f Juli 2016 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Donnerstag, 28. Juli 2016

Was geschah im Tiefental?



Was geschah im Tiefental...

... diese Frage ist leichter gestellt, als beantwortet. Heute durchziehen die Wanderwege des Naturparks Südheide die Heideflächen rund um das Tiefental bei Hermannsburg. Die Idylle spiegelt das Bild der romantischen Heidelandschaft wider. Doch den Wanderern und Besuchern bleibt weitgehend verborgen, dass hier einst eine gänzlich andere Nutzung stattfand. 

Durch Berichte von Zeitzeugen, die nach dem Zweiten Weltkrieg protokolliert wurden, bin ich auf die Ereignisse im Tiefental aufmerksam geworden. Heutige Satellitenbilder gaben den Anlass für eine ausgiebige Ortsbegehung. Auf den aktuellen Bildern in Google Earth ist unmittelbar westlich des Tiefentals eine auffällige Formation in der Heide erkennbar. Es scheint sich um eine längere Art Rampe zu handeln, die in Nord-Süd-Richtung angelegt wurde. Weiterhin finden sich zahlreiche größere Krater im zentralen Gebiet der Heidefläche. 

Was kann es damit auf sich haben? 

Am 01.04.1955 berichtete Bauer Fritz aus Lutterloh im Gespräch mit der Heimatforscherin Hanna Fueß am Rande auch von den Ereignissen im Tiefental bei Kriegsende. Seinen Angaben zufolge befand sich im Tiefental ein Sprengplatz auf dem "die ganz schweren" gesprengt wurden. Gemeint sind damit im Zusammenhang seiner Angaben besonders große Granaten oder Bomben - oder vielleicht sogar noch größere Kaliber. Weiterhin gab er an, dass die Druckwelle sogar teilweise bis nach Lutterloh gereicht haben soll, zumal dort Scheunen und Ställe in Folge der Sprengungen Risse bekamen. Dass es dort massive Sprengungen gegeben hat lässt sich noch heute im Landschaftsbild und sogar auf Karten erkennen. 

Bild: Krater einer Sprengung im Bereich Tiefental. Durchmesser ca. 30-40m. Quelle: H. Altmann. 


Die Krater befinden sich an einem kleinen Abhang unmittelbar unterhalb der heute dort verlaufenden Wanderwege - sicherlich ein Grund warum sie von kaum jemandem als Relikte wahrgenommen werden. Möglicherweise wurden die Sprengungen mit Absicht unterhalb des Hangs vorgenommen, um die Druckwelle in südliche Richtung entweichen zu lassen. 

Bild: Krater einer Sprengung im Bereich Tiefental. Durchmesser ca. 30-40m. Quelle: H. Altmann. 


Sogar anhand historischer Karten sind die Krater der einstigen Sprengungen erkennbar. So zeigt das preußische Messtischblatt von 1899 die legend des Tiefentals als ausgedehnte Heidefläche - nur Wege und einige Baumgruppen wechseln das Landschaftsbild um das Jahr 1899 ab. 

Bild: Tiefental um 1899. Quelle: preußisches Messtischblatt 1899 / Google Earth. 


Die Fortentwicklung des Messtischblatts zeigt die Gegend des Tiefentals um 1970 stark verändert. Im zentralen Gebiet befinden sich in auffälligen Zweierreihen recht massive Bodensenken. Es handelt sich dabei zweifelsfrei um nicht natürlich entstandene Krater, die auf die einstigen Sprengungen direkt nach dem Zweiten Weltkrieg zurückzuführen sind. 

Bild: Tiefental um 1970. Quelle: Topografische Karte 1970 / Google Earth. 


