wenige Ortsansässige sie überlieferten, bis heute erhalten.  

Im Celler Flurnamenbuch nimmt F. Barenscheer an, dass es sich um einen heidnischen Platz handeln könnte, der nach Einzug des Christentums in unserer Gegend als solcher gekennzeichnet werden sollte. Im Übergang des traditionellen sächsischen Volksglaubens kam es durchaus vor, dass heidnische Kultstätten ganz bewusst als Kirchorte ausgewählt wurden. Dies nimmt man auch für Beedenbosetel und Wienhausen an. 

Doch es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Flurname "Hexenbusch" bis in die Zeit der Christianisierung, also ca. um 830 - 880 zurückreicht. Eher wahrscheinlich ist, dass der Name höchstens ins späte Mittelalter bzw. die frühe Neuzeit zurückreicht. 

Bild: Hexenbusch bei Schelploh. Quelle: Preußisches Messtischblatt 1899. 


Erstmals taucht der Flurname im preußischen Messtischblatt aus dem Jahr 1899 auf. Die bis dahin erschienen Kartenwerke erwähnen noch keinen Hexenbusch. Allerdings gab es bis zum Erscheinen der Kurhannoverschen Landesaufnahme im Jahr 1780 noch kaum Kartenwerke, die überhaupt Flurnamen verzeichneten. Die lokalen Flurnamen können also durchaus älter sein, als es Karten verraten. 

Letztlich bleibt es dem Heimatforscher nicht erspart ein paar Schritte vor die Tür zu machen und diese Geschichten vor Ort zu erkunden. Somit begab ich mich am 23.04.2016 zu einem Ortstermin zum Hexenbusch. Ausgerüstet mit dem nötigen Equipment, begleitete mich Kira, meine Schäferhund-Bordercollie-Mischlingshündin. Das Wetter war optimal. Die Landschaft und Natur im mittlerweile als Naturpark Südheide ausgeschilderten Gebiet ist einzigartig. 

Bild: Wald in der Nähe des "Hexenbusches". Quelle: H. Altmann. 


Nach einigen Kilometern erreichten wir die Gegend am Hexenbusch. Wer diesen Blog nicht zum ersten Mal liest, dem ist wohl klar, dass ich bereits einige geschichtsträchtige Orte besucht habe. Die einschlägige Heimatliteratur ist voll mit Geschichten über Riesen, Geister, Werwölfe und Hexen. Nun kann man darüber denken wie man will. Ich persönlich glaube zwar, dass es diese Geschichten nicht ohne Grund gibt. Aber übersinnliche Erscheinungen vermute ich dahinter nicht. 

Nun...der Hexenbusch hat mich, was dies betrifft, durchaus nachdenklich gemacht. Kein Weg führt heute direkt zu dorthin. Er liegt recht abgelegen und ist nur querfeldein erreichbar. Aber es ist nicht so, dass man den Hexenbusch verfehlen könnte. 

Es fällt ins Auge, dass sich die Vegetation verändert. Dort, wo ich die GPS-Markierung aus der historischen Karte ins aktuelle Satellitenbild gesetzt habe, sind die Bäume meist abgestorben. Viel totes Holz liegt auf dem Boden, der mit altem vertrockneten Gras bewachsen ist. Die Bäume stehen eng beisammen und alles macht einen sehr verlassenen und trostlosen Eindruck. 

Bild: Hexenbusch bei Schelploh. Quelle: H. Altmann. 


Angekommen im Hexenbusch hört man keine Vögel mehr zwitschern. Es ist auffällig still. Vielleicht gibt es dafür einen guten Grund - wenn dort aus natürlichen Gründen weniger gesunde Pflanzen wachsen, wäre es nur logisch, dass sich hier weniger Tiere aufhalten. 

Einige Tiere scheinen sich dennoch in den Hexenbusch zu verirren. Das belegen zumindest etliche Knochen, die hier herumliegen. Es ist beklemmend - diese Stille in einer so trostlosen und verlassenen Gegend...während am Boden Knochenreste zwischen abgestorbenen Bäumen liegen. 


Bild: Hexenbusch bei Schelploh. Quelle: H. Altmann. 


Der Flurname und die Eindrücke vor Ort passen gut zueinander. Es bleibt die ungeklärte Frage wie der Name entstand. Hielten hier vielleicht einst Hexen heidnische Rituale ab? Oder handelt es sich möglicherweise um eine einstige Richtstätte an der möglicherweise Hexen einen grausamen Tod fanden? 

