f Januar 2017 ~ Heimatforschung im Landkreis Celle

Montag, 30. Januar 2017

Das vergessene Flugfeld bei Zahrenholz




Heute erinnert nichts mehr an die ehemaligen Abstellflächen für Kampfflugzeuge bei Zahrenholz. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Heide in unmittelbarer Nähe der heutigen Ortschaft "Texas" zu einem improvisierten Flugfeld, auf dem brisante Waffentechnik der Luftwaffe untergebracht wurde... 


Im dünn besiedelten Dreieck zwischen Celle, Uelzen wurden bis 1945 zahlreiche geheime Rüstungseinrichtungen untergebracht. Besondere Stellung hatte hierbei die Luftwaffe. Neben den Flugplätzen bei Celle gab es wichtige Luftfahrteinrichtungen bei Dedelstorf und Wesendorf. Bei diesen Standorten handelte es sich um ausgebaute Flugfelder mit entsprechenden baulichen Anlagen. Allerdings gab es noch weitere - weniger bekannte - Einrichtungen, die für den regelmäßigen Flugbetrieb unerlässlich waren. 

So verfügte der Flugplatz Wesendorf über einen sogenannten Scheinflugplatz nordwestlich von Gifhorn bei Wilsche. Neben derartigen Einrichtungen verfügten die beiden großen Flugfelder bei Dedelstorf und Wesendorf aber auch noch über ausgelagerte Flächen, die bis zum Kriegsende als Abstellplätze für hochmodernes Kriegsgerät genutzt wurden. 

Erforderlich wurden die behelfsmäßigen Abstellplätze, die u.a. für Flugzeuge von Nachtjägerstaffeln genutzt wurden, als im Westen immer mehr Flugfelder aufgrund des alliierten Vormarsches ausfielen. Zum Ausgleich wurden die Flugplätze im Reich übermäßig stark belegt. Für die "überzähligen" Flugzeuge war häufig nicht ausreichend Schutz vorhanden - befestigte Hangar waren ohnehin nur selten vorhanden, Splitterschutzboxen waren nur in begrenzter Anzahl verfügbar und häufig dienten bereits in die Wälder geschlagene Dreiecke als notdürftige Albstellflächen, die durch Tarnnetze nur provisorisch verdeckt werden konnten. 

Die Heideflächen zwischen den vorhandenen Flugplätzen bei Dedelstorf und Wesendorf boten gute Abstellmöglichkeiten für Kampfflugzeuge. Außer historischen Quellen und den Berichten von Zeitzeugen ist heute nichts mehr geblieben das an diese Ausweicht- und Abstellflächen erinnert. Auf Karten sind die Flugfelder nicht verzeichnet und auf historischen Luftbildern sind sie nur schwer erkennbar - ein Zeichen dafür, dass sie ihre einstige Bestimmung sinngemäß erfüllt haben. Oftmals wurden diese improvisierten Flugplätze erst mit Einmarsch der alliierten Bodentruppen entdeckt. Dabei fielen den Alliierten nicht selten bedeutende rüstungstechnische Entwicklungen in die Hände. 

Bild: Lage der einstigen Abstellfläche südlich von Zahrenholz. Quelle: War Office Map 1945. 


Erst gegen Ende des Krieges - im September 1944 - wurde die Start- und Landebahn durch Fremdarbeiter angelegt. Sie hatte eine Länge von ca. 900m und war 200 - 300m breit. Das Gelände südlich von Zahrenholz bestand aus brachliegenden Heideflächen, die mit vereinzelten Kiefern und Birkenbüschen bewachsen waren. Diese wurden gerodet und eine geeignete Freifläche geschaffen. Nördlich der Straße, an der sich heute die Siedlung Texas befindet, wurde eine Start- und Landebahn errichtet. 