Es stellt sich die Frage welche Art von Waffe bzw. Munition derart große Krater hinterlässt. Von den unterschiedlichen Bodenbeschaffenheit einmal abgesehen lassen sich die Krater mit anderen in der Region vergleichen. Dabei stechen deutliche Unterschiede ins Auge. Im Vergleich etwa zu jenen Vertiefungen, die bei der Bombardierung der Ölwerke bei Neinsagen durch den Abwurf amerikanischer Fliegerbomben entstanden, fällt auf dass diese einen viel kleineren Durchmesser aufweisen. Ähnlich große Krater finden sich einzig im Bereich des ehemaligen Marinesperrzeugamtes Starkshorn. Dort wurden unter anderem riesige Seeminen nach Kriegsende gesprengt und hinterließen Krater in denen man ganze Häuser verstecken könnte. 

Im Gegensatz zu anderen Sprengplätzen in der Umgebung kann aufgrund der ausnahmslos großen Krater sicherlich ausgeschlossen werden, dass hier gewöhnliche Abwurf- oder Granatenmunition vernichtet wurde. Dies würde sich ebenfalls mit den Zeitzeugenaussagen aus Lutterloh decken. Weiterhin berichtete mir ein Spaziergänger vor Ort er habe in den Jahren nach Kriegsende im Bereich der Krater am Tiefental mit seinen Freunden aus Hermannsburg gespielt. Es hätten zu diesem Zeitpunkt noch viele Phosphorreste in der Gegend gelegen, die die Jungen aus Spaß ansteckten. 

Allerdings können die Sprengungen im Bereich des Tiefentals nur ein Teil der ganzen Geschichte sein. So stellt sich weiterhin die Frage warum die Alliierten für die Sprengungen ausgerechnet das abgelegene Tiefental auswählten. Aus heutiger Sicht würde man mit Sicherheitsaspekten argumentieren. Möglicherweise traf dieser Umstand schon damals zu. So lagen die Munitionsfabriken meist unweit von bewohntem Gebiet. Auch das Marinesperrzeugamt Starkshorn lag unmittelbar an der Eisenbahnstrecke Hamburg-Hannover, sodass größere Sprengungen fatale Folgen gehabt hätten. Es scheint daher durchaus plausibel ein abgelegenes Gelände wie das Tiefental zu nutzen. 

Doch dünn besiedelte Gebiete gab es schon früher in der Gegend reichlich. Daher kann dies nicht das einzige Argument für diesen Standort als Sprengplatz sein. Vieles deutet darauf hin, dass vor Ort bereits militärische Anlagen vorhanden waren. Spuren davon konnten im Rahmen dieser Recherche festgestellt werden. 

Das aktuelle Satellitenbild zeigt unmittelbar unterhalb der Krater beim Tiefental eine eigenartige Rampe, die einige hundert Meter schnurgerade durchs Gelände verläuft. 

Bild: Rampe beim Tiefental. Quelle: H. Altmann. 


Vom Boden aus nicht leicht erkennbar, verläuft die Rampe in ganz leicht nord-westlicher Richtung. Es kann sich dabei nicht um eine natürliche Erdformation handeln - dafür ist der Kamm der Rampe zu gleichmäßig, zumal er an jeder Stelle dieselbe Höhe einhält. 

Bild: Rampe beim Tiefental. Quelle: H. Altmann. 


Heidekraut und Heidelbeerenbüsche tarnen die aufgeschüttete Rampe auf natürliche Weise. Aus weiterer Distanz nimmt man sie daher auch kaum wahr. Steht man allerdings direkt davor, wird schnell deutlich, dass es sich um ein bauliches Werk handeln muss. 

Aufgrund des leicht abfallenden Geländes ist die Rampe zum Ende hin etwas höher (ca. 1,5 m). Sie verläuft, wenn auch stark abgeschwächt noch bis zum Waldrand im südlichen Bereich der Heideflache. Bei der ersten Ortsbegehung fiel deutlich auf, dass die Rampe aber noch nicht am Waldrand endet, sondern noch weiter geht. 

Folgt man ihrem Verlauf in südliche Richtung gelangt man zu weiteren Relikten. So befinden sich im südlichen Wald noch Reste massiv verbunkerter Anlagen. 

Bild: örtliche Situation im Tiefental. Quelle: Google Earth. 