Von ungefähr kommt der Flurname gewiss nicht. Neben der bedrückenden Stimmung vor Ort gab mir vor allem eins nachhaltig zu denken. Am Hexenbusch angekommen verhielt sich der Hund anders. Normalerweise neugierig und lebendig war Kira wie ausgewechselt. Ich musste sie quasi zum Weitergehen überreden und sie wirkte dabei ängstlich und verstört. 


Bild: Hexenbusch bei Schelploh. Quelle: H. Altmann. 


Bislang ließ sich nicht abschließend klären woher der Name "Hexenbusch" stammt. Solche Flurnamen - und noch dazu in so abgelegenen Gegenden - sind alles andere als gewöhnlich. Vieles deutet darauf hin, dass dieser Ort eine bislang nicht bekannte Geschichte verbirgt. 

Umgeben von belebter Natur (immerhin haben wir Frühling) misst der Hexenbusch eine Fläche von rund 100 Quadratmetern, die einen trostlosen, einsamen und toten Eindruck machen. Es ist ein beklemmender und gruseliger Ort. Ehrlich gesagt war ich ganz froh, dass Kira dabei war. 

Hendrik


Freitag, 15. April 2016

Achtung – Überfall!


Momentaufnahmen der ersten beiden Schützenfeste nach dem Zweiten Weltkrieg


Schwarzweißbilder. Sorgfältig in ein stoffbespanntes Album eingeklebt. Gut 60 Jahre sind vergangen, seit die Aufnahmen entstanden. Auf ihnen zu erkennen: Uniformierte mit Gewehren, Reiter mit Pferden, eine große Kanone und sogar ein Panzer. An einem Ortseingang brennt Stroh auf dem Straßenpflaster - im Straßengraben daneben stehen junge Männer mit Gewehren.




Weitere Aufnahmen scheinen nach dem „Kampf“ entstanden zu sein. Ein berittenes Gespann aus vier Pferden zieht eine große Kanone. Ihre Besetzung trägt Stahlhelme aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Reiter vorneweg trägt eine Offiziersuniform. 





Die skurrile Szene stammt nicht etwa aus den letzten Kriegstagen, sondern vom ersten Schützenfest nach dem Zweiten Weltkrieg in Offensen/Schwachhausen. Es war eine schwierige Zeit. Der Krieg war verloren – Deutschland war in Besatzungszonen eingeteilt. Etliche junge Männer waren nicht aus dem Krieg nach Hause zurückgekehrt. Andere waren in Gefangenschaft, oder bereits heimgekehrt und vom Krieg gezeichnet. Mein Großvater kehrte 1950 aus einem Arbeitslager aus der UDSSR auf den Hof nach Schwachhausen zurück. Die Welt hatte sich nachhaltig verändert. Trotzdem wurde im Jahr 1952 in den Orten Offensen/Schwachhausen wieder Schützenfest gefeiert. 

Vor dem Hintergrund des verlorenen Krieges ist es schon verblüffend, dass man überhaupt ausgelassen feiern wollte. Darüber hinaus wurden viele Bestandteile des Volksfestes beibehalten. Bis heute haben sich manche dieser Traditionen erhalten – Grund genug einen Blick darauf zu werfen. 

Das Schützenfest in den Ortschaften Wienhausen, Bockelskamp, Oppershausen und Offensen/Schwachhausen ist etwas Besonderes. Die Dörfer wechseln sich der Reihe nach ab und so findet das Volksfest zwar jedes Jahr statt – wird aber im Wechsel in den beteiligten Ortschaften ausgerichtet. 

Einer der Höhepunkte des Schützenfestes ist der große Umzug am Freitag nach Himmelfahrt. Mit bunten Wagen, Spielmannszügen und den Schützen zieht der Umzug in die beteiligten Ortschaften (Königreiche). Hier gilt es das jeweilige Königreich durch einen in Szene gesetzten Kampf am Ortseingang zu erobern. Der unterworfene König muss anschließend die Schützengesellschaft auf seinem Anwesen beköstigen. Natürlich ist das alles nur Spaß. Es geht nicht um Kampf und Krieg. Wer das nicht verstanden hat, der hat das Schützenfest nicht verstanden. 