Die angrenzenden Wälder dienten als natürliche Abstellmöglichkeit für die Flugzeuge. Hierfür wurden dreieckige Einschnitte vorgenommen, in die sich die Flugzeuge schieben ließen. Anschließend wurden die abgestellten Flugzeuge mithilfe von Tarnnetzen verborgen. In Röhren, welche im Boden eingelassen waren, steckte man Kiefern, sodass die Flugzeuge für die alliierte Luftaufklärung kaum sichtbar waren. Für die Mannschaften des Flugplatzes wurde eine entsprechende Holzbaracke im Wald errichtet. Die sonstige Koordination und Organisation des Flugfeldes scheint offenbar von Wesendorf aus erfolgt zu sein. 


Bild: Lage der einstigen Abstellfläche südlich von Zahrenholz. Quelle: War Office Map 1945 / Google Earth. 


Der Ausweichflugplatz bei Zahrenholz diente vor diesem Hintergrund vorwiegend als Abstellfläche für den großen Flugplatz bei Wesendorf. Zwischen Dezember 1944 und März 1945 wurden vor allem große Maschinen vom Typ Ju 88 und Ju 188 auf dem Platz abgestellt. 


Bild: Ju 88 im Flug. 


Die Junkers Typ 88 war eins der meinst produzierten Flugzeuge im Zweiten Weltkrieg. Zahlreiche Spezialisierungen und Modifizierungen führten schließlich zum Typ Ju 188. Beide Flugzeugtypen wurden auf dem Abstellplatz bei Zahrenholz unmittelbar vor Kriegsende noch ausweichmäßig untergebracht. Bis zu 20 Maschinen sollen auf dem Ausweichplatz zeitweise untergekommen sein. 


Bild: Abgestellte Ju 188. 


Anfang April 1945 zeichnete sich das Kriegsende bereits ab. Am 09.04.1945 wurde der nahegelegene Flugplatz bei Wesendorf geräumt. Im Wesentlichen bedeute dies, dass die noch vorhandenen Flugzeuge gesprengt oder unbrauchbar gemacht wurden und die militärischen Bestände vor der Ankunft der US Truppen vernichtet werden sollten. Das Bodenpersonal erhielt zudem noch eilige Schulungen mit Handfeuerwaffen, um als "letztes Aufgebot" die nahenden feindlichen Verbände zu verlangsamen. Einige dieser notdürftig ausgerüsteten und nur unzureichend geschulten Truppen wurden später auch bei Oppershausen eingesetzt. 

Am 9. April erreichten neun einmotorige Maschinen vom Typ Arado 96 aus Wesendorf kommend den Ausweichplatz bei Zahrenholz. Es handelte sich um Flugzeuge die eigentlich nur zu Schulungszwecken eingesetzt wurden. Aus welchem Grund sie unmittelbar vor Kriegsende aus Westendorf abgezogen und nach Zahrenholz verlegt wurden ist bis heute nicht geklärt. 

Da die Flugzeuge zunächst auf dem freien Rollfeld standen, wurden amerikanische Tiefflieger auf sie aufmerksam. Zunächst ging nur ein US Jagdbomber zum Angriff über. Bald darauf waren es insgesamt sechs Tiefflieger, die das Flugfeld und die auf ihm abgestellten Maschinen mit schwerem Feuer aus ihren Bordmaschinenkanonen belegten. Die Flugzeuge wurden dabei völlig zerstört. Darüber hinaus entstanden ausgedehnte Brände auf der trockenen Heidefläche. Die Mannschaften und Anwohner hatten alle Mühe damit die Flächenbrände einzudämmen. 

Bild: Lage der einstigen Abstellfläche südlich von Zahrenholz. Quelle: Google Earth. 


Die Heideflächen sind heute genauso aus dem Landschaftsbild verschwunden wie das einstige Flugfeld. Im Grunde ist wirklich nichts mehr davon zu finden. Gebäude hatte es ohnehin bis auf eine Holzbaracke nicht gegeben. Mittlerweile werden die Flächen landwirtschaftlich bewirtschaftet. 