Die aufgefundenen Trümmer und Bunkerreste sind jedoch keineswegs mit anderen Anlagen in der Region vergleichbar. Schon alleine die Dicke der Betonblöcke wirft Fragen auf. Es kann sich hier augenscheinlich nicht um ein gewöhnliches Munitionsdepot oder dergleichen handeln. Die Bauweise der Betonteile deutet außerdem auf eine recht späte Zeitstellung hin. Bei Ausbruch des Krieges hätte man vermutlich keineswegs so viel Material aufgewendet, zumal die Feuerkraft noch nicht dementsprechend vorlag. Bunker dieser Art sind daher erst später im Kriegsverlauf entwickelt worden. 

Insgesamt stellt sich die örtliche Lage der Anlagen wie folgt dar: 

Bild: Lage der Anlagen im Tiefental. Quelle: Google Earth. 


Die genau 200m lange Rampe (vermessen mit Geokoordinaten) endet vor zwei rechteckigen, aus Erde aufgeschütteten Sockeln, die jeweils eine Höre von ca. 75cm aufweisen. Unmittelbar süd-westlich dieser Anlagen befinden sich verstreute Betonklötze, die allem Anschein nach zu mindestens drei mittleren sowie einem größeren Bunker zugeordnet werden können. Der große Bunker besitzt insgesamt ein H-förmiges Fundament und fußte auf einer massiven, rund 40cm starken Bodenplatte. 

Die umliegenden Trümmerteile des Bunkers besitzen eine Stärke von bis zu 60-70cm. Es handelt sich dabei vorwiegend um einzelne Blöcke. 

Bild: Lage der Anlagen im Tiefental. Quelle: H. Altmann. 


An manchen Stellen liegen Fragmente von Ziegelsteinen - am Rand liegt ein umgekippter Schlot, der stakt an einen Schornstein erinnert. 

Bild:Bunkerfragmente und Schornsteinteil. Quelle: H. Altmann. 


Die massiven Bunkertrümmer liegen zwar an den einzelnen Stellen auffällig dicht beieinander - daher auch die Zuordnung zu den genannten vier Bunkern - eine genaue Anordnung lässt sich daraus jedoch nicht ohne weiteres rekonstruieren. Da die einzelnen Betonklötze meist dieselbe Länge aufweisen, liegt der Schluss nahe, dass sie einst übereinander gestapelt waren. 

Bild: Bunkerfragmente. Quelle: H. Altmann.


Weiterhin auffällig ist ebenfalls die massive Stärke der Bunkertrümmer. Mit 60-70cm sind dies die größten Bunkerreste in der ganzen Gegend. Dies wiederum legt den Schluss nahe, dass es sich um eine Anlage gehandelt haben muss, die vor großer Kraft- bzw. Sprengeinwirkung schützen sollte. Eine zivile Nutzung der Anlage ist damit vollständig ausgeschlossen. Es stellt sich jedoch die Frage welche Art von Waffen hier möglicherweise getestet wurden. Der "gewöhnliche" Verschuss von Artilleriemunition hätte derart massive Bunker am Abschussort überflüssig gemacht. Auf so massive Schutzanlagen war man somit wohl nur angewiesen, wenn das was verschossen werden sollte auch direkt vor Ort hätte detonieren und eine Gefahr darstellen können. Schlussfolgerungen aus dieser These folgen später. 

Bild: massives Trümmerteil eines Bunkers. Quelle: H. Altmann.


Einige der Bunkerfragmente liegen scheinbar noch so, wie sie einst angeordnet waren. Eventuell handelte es sich auch nicht bei allen Trümmern um Teile fest umschlossener Bunker, sondern um Messstände und dergleichen. 

Bild: Bunkerfragmente. Quelle: H. Altmann.


An vielen Stellen finden sich oberirdisch Metallteile, die allerdings kaum die Frage nach der einstigen Nutzung der Anlage beantworten können, da sie größtenteils völlig verwittert und deformiert sind. 

Bild: Oberirdisch aufgefundene Metallteile. Quelle: H. Altmann.