Als die Deutschen Städte noch zu großen Teilen in Trümmern lagen, lebte im Jahr 1950 die Schützenfesttradition wieder auf. In Offensen/Schwachhausen wurde 1952 wieder ein ausgelassenes Schützenfest gefeiert. Ab dem Jahr 1936 gab es das Volksfest schlicht nicht mehr. Heinrich Marwede aus Oppershausen erinnert sich: „...ja wer hätte denn da auch hingehen sollen? – Die ganzen jungen Männer waren doch im Krieg...“ 





Als im Jahr 1956 das zweite Schützenfest nach Kriegsende gefeiert wurde, war mein Großvater Schützenkönig. Er hatte zur Kavallerie gehört und die Pferde hochrangiger Offiziere betreut. Die Bilder des Schützenfestes im Jahr 1956 zeigen, dass noch viele Pferde in den Umzug integriert wurden. Und so ritt mein Großvater als Schützenkönig in die Wienhäuser Gastwirtschaft „Bauermeister“ ein (Heute Klosterwirt) und ließ sein Pferd aus dem Spülbecken in der Küche trinken. Aus Erzählungen mit Zeitzeugen erahnt man, was das für eine spannende Zeit gewesen sein muss. 

- Eine spannende und zugleich aus heutiger Sicht nicht immer ganz leicht greifbare Zeit. Wie kam man auf die Idee, direkt nach dem Krieg Panzer und Kanonen auf dem Schützenfest zu präsentieren? 




Wir vergessen heute zu leicht, dass die damalige Generation sechs Jahre Krieg und rund zehn Jahre Militarisierung erlebt hatte. Die Erlebnisse mussten sich wohl erst setzen. Und wer genau hinsieht, erkennt dies – es ging nicht vorrangig um eine Verherrlichung des Krieges. 

Zu bemerken ist, dass die Schützenfesttradition bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Ähnlich wie beim Karneval war es immer guter Brauch das politische Geschehen auf die Schippe zu nehmen. So betrachtet gab es 1952/1956 einiges nachzuholen, was zu Kriegszeiten undenkbar gewesen wäre. 

Nicht ohne Grund hatte man im Nationalsozialismus das Schützenfest verboten – es passte nicht in die gleichgeschaltete Gesellschaftsordnung, denn es beinhaltete immer schon unbewusst grunddemokratische Werte. Jeder konnte sich frei für seine Kostümierung entscheiden und es herrschte quasi „Narrenfreiheit“ – während im NS-System strikte Ordnung und absoluter Gehorsam zu achten waren. 

Darüber hinaus stellte die Schützengemeinschaft einen Gegensatz zum Führerstaat dar. So herrschte während des Schützenfestes immer eine vorbildliche Gastfreundschaft und gleichsam eine solide Verbundenheit der Schützengemeinschaft. Dies passte einfach nicht zum Kontrollgedanken der Nazis. 

Die vorstehenden Bilder zeigen vielfach die militärischen Aspekte des Schützenfestes. Diese gehörten aber auch vor dem Zweiten Weltkrieg zum Schützenfest – ebenso wie die Verkleidungen und die lockere Heiterkeit, die an diesen Tagen die Dörfer zu „Königreichen“ werden lässt. So überrascht es auch nicht, dass andere Bilder eben diese Seite des Schützenfestes widerspiegeln und damit eindrucksvoll belegen, dass „Schützenfest“ mehr als ein „Fest der Schützen“ ist. 



Kaum anderswo im Landkreis Celle hat sich die ursprüngliche Tradition des Schützenfestes so konsequent erhalten wie in den Orten Offensen und Schwachhausen. Dies erklärt auch, warum es gerade dieses recht kleine „Königreich“ ist, das mehr Schützen aufbieten kann, als die umliegenden Nachbar-Königreiche. 

Auch in diesem Jahr soll wieder ein Schützenfest in Offensen/Schwachhausen gefeiert werden. Sicherlich werden einige der historischen Traditionen gepflegt. Trotzdem lebt das Schützenfest durch seinen stetigen Bezug zum aktuellen Geschehen und ist so jedes Mal auf’s Neue wieder einzigartig und erlebenswert. 

Aktuelle Informationen zum Programm des diesjährigen Schützenfestes finden sich unter anderem auf der Seite des Heimatvereins: 


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Hendrik