f Der falsche Ringwall bei Lachendorf ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Freitag, 13. Mai 2016

Der falsche Ringwall bei Lachendorf



Vor einiger Zeit "entdeckte" ich in Lachendorf die Straße mit dem Namen "Ringwall". Kein großer Wurf, denn die unscheinbare Sackgasse liegt direkt am Altenceller Weg in Ortsrandlage. Da früher aber meist Befestigungsanlagen den Beinamen "Ringwall" erhielten, war das Interesse geweckt. Gab es bei Lachendorf tatsächlich etwas Ringwall-Ähnliches und wenn ja - was hatte es damit auf sich? 


In aktuellen Karten taucht die Straßenbezeichnung auf. Allerdings gilt es zu bedenken, dass dieser Teil Lachendorfs erst im letzten Jahrhundert bebaut wurde und Straßen angelegt wurden. Noch vor hundert Jahren gab es in diesem Bereich nur Felder und den Altenceller Weg. 

Topografische Karte, welche die Straße "Ringwall" bei Lachendorf zeigt. Quelle: Region Celle Navigatior. 


Wer diesen Blog liest weiß, dass ich ein Freund der praktischen Nachforschungen bin. Man kann noch so lange am heimischen Rechner sitzen - im Endeffekt muss man sich schon mal die Stiefel anziehen und an die frische Luft gehen. Das Gebiet westlich Lachendorf ist bewaldet - somit sind Satellitenbilder auch nur mittelmäßig hilfreich. 

Gesagt - getan. Nach einiger Suche im Wald fand sich tatsächlich ein nahezu kreisrunder Erdwall. 

Bild: deutlich erkennbarer Erdwall im Wald westlich von Lachendorf. Quelle: H. Altmann. 


Die Höhe des, durch einen niedrigen Graben umgebenen, Walls beträgt durchschnittlich etwa 30 cm. In der Umgebung findet sich weiterhin kein anderes Landschaftsmerkmal auf das die Beschreibung "Ringwall" passen würde. Es stellt sich somit die Frage, ob es sich bei dem aufgefundenen Erdwall wirklich um ein altes Befestigungsbauwerk handeln kann. 

Bereits die Untersuchungen in Altencelle haben gezeigt, dass von diesen Bauwerken in unserer Gegend nicht mehr viele Spuren erhalten sind. Es scheint daher fraglich, ob ein Erdwall mehrere Jahrhunderte überdauern konnte. 

Bild: deutlich erkennbarer Erdwall im Wald westlich von Lachendorf. Quelle: H. Altmann. 


Bis ins 19./20. Jahrhundert ist der Erdwall noch auf topografischen Karten verzeichnet. So zeigt die Preußische Landesaufnahme (Messtischblatt 1899, Beedenbostel) den Ringwall südwestlich von Lachendorf. Die Karte zeigt ebenfalls recht deutlich wie weit sich der Ort in späterer Zeit ausgedehnt hat. 

Bild: preußisches Messtischblatt von 1899. 


Die vorstehende Karte zeigt im Bereich des Erdwalles noch ausgedehnte Heideflächen. Diese gehörten zu der einstigen Allerheide, welche sich früher fast gänzlich zwischen Oppershausen und Lachendorf erstreckte. Ein letzter Rest davon ist als Dreieck noch heute südwestlich von Lachendorf erhalten. 

Indes liegt eine differenzierte Deutung des Ringwalles nahe. Während frühmittelalterliche Erdanlagen längst hätten eingeebnet sein müssen, handelt es sich hier wohl um ein Relikt späterer Zeit. 

Besonders auf den ausgedehnten Heideflächen wurde früher eine ausgiebige Bienenzucht betrieben. Die Gebiete waren mit Bienenstöcken quasi überseht. In der Heide, welche allgemeinfreie Allemende darstellte, konnte somit jeder fast nach Belieben Bienenvölker aufstellen. In einer Zeit in der die landwirtschaftlichen Nutzflächen knapp und die Ertragsmöglichkeiten begrenzt waren, stellte das Halten von Bienen einen wichtigen Faktor der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung dar. Einziges Problem war, dass Nutz- und Wildtiere den Bienenstöcken schaden konnten. Auch andere Einflüsse, wie Wind und Wetter machten den Bienenstöcken zu schaffen, sodass in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als die Bienenzucht einen ungeahnten Höhepunkt erlebte, neue Konzepte entstanden um die Bienenvölker zu schützen. 

Ratschläge zur verbesserten Bienenhaltung fanden sich unter anderem im "Lehrbuch der Bienenzucht", welches in erster Auflage im Jahr 1870 erschien. 

Bild: Ausschnitt aus dem "Lehrbuch der Bienenzucht", 1871, G. Dathe. 


Darin wurden neben dem klassischen Bienenzaun auch innovative Konzepte vorgestellt, wie die Bienenvölker am besten zu schützen seien. Unter anderem sollten runde oder eckig angeordnete Bienenschauer dienen Wettereinflüsse von den Bienenstöcken abzuhalten. 

So kamen auch in unserer Gegend zwischen 1800 und 1930 unterschiedlichste Möglichkeiten zum Einsatz. Die heute noch erkennbaren Relikte und Spuren verfolgen somit auch nur selten flächendeckend der gleichen Beschaffenheit. Die einstigen Bienenzäune sind daher nicht immer eindeutig als solche erkennbar. Auch der vermeintliche Ringwall südwestlich von Lachendorf ist ein alter Bienenstand. Zum Schutz vor Weichtieren und anderen schädlichen Einflüssen wurde ein Erdwall aufgeschichtet - aber auch, um die Besitzung gegenüber der Allende abzugrenzen. Denn anders als die Heidefläche durfte der Bienenstand natürlich nur von seinem Besitzer genutzt werden. 

Bild: Ausschnitt aus dem "Lehrbuch der Bienenzucht", 1871, G. Dathe. 


Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Bienenzucht früher eine maßgebliche Bedeutung innehatte. Alte Karten weisen noch zahlreiche Bienenstellen in unserer Gegend aus. Nicht immer sind diese heute noch als solche erkennbar. Mancherorts kommt es daher schon einmal zu Verwechselungen mit anderen Kultur- und Landschaftsdenkmälern. 

Die gesteigerte Bedeutung der Bienenzucht in früherer Zeit lässt noch heute im Bürgerlichen Gesetzbuch erkennen. Die §§ 961 ff. BGB behandeln ausnahmslos die Eigentumsverhältnisse an Bienenvölkern. Obgleich es heute amüsant klingt, wenn dort steht, der Eigentümer habe seinen Bienenstamm unverzüglich zu verfolgen, war es früher aufgrund der zahlreichen Bienenvölker notwendig diese gesetzlichen Regelungen zu haben...

Die Geschichte um den "Ringwall" bei Lachendorf wäre damit wohl geklärt :) 

Hendrik