Im Bereich des größten Bunker befindet sich ein H-förmiges Bodenfundament. Vieles deutet darauf hin, dass zumindest dieser große Bunker als eine Art Schutzbunker diente. Das umherliegende Material hätte ausgereicht um einen entsprechenden Schutzraum zu bauen. Durch die stattgefunden Sprengungen wurde vermutlich eine große Menge loser Sand in den Bunker transportiert, sodass der frühere Bodenbereich gute 30-50cm verschüttet sein müsste. 

Bild: Fundament des großen Bunkers. Quelle: H. Altmann.


Insgesamt finden sich in der näheren Umgebung zahlreiche umherliegende Trümmerteile. Es kann bisher keine genaue Rekonstruktion der einstigen Anlage erfolgen, denn es handelte sich vermutlich nicht um einen Standardbau. Was hatte es damit früher auf sich? 

Bild: umherliegende Bunkertrümmer. Quelle: H. Altmann.


Besonderes Interesse weckt eine auffällige Vertiefung mitten im H-förmigen Fundament. Aus einiger Entfernung sieht diese Stelle fast aus wie ein Einstieg in einen unterirdischen Bunker. Ein solcher ergäbe aber schon theoretisch betrachtet nur wenig Sinn, denn er hätte sich einst mitten im Bunker befunden - und der Sand dürfte früher noch kaum so verteilt gewesen sein. Trotzdem musste dieser interessanten Vermutung nachgegangen werden. 

Bild: Vertiefung im Bereich des Bunkerfundamentes. Quelle: H. Altmann.


Es lässt sich in diesem Bereich noch gut nachvollziehen, wie der Bunker einst errichtet worden sein muss, denn am Innenrand des Fundaments befinden sich noch Spuren der Holzverstrebungen von früher. hinter diese wurde der Beton zum Aushärten gegossen, sodass beim Entfernen der Bretter und Bohlen Spuren der Holzmaserung zurückblieben. 

Bild: Vertiefung im Bereich des Bunkerfundamentes. Quelle: H. Altmann.


Allerdings muss ich überbegeisterte Heimatforscher enttäuschen - es befindet an dieser Stelle kein Eingang zu einem unterirdischen Teil des Bunkers. Vielmehr handelt es sich um eine Stelle an der jemand das Fundament freigelegt hat und unter die einstige Bodenplatte des Bunkers gebuddelt hat. Nach eingehender Prüfung befinden sich hier weder geheime Kellergewölbe, noch unterirdische Hohlräume. Diese ergäben an dieser Stelle auch keinen Sinn, denn die vorhandene Bodenplatte formte sich durch den vorhandenen Untergrund. Hätte es unterirdische Räume gegebenen, wäre die Bodenplatte von der Unterseite her ebenfalls glatt. 

Bild: Vertiefung im Bereich des Bunkerfundamentes. Quelle: H. Altmann.


Zwischenfazit


Die bisherigen Erkenntnisse legen nahe, dass es sich um eine Anlage gehandelt hat, die massiven Sprengeinwirkungen trotzen sollte - anders lassen sich die massiven Bunkertrümmer nicht deuten. 

Weiterhin ist eine 200m lange, in nördliche Richtung verlaufende Rampe vorhanden sowie zwei deutlich erkennbare breite und flache Erdsockel, die allerdings über keine Verstärkungen aus Beton verfügen. 

Im zentralen Gebiet der Anlage befinden sich Trümmerreste, die zu drei kleineren Messständen bzw. Bunkern gehört haben können und ein größerer Bunker, der auf einem H-förmigen Fundament fußte. 

Es ist weiterhin fraglich welchem Zweck die Anlage einst diente. Bei näherer Betrachtung finden sich vor Ort zahlreiche Fragmente aus Aluminiumblech und völlig deformierten Metallteilen. Die Vorkommen von verbrannten und zerstörten Aluminiumteilen ist jedoch auffällig. Die vorhandenen Bunkeranlagen müssen früher sehr massiv gewesen sein. Trotzdem wurden die tonnenschweren Betonelemente durch die Sprengungen teilweise mehrere duzend Meter verstreut. Dies belegt welche Kraft hier einst gewirkt haben muss. Nur die schwersten Waffen können eine derart verheerende Wirkung entfaltet haben. 