Bild: Abstellfläche bei Zahrenholz heute. Blick in Richtung Texas. Quelle: H. Altmann. 


In seiner Gesamtausprägung scheint das Flugfeld nur eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Anders als die umliegenden Standorte bei Wesendorf, Dedelsdorf und auch bei Celle (Wietzenbruch, Hustedt) taucht der Abstellplatz bei Zahrenholz nicht in offiziellen Listen der Alliierten auf. Auch auf Karten wurde er nicht verzeichnet. Eine Nachnutzung durch die Alliierten fand ebenfalls nicht statt. 


Bild: Abstellfläche bei Zahrenholz heute. Die Start-/Landebahn verlief durch die Bildmitte von rechts nach links.  Quelle: H. Altmann. 


Das Flugfeld bei Zahrenholz hatte insgesamt nur eine untergeordnete Bedeutung. Es wurde nur noch wenige Monate vor Ende des Krieges genutzt und war dabei mehr oder weniger nur eine improvisierte Abstellmöglichkeit für überzählige Maschinen, die in Wesendorf aus Kapazitätsgründen nicht hätten untergebracht werden können. Heute erinnern sich nur noch wenige an das damalige Geschehen. Vor Ort sind kaum noch sichtbare Spuren vorhanden, sodass die Geschichte des Flugfeldes mittlerweile stark in Vergessenheit geraten ist. 

Bild: Abstellfläche bei Zahrenholz heute. Äußeres Ende des einstigen Abstellfläche bei Texas. Quelle: H. Altmann. 


Möglicherweise verfügt der ein- oder andere noch über weitere Informationen zum Flugfeld bei Zahrnholz oder den umliegenden Flugplätzen. Ich würde mich sehr freuen mehr darüber herauszufinden (found-places@live.de) 


Hendrik



Freitag, 27. Januar 2017

Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus




Einige gute Gründe warum wir diesem Tag Beachtung schenken sollten... 


In Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau am 27. Januar 1945 ist dieser Tag seit 1996 ein gesetzlich verankerter Gedenktag. Der Bundestagspräsident Norbert Lammert führte in seiner Gedenkrede vor dem Bundestag am 27. Januar 2008 aus, dass es sich um einen Gedenktag für alle Opfer des Nationalsozialismus handelt. 

Die Opfer des nationalsozialistischen Regimes sind nicht mit "Opfern des Holocaust" gleichzusetzen. Über die systematische Vernichtung in den Konzentrationslagern hinausgehend, konnte im NS-Staat jeder Opfer werden. Deutsche. Ausländer. Gläubige. Ungläubige. Klein. Groß. Völlig egal. 

Eigentlich sollte die Erinnerung für uns Menschen so selbstverständlich wie das Atmen sein. Die aktuellen Entwicklungen zeigen jedoch, dass es erforderlich ist, sich der Notwendigkeit des Gedenkens bewusst zu werden. 


Geschichte beginnt vor der Haustür...

In Celle und Umgebung gab es zwischen 1933 und 1945 Lager für Zwangsarbeiter, Fremdarbeiterlager, Konzentrationslager, Außenlager, Männerlager, Frauenlager. Lager für so ziemlich jeden, der im Dritten Reich auf seine bloße Arbeitskraft reduziert wurde. Diese Lager waren nicht "irgendwo im Osten". Die Lager waren nicht nur Auschwitz. Nicht nur Buchenwald. Nicht nur Neuengamme. Die Lager waren hier - unmittelbar vor unseren Haustüren. 

Die Zahl der Leute, denen heute alleine im Landkreis Celle gedacht werden sollte, geht in die Zehntausende. 