Der Aussage des Bauern aus Lutterloh zufolge zeigten die Sprengungen sogar Auswirkungen auf die dort vorhandenen Gebäude - welche Art von Waffen kann derart massive Auswirkungen entfalten? 


Einige wilde Spekulationen...


Offen gesagt beginnen an dieser Stelle die Spekulationen. Bislang ist völlig unklar welche Waffen im Tiefental erprobt wurden und welche hier durch Sprengung zerstört wurden. Für eine gewöhnliche Artilleriewaffen hätten sicherlich einfachere Unterstände gereicht, denn die Wahrscheinlichkeit, dass eine Artilleriegranate im Rohr explodierte war ziemlich gering. Maximal hätte man einen Schutzbunker gegen die Splittereinwirkung errichtet. Außerdem konnten die einstigen Geschütze auf dem vorhandenen Schießplatz in Unterlüß gut getestet werden. Es hätte gar kein Erfordernis bestanden quasi am Ende der Welt im Tiefental einen gesonderten Schießbetrieb einzurichten. 

Beachtlich ist, dass in Richtung der Rampe rund 50 Km freies, bzw. nur sehr dünn besiedeltes Schussfeld liegen. Fanden hier vielleicht noch ganz andere Versuche mit Waffengattungen statt, die einen derartigen Aufbau der Anlagen sogar plausibel machen würden? 

Um es auszusprechen - die rede wäre von einer Art Waffe, die eine Rampe zum Test erforderlich macht und bei der weiterhin das Risiko besteht, dass sie nicht ordnungsgemäß funktioniert, sondern noch am Ort des Abschusses detoniert. Nur so ließe sich erklären, dass die Anlage über derart massive Bunker verfügen musste. Wenn wir die in Frage kommende Waffenart so beschreiben fällt der Blick unweigerlich auf die im Zweiten Weltkrieg entwickelte Rakete V1. Diese wurde von einer Rampe verschossen und wäre geeignet gewesen in der Erprobungsphase Fehlstarts herbeizuführen. 

 

Bild: V1-Start auf aufgeschütteter Startrampe. 


Ausdrücklich möchte ich betonen, dass es auch diverse Fakten gegen die Vermutung einer V1 Startanlage gibt. So betrug die Länge der Startrampen der V1 grade einmal 49m, während hier eine Rampe von einer Lange von 200m vorhanden ist. Fraglich wären in diesem Fall auch die vorhandenen Erdsockel, die sich in unmittelbarer Nähe der gesprengten Bunker befinden. 

Es ist unklar welche Art von Waffen hier getestet wurde. Nachhaltig halten sich Gerüchte, dass im Tiefental auch deutsche Raketenwaffen gesprengt worden sein sollen. Dies beruht jedoch auf Mutmaßungen. Dennoch bleibt festzuhalten, dass vor Ort eine erhebliche Anzahl an Aluminiumteilen vorgefunden wurde. Solche wurden nicht in konventionellen Artilleriegranaten oder in Abwurfmunition verwendet. 

Fakt ist somit, dass vor Ort Waffen gesprengt wurden, die immense Zerstörungskraft besaßen, was die vorhandenen Trümmer und Krater belegen. Gewöhnliche Artilleriewaffen hätten keiner derartigen Rampe bedurft. Somit stellt sich die Frage welchem Zweck diese einst diente. Haben die Alliierten möglicherweise Teile der Anlage demontiert bevor die Sprengungen durchgeführt wurden? Besaß die Rampe einst noch einen Aufbau? Welche Technik kam hier zum Einsatz? 

...Nicht alle Fragen konnten im Rahmen der Recherche beantwortet werden. Ohne Frage handelt es sich hier um eine äußerst interessante Anlage, deren Nutzung noch weitgehend unbekannt ist. Es gibt also noch einiges zu klären was die einstigen Geschehnisse im Bereich des Tiefental angeht. 


H. Altmann




Samstag, 9. Juli 2016

Vergessene Gebäude an der Zufahrt zum Marinesperrzeugamt



Über das Marinesperrzeugamt Starkahorn (MSA) wurde im Blog schon einige Male berichtet (IIIIII). Nun konnten weitere Relikte einstiger Gebäude aufgespürt werden...


Insgesamt ist die Historie des Marinesperrzeugamtes (MSA) schon recht absurd. In der Einrichtung, welche sich im Waldgebiet zwischen Eschede und Unterlüß befindet, wurden einst Torpedos, Seeminen und andere Waffen für die Deutsche Kriegsmarine gefertigt. 

Die Geschichte - und besonders das Ende - dieser militärischen Einrichtung sind bis heute noch kaum erforscht. Zu Kriegsende wurden massenhaft Unterlagen vernichtet. Nach der Einnahme durch das britische Militär im April 1945 erlebte das MSA eine wechselhafte Zeit. Zunächst kamen dort Flüchtlinge unter. Dann begann die Sprengung der Bunker und Munitionsbestände durch die Alliierten. Schlussendlich wurden die noch vorhandenen Überbleibsel von der örtlichen Zivilbevölkerung geplündert. Einige Gegenstände konnten auch durch die Wehrmachtsgutsverwaltungsstelle in Celle gesichert werden. 

Es ist daher nicht leicht die Geschichte des MSA bei Starkahorn zu rekonstruieren. Vermutlich werden immer wieder neue Dinge ans Tageslicht kommen. Durch einen kartenmäßigen Zufallsfund konnte nun ein weiterer Bereich des MSA gefunden werden. Er befindet sich direkt an der heutigen L 281 zwischen Eschede und Hermannsburg. 

Bild: Marinesperrzeugamt bei Starkshorn. Quelle: Google Earth. 


Das eigentliche MSA befand sich im Waldgebiet zwischen Unterlüß und Starkshorn unmittelbar westlich der Bahnstrecke Hannover-Hamburg. Die Ausmaße dieses Geländes sind bis heute ebensowenig geklärt wie die genaue Anzahl von Gebäuden und Bunkern, die sich dort einst befanden. Auf dem Gelände selbst gab es keine Straßen. Der Transport erfolgte ausschließlich über Feldbahngleise. Abtransportiert wurden die fertigen Erzeugnisse über die Bahnstrecke Hannover-Hamburg. 

Die offizielle Zufahrtsstraße mündete zwischen Starkahorn und Queloh auf die heutige Landstraße 281. Spuren davon sind noch heute zu finden, auch wenn sich vor Ort vieles stark verändert hat. 

Einst muss es in diesem Bereich auch noch Gebäude gegeben haben, die zum Marinesperrzeugamt Starkahorn gehörten. 

Bild: Marinesperrzeugamt bei Starkshorn. Quelle: Google Earth / Karte 1945. 


Besonders spannend an diesem Umstand ist, dass die Gebäude scheinbar noch über längere Zeit nach dem Krieg existiert haben. Der Großteil des MSA wurde bereits zu Kriegsende durch zahlreiche Sprengungen zerstört. Die Alliierten nutzten das abgelegene Areal, um dort unterschiedlichste Munitionsarten zu vernichten. Dabei wurden die Bunker zunächst mit Munition gefüllt und anschließend gesprengt. Allerdings detonierte auf diese Weise nicht die komplette Munition, was dazu führte, dass die Gegend bis heute belastet ist. Später ging man dann dazu über die Munition in Nord- und Ostsee zu verklappen. 

Doch zurück zu den eigenartigen Gebäuden am Anfang der Zufahrtsstraße. Diese sind noch auf Karten aus den 70er Jahren verzeichnet, was den Schluss nahelegt, dass sie bis in diese Zeit - vielleicht auch als Ruinen - existiert haben könnten. 

Bild: Marinesperrzeugamt bei Starkshorn. Quelle: Google Earth / Karte 1971.