Alleine in der Lufthauptmunitionsanstalt Hambühren-Övengönne waren zwischen 1940 bis 1945 rund 1.477 Ausländer zur zwangsmäßigen Arbeit verpflichtet. Im Lager Hambühren "Waldeslust" waren zeitweise ca. 400 polnische und deutsche Jüdinnen untergebracht und zur Zwangsarbeit verpflichtet. Sie waren im KZ Auschwitz zum Arbeitseinsatz selektiert, nach Bergen-Belsen und schließlich nach Hambühren gebracht worden. 

Bild / Quelle: CZ v. 15.04.1985. 


Neben den großen Rüstungsbetrieben, waren seinerzeit in fast jedem großen Unternehmen im Raum Celle in irgendeiner Form Zwangsarbeiter beschäftigt. Auf fast jedem Hof in jedem Dorf waren Kriegsgefangene zum Arbeitseinsatz verpflichtet. 

In seinem Werk "Zwangsarbeit in der Lüneburger Heide" stellt Nils Köhler bereits eingangs heraus, dass der Begriff der "Zwangsarbeit" sehr facettenreich ist und der näheren Untersuchung bedarf. Den Ausführungen Köhlers ist zuzustimmen - daher verweise ich hierzu auf sein Buch. 

"Zwangsarbeit" konnte im Dritten Reich jeden - auch jeden Deutschen - treffen. Durch die sogenannte "Kräftebedarfsverordnung" vom 23.06.1938 war es dem Staat grundsätzlich möglich, jeden zum verpflichtenden Arbeitseinsatz einzuberufen. Wenn wir heute also  den Opfern des Nationalsozialismus gedenken, dann sollten wir auch bedenken welche Umstände dieses Geschehen möglich machten - Umstände, die sich auf keinen Fall  wiederholen dürfen! 

Jeder Celler kennt die Geschehnisse des 8. April 1945. Die "Celler Hasenjagd" ist wohl eins der dunkelsten Kapitel der Stadtgeschichte und wurde bereits in zahlreichen Ausarbeitungen aufgearbeitet.  Weniger bekannt sind die Ereignisse, die sich unmittelbar vorher abspielten. So erreichten mehrere sogenannte "Totenmärsche" den Raum Celle, z.B. in Winsen, Groß Hehlen und per Bahn auch bei Wienhausen

Bild: Luftangriff am 08.04.1945. Quelle: Luftbild USAAF, Sammlung H. Altmann. 


Im Rahmen von Recherchen um die Auffindung von Massengräbern bei Wienhausen stieß ich auf Aussagen, die darauf deuten, dass es noch weitere Gräber gegeben hat, die bis heute nicht aufgefunden werden konnten. Ähnlich verhält es sich mit den Toten auf den Fußmärschen nach Bergen-Belsen und mit den am 8. April 1945 Ermordeten, die möglicherweise bis heute nicht gefunden wurden. 

Bild / Quelle: CZ v. 06.04.1985. 


Bis heute sind also längst nicht alle Zusammenhänge des Dritten Reiches aufgeklärt. Über diese Zusammenhänge ließen sich noch etliche Bücher schreiben - und sie werden sicher geschrieben. 

Heute wird der Opfer der Nationalsozialismus gedacht. Das ist sinnvoll. Denn (Ge-)Denken kann man nicht genug. 


p.S.: 

Hinsichtlich der aktuellen Vorstöße einschlägiger politischer Parteien, in Bezug auf eine geforderte 180° Wende in der Erinnerungskultur, möchte ich folgendes Zitat anfügen: 

"Was sagt Ihnen dieses Buch, was es uns nicht sagt?" - "Es sagt mir, dass im Stechschritt marschierende Idioten wie Sie, die Bücher lieber lesen sollten, anstatt sie zu verbrennen!" 
(Sean Connery, Indiana Jones "Der letzte Kreuzzug").

H. Altmann 

Bild: Inschrift der Gedenktafel am Bahnübergang zwischen Wienhausen und Sandlingen. Quelle: H. Altmann.