Vor Ort ist von diesen Gebäuden allerdings so gut wie nichts mehr zu finden. Durch Aufforstungsmaßnahmen wurde sowohl der Boden als auch der Baumbestand völlig verändert. An der Stelle wo einst die Gebäude gestanden haben befindet sich heute ein kleiner dicht bewachsener Eichenwald und ein Parkplatz. 

Bild: Stelle an der die Gebäude standen. 


Aber natürlich sind nicht alle Spuren verschwunden. An manchen Stellen haben Wildschweine den Boden ziemlich stark umgewühlt. In den Löchern liegen Mauerreste, Ziegelsteine und Stahlbetonelemente. 

An einer Stelle liegen weiterhin in Bakelit gegossene Batterien, die ebenfalls im Hauptbereich des MSA aufgefunden wurden. Bei diesen Batterien handelt es sich tatsächlich um Batterien für Unterwasserminen. Abgesehen davon, dass die Batterien sicherlich nichts in der Umwelt verloren haben sind sie aber ungefährlich. 

Scheinbar wurden die Gebäude an der Zufahrt zum MSA erst relativ spät abgerissen und der Schutt teilweise einplaniert. 

Bild: Schuttreste. 


Dort wo auf den historischen Karten deutlich Gebäude verzeichnet sind, befindet sich heute ein Parkplatz für Besucher des Naturparks Südheide. Dementsprechend sind die Spuren in diesem Bereich natürlich nicht mehr erkennbar. 


Bild: Parkplatz - hier befanden sich einst die Gebäude. 


Direkt neben dem Parkplatz beginnt die Zufahrtsstraße zum Hauptbereich des MSA. Was heute nach einem unspektakulären Forstweg aussieht war früher die einzige ausgebaute Straße zur Munitions- und Waffenfabrik im Wald. Folgt man dieser Straße kann man dies an manchen Stellen mit einem guten Blick auch noch erkennen. 

Bild: Zufahrtsstraße zum MSA Starkshorn. 


Früher soll diese Straße durchgängig gepflastert gewesen sein. Nach Kriegsende wurde das Pflaster - vermutlich für anderweitige Ausbesserung- und Baumaßnahmen - abgetragen, schreibt Gries in seinem Heft "Was wir tun ist nicht gerade zu unserem Besten". Möglicherweise war die Straße aber auch gar nicht durchgängig mit Pflastersteinen befestigt. 

An diversen Stellen finden sich noch heute betonierte Fahrspuren im Bereich der Straße. Auf diese Weise wurden auch Straßen und Rollbahnen im Bereich der Flugplätze befestigt. Der Schluss liegt nahe, dass auch die Straße zum MSA eine solche "Fahrbahndecke" erhielt, da dieses Verfahren deutlich einfacher ist, als die aufwendige Verlegung von Straßenpflaster. 

Bild: Reste der befestigten Zufahrtsstraße. 


Am Ende dieser Zufahrt befand sich schließlich das MSA. Was dort im einzelnen genau entwickelt und hergestellt wurde ist nur zu Teilen bekannt. Aber die Beschreibungen früherer Arbeiter und anderer Zeitzeugen weisen auch Widersprüche auf. Darüber hinaus existieren nur wenige Karten oder sonstige Dokumente, die Aufschluss über die Tätigkeiten im MSA geben. Vieles wurde entwendet oder in der Nachkriegszeit zerstört. 

Auch die Verwendung der Gebäude an der Zufahrtsstraße ist noch ungeklärt. Die Karte von 1945 verzeichnet hier zwei größere Gebäude und zwei kleinere Nebenbauten. Merkwürdig ist in diesem Zusammenhang, dass sich in diesem Bereich ebenfalls Batterien für Unterwasserminen befinden. Dies würde stark dafür sprechen, dass hier ebenfalls irgendeine Art von Produktion untergebracht war. 

Vermutlich wird sich die Geschichte des MSA Starkshorn nie ganz aufklären lassen. Aber es tauen immer wieder neue Spuren auf, die neue Einblicke geben. 


Hendrik Altmann